Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
lung bis aufs Äußerste. Am 19. August habe ich den aller 
höchsten Befehl Seiner Majestät erhalten, Tsingtau bis aufs 
Äußerste zu verteidigen. Es lebe Seine Majestät der Kaiser! 
Der Kaiserliche Gouverneur." 
Aus Tsingtau trafen Anfang Oktober noch Briefe von 
Ende August und Anfang September ein, die Mitteilungen 
über den Beginn der Kämpfe enthielten. Einiges aus 
solchen Briefen möge hier folgen: 
Tsingtau, 22. August. 
Als sich der politische Himmel in den letzten Tagen des 
Juli mehr und mehr verdüsterte, war in H. schon alles in 
begreiflicher Aufregung. Verschiedentlich wurden die Reser 
visten auf ihre Pflichten aufmerksam gemacht, und anr 1. August 
hieß es dann tatsächlich: „Auf nach Tsingtau" . . . 
Um halb drei Uhr verließen wir H. Wir hatten 
eine Rekordfahrt bis Pukow, die vom schönsten Wetter 
begünstigt war. Unser recht stattlicher Transport wurde 
gut und reichlich verpflegt. In Nanking wurden wir dann 
Drahtverhau auf dem östlichen Kriegschauplatz 
in die Tsinanfu-Pukow-Bahn verfrachtet; in Tsinanfu 
wurden wir aufs neue umgeladen und traten die letzte 
Strecke unserer Reise an. In Tsingtau nahm uns am 
Bahnhof die Bataillonskapelle in Empfang und führte 
uns sofort in Reih und Glied nach der Kaserne. Es geht 
stramm und kriegsmäßig zu, und wir müssen alles daran 
setzen, um in kürzester Zeit eine Waffe zu werden, mit der zu 
rechnen ist. Die Aufgabe unserer Kompanie ist es, vorläufig 
den ganzen Wachtdienst der Festung zu übernehmen, da alle 
ausgebildeten Leute die Werke und Forts besetzen müssen. 
Tsingtau, 29. August. 
Seit meinem letzten Schreiben hat sich die Sachlage 
wesentlich geklärt, indem Japan das erwartete Ultimatum 
tatsächlich gestellt hat. Run saßen wir seit Sonntag mittag 
und warteten und warteten, aber bis vorgestern geschah 
nichts. Endlich am 27. morgens erschienen Schiffe am 
Horizont, die wir — wir waren gerade mit Schanzarbeiten in 
unserer neuen Verteid'.gungstellung beschäftigt — sofort als 
feindliche Kriegschiffe erkannten. Die Schiffe kamen näher, 
verschwanden wieder und begannen dann, eine etwa 
20 Kilometer in der See entfernt liegende Felseninsel (der 
„Heuhaufen") zu beschießen. Die Insel ist völlig unbewohnt, 
nur gekrönt von einem jetzt auch verlassenen Leuchtturm. 
Die Japaner vermuteten dort scheinbar starke Befestigungen. 
Es war spaßig, zu sehen, welche Mühe sie sich bei der Be 
schießung gaben! Gegen zwölf Uhr wurde ein drahtloses 
Telegramm verlesen, worin der Chef des japanischen Ge 
schwaders Blockade von Tsingtau ansagte und dem ameri 
kanischen Konsul und der Bemannung des hier liegenden 
österreichisch-ungarischen Kreuzers freien Abzug innerhalb 
24 Stunden bewilligte. Nach dieser Heldentat, auf die 
Österreich-Ungarn mit der Kriegserklärung an Japan ant 
wortete , hat man nichts weiter von den Schiffen gehört. 
Aus dem Brief einer Pflegeschwester: 
12. September 1914. 
Ob diese Zeilen noch durchkommen und sich zu Ihnen 
finden werden — ich weiß es nicht, glaube es kaum. Trotzdem 
will ich es versuchen. 
Phot. Kühlewindt, Hofphotograph, Königsberg i. P. 
zur Verhinderung des feindlichen Vorgehens. 
Von der Seeseite sind wir schon belagert. Vorn Fenster 
aus sehe ich die japanischen Kriegschiffe. Vom Land können 
wir jeden Augenblick abgeschnitten werden, denn gelandet 
sind die japanischen Truppen schon. 
Wir wissen alle, daß die Lage hier hoffnungslos ist — 
den Helden, die hier kämpfen, winkt kein Sieg; hier gibt 
es nur drei Dinge: Tod, Verwundung oder japanische 
Gefangenschaft. Des Kaisers Befehl lautet: Kampf bis 
zum Äußersten. Gewiß ist dies der würdigste Weg, aber 
schwer ist er und wird viel edles Blut und viele Tränen 
kosten. Von japanischen Kulis müssen sich unsere edlen 
deutschen Männer totschlagen lassen, und dies ist das Werk 
des Briten, der sich bisher nicht genug tun konnte in Rassen 
dünkel; jetzt kämpft er Seite an Seite mit diesen Gelben 
gegen das Brudervolk! 
Ich werde hier pflegen. Es sind viel zu wenig Pflege 
rinnen da. Wenn es ernst wird, werden wir schwere Arbeit 
haben. Vorderhand wird hier immer noch fieberhaft ge 
arbeitet an den Befestigungen. 
Aber die Verteidigung Tsingtaus heißt es in einem
	        
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