Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15
verständigen einig, daß es die österrei
chisch-ungarische Heeresleitung gerade
gegen diesen verbissenen Gegner ver
standen hat, mit den verhältnismäßig
kleinsten Mitteln und Opfern das
Menschenmögliche zu erreichen. Wir
werden demnächst ausführlicher auf
diese Ereignisse zurückkommen; für
heute genüge eine kurze Übersicht.
Zu Anfang schon hatte die uns ver
bündete Monarchie erklärt, daß sie die
Auseinandersetzung mit Serbien als
Angelegenheit zweiter Ordnung an
sehe. Auf die billig scheinenden Lor
beeren einer Erstürmung Belgrads in
den ersten Kriegstagen wurde ver
zichtet, weil eine spätere Wiederaufgabe
der Festung, wie sie am 16. Dezember
auch tatsächlich erfolgte, aus strategi
schen Gründen im Bereich der Mög
lichkeit lag; auch kannte man gut die
Falle, die von den Serben auf den
Hügeln hinter Belgrad vorbereitet war.
Der Angriff setzte vielmehr klug und
erfolgreich in der Gegend des Zusam
menflusses von Drina und Save ein (Schabatz, Obrenowatz,
Lieschnitza und Loschnitza; Mitte August). Dann mußte man
sich auf die Verteidigung beschränken, um alle verfügbaren
Kräfte den Russen entgegenzuwerfen. Doch blieb man nicht
untätig; man lockte die Serben über die Grenzflüsse und brachte
ihnen in Bosnien, in Syrmien und im Banat empfindliche
Schläge bei, die für einzelne Divisionen geradezu vernichtend
waren. Im Oktober wurden dann die in Bosnien einge
drungenen serbischen und montenegrinischen Abteilungen
gründlich abgefertigt (Zwornik, Romanja Planina, Fotscha,
Bajna Baschta, Rogalitza) und das Reichsgebiet endgültig
gesäubert. Mit der Erleichterung im Norden (Vorstoß gegen
Warschau) begann schließlich die entschiedene Angriffs
bewegung der österreichisch-ungarischen Armeen im ser
bischen Land, das dessen Verteidiger allerdings inzwischen
mit großartigen Erd- und Betonverschanzungen ausgerüstet
hatten. Trotzdem wurde im heldenmütigsten Sturm Stel
lung um Stellung — wir nennen nur kurz die Namen
Schabatz (2. November), Krupanja (9. November), Valjevo,
Obrenowatz, Maljen- und Suvorplanina — genommen,
wobei, von Südwesten bedroht, auch Belgrad fiel. All
das hat die österreichisch-ungarische Armee, sobald sie ernst
lich wollte-, in wenig Wochen zustande gebracht.
Der Dank für diese Erfolge gebührt
neben den tapferen Truppen ihrem
weitblickenden Führer, Feldzeugmeister
Oskar Potiorek. Am 20. November 1853
zu Bleiberg in Kärnten geboren,
wandte er sich bei seinem Eintritt ins
Heer der Geniewaffe zu, wurde bald
in den Generalstab berufen und stieg
rasch auf der Stufenleiter der militäri
schen Würden, war auch eine Zeitlang
Vertreter des Eeneralstabschefs. Bei
Ausbruch des Krieges war er Armee
inspektor in Sarajevo, zugleich Ehef der
Landesregierung von Bosnien und der
Herzegowina. Kaiser Franz Joseph
hat ihm Mitte November für seine Ver
dienste als erstem das neueingeführte
Militärverdienstkreuz erster Klasse mit
der Kriegsdekoration verliehen, das im
Rang noch vor dem Großkreuz des
Leopoldsordens steht. Bedenkt man,
dast die Kommandeure der letztgenann
ten Auszeichnung bis 1884 das Recht
hatten, um Verleihung des Freiherrn
standes nachzusuchen, so wird man
Feldzeugmeistee Oskar Potiorek,
der siegreiche Oberbesellskaber der öslerrelchisch-
ungarischen Baltanarmee.
standes nachzusuchen, so wird
den Wert des neuen Militärverdienstkreuzes erster Klasse
erst recht einschätzen und damit mich den ersten Träger.
Der Maasübergang der 26. Infanterie
division.
(Hierzu die Wegeskizze Seite 420 und das Bild Seite 42l.)
Es läßt sich leicht denken, wie gespannt Offiziere und
Mannschaften der 26. (1. König!. Württ.) Infanteriedivision
waren, als der Befehl erteilt wurde: In der Nacht von
Sonnabend auf Sonntag, nämlich vom 29. auf den 30. August,
überschreiten wir die Maas.
Am 29., gegen vier Uhr nachmittags, gingen wir in
lichten Schützenlinien mit weiten Zwischenräumen aus den
Wäldern gegen den Strom vor, um bei dem erwarteten
feindlichen Artilleriefeuer möglichst wenig Verluste im
deckungslosen Gelände zu erleiden. Unsere Nerven waren
aufs höchste gespannt. Wir warteten von Minute zu
Minute. Die 7 Kilometer über die Ebene dünkten uns
ein unendlicher Marsch. Doch wir erhielten kein Feuer.
Nur drei bis vier Franzosen sprangen wie aufgescheuchte
Mophot G. m. b. H., Wien.
Truppenlager in Serbien.