Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

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Kilophot G. m. b. H., Wien. 
Inneres eines verlassenen serbischen befestigten Lagers nördlich von Glusci. 
Infanterielager österreichisch-ungarischer Truppen an der russischen Grenze. 
Kilophot G. m. b. H., Wien. 
Am 
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
so daß die seltenen Straßen 
allerorts gangbar sind, teil 
weise auch für schwere Fahr 
zeuge. Dann folgen häßliche 
Wochen mit Regen und Schnee 
bis Anfang Dezember, die Zeit 
der eisigen Ostwinde, die vom 
Ural her wehen. Aber bereits 
vor Weihnachten zeigt Polen das 
charakteristische Bild der russischen 
Winterlandschaft, die ruhige, nicht 
allzugroße Kälte (mittlere Tem 
peratur — 4° C), dem Klima 
Ostpreußens und Galiziens ähn 
lich. Nur an milden Tagen, wenn 
die Sonne nicht eben selten durch 
bricht, schmilzt der Schnee und 
wandelt sich in unergründlichen 
Schmutz. Im späten Frühling 
setzt die Überschwemmung ein; 
das ist die schlimmste Zeit für die 
Kriegführung. Die Straßen sind 
dann grundlos, der Nachschub ein 
fach unmöglich, der Kampf muß 
ruhen. — Verkehr ist nur mög 
lich auf den spärlichen Verbin 
dungstraßen, die den Namen 
„Chaussee" nicht beanspruchen. 
Und diese wenigen sind zumeist 
durch künstliche Befestigungsan 
lagen gesperrt. „In seinen Sümpfen und Flüssen liegt die 
Verteidigungskraft Polens." Nehmen wir das scheinbar 
unbedeutende Osowiec (Linie Lyck—Bialystok); es ist-ge 
radezu als ein Einfalltor anzusprechen in das Gebiet östlich 
des Bobr. Bis zum Frühjahr sind die Wege fest und 
daher tragfähig; dann aber werden sie ungangbar. 
Es leuchtet ein, daß der Wert einer russischen Festung 
mit besonderer Berücksichtigung der Jahreszeit eingeschätzt 
sein will; die im Winter fest zugefrorenen Flüsse und zahl 
reichen Sümpfe bilden dann keine Bewegungshinderung 
mehr — im Gegenteil, sie ersetzen die fehlenden guten 
Straßen. Damit schwindet dann auch die Bedeutung 
der Festung als Sperre! 
Eine ganz eigenartige Bodenentwicklung bildet die 
Poljesje; ein Blick auf eine gewöhnliche Eisenbahnkarte 
zeigt einen weiten, dünn bevölkerten Raum, der nur 
durch drei von Ost nach West ziehende eingleisige Bahn 
linien durchzogen wird. Wie ein Keil schiebt sich dieses 
Dreieck zwischen Nord und Süd. Die Spitze liegt etwa 
in Brest, die Basis bildet der Dnjepr auf der Linie 
Mohilew—Kiew. Diese Fläche entspricht etwa dem Raume 
zwischen Berlin—Wien und Stuttgart, mit Seitenlänge 
von etwa 500 Kilometer. Dieses entsetzliche Gebiet, die 
Poljesje, ist ein einziger großer Morast, der nur in seinem 
westlichsten Teil, westlich der Bahn Rowno—Baranowitschi, 
gangbar ist. Sie trennt Wolhynien vom Kriegschauplatz 
der Ostsee und unterbindet den Verkehr von Armeen, die 
etwa von Petersburg auf Ostpreußen und von Kiew auf 
Galizien marschieren. In ihrem südlichsten Teile, nördlich 
Rowno bis zum Pripet hin, ist sie uns schon aus der Schule 
bekannt unter dem Namen Rokitnosümpfe. 
Von größter Bedeutung sind natürlich die Wegeverhält 
nisse. Nach dem Oktober bis zum Beginn des Dezember, 
wenn die Oststürme brausen, sind die Pfade grundlos. 
Erst wenn eine fußhohe Schneedecke alles in ein endloses 
weißes Tuch hüllt, besteht nur noch eine einzige Schlitten 
bahn — dann gibt es überhaupt nichts, was einen Weg auch 
nur andeuten möchte. Der Oktober ist so ziemlich die Zeit 
der besten Wege in diesem weiten Lande der fetten schwarzen 
Erde ohne Eisenbahnen. 
