Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
Foto: Vereemgde Fotobureanx, Amsterdam. 
Von englischen Seesoldaten und belgischen Artilleristen bediente Panzerkanonen auf den Wällen der Forts von Antwerpen. 
wurde die Lage bedenklich. Ein Höllenlärm umtobte uns. 
Wir waren völlig machtlos. Mittags zertrümmerte ein 
Schutz die Kuppel. Zwanzig Minuten später zerstörten 
drei Geschosse die Kaserne. Wir flüchteten in einen unter 
irdischen Gang, um das klägliche Ende abzuwarten. Da er 
eignete sich die Erplosion. Ein feindlicher Schutz genügte, 
um das Pulvermagazin in die Luft zu sprengen und die 
Dynamomaschine zu zertrümmern. 300 Mann kamen ums 
Leben. Viele stürzten nieder und wurden von den flüch 
tenden Mannschaften zertreten, da in dem Gewölbe un 
durchdringliche Finsternis herrschte." 
Die Stadt Lierre hat durch die Beschietzung des gleich 
namigen Forts (siehe Bilder Seite 405 und 407) sehr gelitten, 
besonders ein Gasthaus, in dem 150 Verwundete lagen. 
Zehn Soldaten und mehrere Frauen wurden getötet. Viele 
verwundete Soldaten mutzten in den Keller flüchten. Es 
regnete geradezu Bomben, so datz die Verwundeten in 
Autos nach Antwerpen geführt werden mutzten. 
Am 2. Oktober erschien eine Taube über Antwerpen. 
Bei der Verfolgung wurde großer Schaden angerichtet. 
Die auf die Taube gerichteten Granaten fielen teilweise in 
die Straßen, verletzten und töteten mehrere Menschen. 
Eine Granate durchschlug das Dach eines Hauses, ohne zu 
explodieren. Die Taube warf von General v. Beseler 
gezeichnete Aufrufe in französischer und flämischer Sprache 
nieder, worin den Soldaten mitgeteilt wurde, datz sie 
durch die Franzosen und Engländer betrogen würden 
und die Russensiege eine Erfindung der belgischen Presse 
seien. Schon am 3. Oktober wurde die Lage Antwerpens 
als sehr kritisch betrachtet. Der äußere Fortgürtel war 
gefallen und die Stimmung sehr gedrückt. Der Kom 
mandant der Festung erließ einen Aufruf, der die Be 
völkerung ermahnte, die Ruhe zu bewahren. Die belgischen 
Truppen zogen sich hinter den inneren Fortgürtel zurück, 
und man befürchtete, datz die Deutschen die Wasser- 
zufuhr abschneiden würden. Am 5. Oktober traf die 
belgische Regierung bereits alle Vorbereitungen, um die 
Stadt auf dem Wasserwege zu verlassen und nach London 
überzusiedeln. Die inneren Werke wurden seit dem 
4. Oktober mit schwerer Artillerie beschossen, die an diesem 
Tage kaum 18 Kilometer von den wichtigsten Anlagen ent 
fernt stand. Auch die Stadt Lanaeken an der holländischen 
Grenze wurde von den Deutschen besetzt. In der Nacht 
zum 5. Oktober hielt der Kanonendonner an. 
Am 5. Oktober gab eine amtliche belgische Meldung be 
gannt, daß Verstärkungen in Antwerpen eingetroffen seien, 
wodurch die Widerstandskraft der Stadt erhöht werde. 
Die Bevölkerung müsse aber wissen, datz das Schicksal 
des Landes und somit Antwerpens in diesem Augenblick 
an der Aisne entschieden werde und datz die Verbündeten 
unter diesen Umständen eine allzu große Schwächung ihrer 
Kräfte vermeiden müßten. Die Antwerpener Garnison 
sei überdies hinlänglich stark. Ferner gab der Kommandant 
von Antwerpen bekannt, datz es jedem Bürger freistehe, 
die Stadt zu verlassen, daß er aber, solange die Belagerung 
dauere, nicht dorthin zurückkehren dürfe. 
Infolge der Zerstörung der Wasserleitung durch die 
Unsrigen war die Stadt seit Anfang Oktober ohne Trink 
wasser, wodurch in den ärmeren Stadtteilen die Gefahr einer 
Epidemie naherückte. Am 6. Oktober gelang unseren 
Truppen der Übergang über die Rethe, nachdem die Artillerie 
ein langandauerndes, heftiges Gefecht gegen die Feste 
Puers geliefert hatte. Die Deutschen operierten in dem 
Dreieck Lierre—Puers—Antwerpen und ließen Pionier 
abteilungen schwimmend das andere Ufer erreichen. Es 
gelang nach wiederholten Versuchen unter großen An 
strengungen. Sobald der Übergang über die Rethe her 
gestellt war, wurde auf dem anderen Ufer schwere Artillerie 
aufgefahren und in Tätigkeit gesetzt. Stürmische Infanterie- 
angriffe folgten auf die Kanonade zugleich mit Flanken 
angriffen auf das Fort Puers. Die Belgier sprengten 
mehrere Male die über die Rethe gelegten Brücken, aber 
mit Todesverachtung schlugen die Pioniere neue starke 
Übergänge über den Fluß. 
Gemäß Artikel 26 des Haager Abkommens betreffend die 
Gesetze des Landkrieges ließ General v° Beseler, der Be 
fehlshaber der Belagerungsarmee von Antwerpen, durch 
Vermittlung der in Brüssel beglaubigten Vertreter neutraler 
Staaten am 7. Oktober nachmittags die Behörden Ant 
werpens von dem Bevorstehen der Beschietzung verständigen. 
Um Mitternacht wurde dann mit ihr begonnen. 
Die inzwischen erfolgte Ankunft der englischen Hilfs 
truppen in Antwerpen hatte die Einwohner sehr beruhigt. 
Drei Tage lang ging ein ununterbrochener Aufzug englischer 
Truppen mit Geschützen durch die Stadt. Sie wurden von 
der Bevölkerung mit Begeisterung empfangen und begrüßt; 
auch mehrere Autobusse aus London, die noch ihre farbigen 
Reklamen zeigten, waren dabei. Die Einwohner Ant 
werpens schätzten die Zahl der englischen Truppen mit 
30- bis 40000 jedenfalls zu hoch, da dieselben immer im
	        
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