Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
dieser Stützpunkt, wie Ostende (siehe auch die Bilder Seite 
468 und 459), Middelkerke und andere Plätze, die von den 
deutschen Truppen nach denr Fall von Antwerpen erobert 
wurden, den Engländern ein Dorn im Auge. Nach der 
Beschießung von Ostende, durch die die englischen Kriegschiffe 
die deutsche Stellung am Pserkanal belästigt hatten, zogen 
sie sich etwa am 15. November zurück, da einige ihrer Schiffe 
stark beschädigt worden waren. 
So brach der Morgen des 23. November an. Die 
belgischen Nordseegestade waren in leichten Nebel gehüllt, 
leise plätscherten die Wellen am Strande bei Zeebrügge, 
sie murmelten ihr uraltes Lied vom Werden und Ver 
gehen. — Angestrengt lugten hier deutsche Marineraugen in 
die See hinaus, hinter den Dünenabhängen hatte deutsche 
Matrosenartillerie Küstengeschütze in gedeckte Stellung ge 
bracht, deren eherner Mund sprechen sollte, sobald sich nur 
ein einziger Feind von der Wasserseite her zeigen würde. 
Da! — Was war das? — Kanonendonner aus südwest 
licher Richtung! Leises Summen in den Lüften: feindliche 
englische Flieger auf ihrem Eckundungsflug. Sie ver 
schwanden wieder, der Geschützdonner wurde schwächer. So 
verstrich der Vormittag, der Nachmittag kam heran. Gegen 
drei Uhr schoben sich durch die graue Nebelwand langsam die 
Umrisse einiger Kriegschiffe vor; es waren englische Kreuzer 
und Torpedoboote, die wohl deutsche Unterseeboote im 
Hafen vermuteten. Plötzlich ward der Nebel durch grelle 
Lichtblitze zerrissen! Die Engländer eröffneten das Feuer 
mit furchtbarer Heftigkeit. Wohl antworteten die deutschen 
Küstengeschütze, aber die Feinde waren stärker armiert. 
Geschoß auf Geschoß sauste auf das Hafenviertel, furchtbar 
war ihr Krachen beim Aufschlagen, als hätte die Hölle ihre 
Geister losgelassen! Hier und da zuckten Flammenblitze auf, 
dann rollte wieder Geschützdonner, Mauern barsten, Häuser 
stürzten ein! Plötzlich schoß bei der Koksfabrik von Rombach 
eine hohe Feuersäule in die Luft, taghell beleuchtete sie die 
Umgebung — einer der Gasbehälter war in Flammen auf 
gegangen ! Erplosion folgte auf Erplosion. Die Elektrizitäts 
werke brannten schon. Welch ein unermeßlicher Schaden an 
belgischem Eigentum, den die Engländer hi er ihren Verbünde 
ten zufügten! — Da draußen feuerten ununterbrochen 
deutsche Kanoniere auf den Feind, den der Nebel nur zu 
sehr bei seinem Vorgehen begünstigte, unter dessen Schutz 
die Engländer bei einbrechender Dunkelheit auch entkamen. 
Die Schweizer an der Grenze. 
(Hierzu die Bilder Seite 431.) 
Als zu Anfang August 1914 die politische Lage sich im 
mer bedrohlicher gestaltete, eilten wir Schweizer an die 
Grenze, um Gewehr bei Fuß bereit zu sein, die Neutra 
lität unseres geliebten Landes wenn nötig mit der Waffe 
zu verteidigen. Am 4. August ließ der schweizerische Bundes 
rat den Mächten seine Neutralitätserklärung zugehen, doch 
schon drei Tage vorher waren die Grenzbahnhöfe und -brücken, 
sowie Eisenbahnbrücken, Bahnübergänge, Munitions- und 
Vorratslager im Innern des Landes von unseren Land 
sturmsoldaten bewacht. Bereits am 2. August waren an den 
öffentlichen Anschlagstellen die Mobilmachungsbefehle mit 
dem übersichtlichen, mehrfarbigen Kriegsfahrplan erschienen, 
und am 4. August rückte der „Auszug" ein, der die Jahr 
gänge 1882 bis 1894 umfaßt. 
Rasch und reibungslos vollzog sich die Mobilisation. In 
kürzester Zeit hatte, der ganzen Grenze entlang, in allen 
vier Windrichtungen der Auszug die Landsturmtruppen 
abgelöst. Sogleich wurde mit dem Bau von Feldbefesti 
gungen begonnen. Ein Schützengraben reihte sich an den 
anderen, und bald war unsere ganze Grenzlinie dermaßen 
befestigt, daß wir vor Überraschungen geschützt waren. 
Hinter diesem sicheren Wall vervollkommneten die 
übrigen Truppen ihre militärische Ausbildung in großen 
Konzentrationslagern im Innern des Landes. Drill war die 
Losung der ersten Wochen. Uns älteren Soldaten des Aus 
zugs, die nur noch jährlich vierzehn Tage Dienst getan 
hatten, kam es merkwürdig an, wieder gedrillt zu werden 
und gar noch schneidiger als einst in der Rekrutenschule. 
Doch so wenig uns der Drill auch zusagte, wir taten den 
Dienst doch willig und ohne Murren, wir sahen die Not 
wendigkeit straffer Manneszucht und Disziplin ein. Mit 
um so größerer Freude hielten wir unsere Schießübungen 
ab, ist doch in der Heimat Teils das Schießen die große 
Nationalkunst, und galt es doch jetzt gar, unsere neue Waffe, 
das schweizerische Jnfanteriegewehr Modell 1914, zu er 
proben. Man erzählte sich Wunderbares von seiner Treff 
sicherheit und Durchschlagskraft, und seit wir es kennen, 
sind wir nicht wenig stolz auf unser neues Gewehr. 
Gefechts- und Marschübungen folgten auf den Drill, 
und als wir endlich an die Grenze zogen, waren wir alle 
wieder so gefechts- und marschgewohnt wie als junge Re 
kruten. Das ganze Land schien in Bewegung zu sein in 
diesen Tagen, überall in den zerrissenen Bergen und Tälern 
unserer Grenzgebiete begegneten wir Truppen. Sie sangen 
ihre alten frischen Marschlieder, froh darüber, daß sie ihre 
Ungeduld nicht mehr zu zügeln brauchten, daß nun auch sie 
den Ehrendienst an der Grenze tun durften. 
Vorne bei den roten Erenzfläggchen herrscht reges 
Leben. Auf den Berggipfeln sind Veobachtungsposten auf 
gestellt (siehe Abbildung Seite 451), die durch Zeichen ins 
Tal hinunter melden, was sie da draußen, jenseits der 
Dhot. A. Grohs, Berlin. 
Deutsche Kavallerie reitet über eine Brücke des Kais in Ostende.
	        
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