Die Eisenbahnkarte zeigt, daß die russische Regierung 
wahrscheinlich nicht ohne Absicht solche Gebiete an den 
Mühseliger Ü orl eines öster 
reichisch-ungi, Munitions- 
rvagens auf j losen Wegen. 
Grenzen ohne Bahnverbindung gelassen hat. Sie sind 
geradezu Fallen, in denen eine Armee auf alle modernen 
Hilfsmittel der Fortbewegung verzichten muß und lediglich 
auf den Nachschub mit der Achse — unter Umständen mit 
Schlitten — angewiesen ist. Ein solches Gebiet ist zum 
Beispiel die Niederung der Weichsel westlich und nördlich 
von Krasnik, das durch den Sieg der Österreicher unter 
Dank! berühmt wurde, bis östlich zum Bug und noch darüber 
hinaus. Auch die Rokitnosümpfe sind in ähnlicher Weise ab 
sichtlich vernachlässigt worden. Die Chausseen sind hier so 
schlecht, daß kein Mensch die Behauptung aufstellen möchte, 
es seien „Kunststraßen". Und selbst diese hören einige Meilen 
von der Grenze auf. So kann man zum Beispiel von Cholm, 
der ersten Popenstadt von Kongreßpolen, die mit ihren 
buntfarbigen Zwiebelkuppeln schon ganz.moskowitisch an 
mutet, nur bis Erubiscof herankommen; jenseits bis zur 
österreichischen Grenze gibt es keine Kunststraße. Ist man 
erst einmal in.Cholm oder Kowel angelangt, so hat man 
durch die Eisenbahn endlich wieder Verbindung mit der 
großen Welt, westlich über Lublin—Jwangorod nach 
Warschau, südwestlich nach Beuchen. Die letztere Strecke 
ist die Hauptlebensader im Gebiete 
hart westlich der Weichsel, wie 
überhaupt alle Lebens- und Be 
förderungsbedingungen gegen die 
schlesische Grenze hin eher gün 
stiger liegen. 
Der verschriene polnische Win 
ter ist also für den Angreifer 
ebenso günstig oder nachteilig 
wie für den Verteidiger. Er ist 
ein Umwerter aller strategischen 
Begriffe, aller taktischen Grund 
sätze; er zwingt zu einer Ver 
langsamung der Bewegungen, 
schließt solche aber nicht aus. Er 
ist das gegebene Feld für den 
Positionskrieg (Mulden). Die 
Anlage von Feldbefestigungen ist 
im Schnee ebensogut möglich wie 
im harten Boden. Die Regelung 
des Nachschubs bedarf besonders 
sorgfältiger Vorbereitung; das 
Land selbst liefert nichts. 
Man sieht, daß die kalte 
Jahreszeit uns wie den Russen 
Vor- und Nachteile bringt, die 
man erst später wird abschätzen 
können. 
Was für Norwegen der Regen 
schirm, für die Tropen der Tro 
penhelm, sind für Polen Pelz und warme Strümpfe. 
Die Verteidigung 
der Deimestellung bei Tapiau. 
«Hierzu das Bild Seite ISS.» 
In Gumbinnen und Insterburg staiiden zu Beginn des 
Krieges nur schwache deutsche Streitkräfte, so daß ein Vor 
dringen der Russen auf Wehlau und Tapiau nicht verhindert 
werden konnte, wo sich die Deirae vom Pregel löst, um 
nördlich dem Haff zuzustreben. Hier sollte der preußische 
Widerstand gebrochen werden; dann lag Königsberg frei, 
das alte, stolze Königsberg, die berühmte Krönungsstadt 
der preußischen Könige, die mächtige Trutzburg am Pregel- 
strande, von den deutschen Rittern erbaut und dem Böhmen 
könige Ottokar zu Ehren Königsberg genannt. 
Am Montag, den 24. August, sollten sich viele junge 
Leute in Insterburg (siehe Bild Seite 251) zur Musterung 
stellen; allein schon am Sonnabend vorher war das Be- 
zirkskommando nach Elbing verlegt worden, und die Muste 
rungspflichtigen begaben sich deshalb nordwestlich nach Skais- 
Phot. Carl Seebald, Wien.
	        
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