Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

Phot. Boedecker, Berlin. 
Maschinengewehre und Infanterie im Schützengraben beim Angriff auf Fort Wavre bei Antwerpen. 
von der Landstraße aus durchs Glas unsere Schützen 
gräben. Die belgische Artillerie feuerte heftig auf uns. 
Plötzlich hörten wir über unseren Köpfen das bekannte 
singende Pfeifen einer fliegenden Granate. Unwillkürlich 
duckten wir uns. 50 Meter vor uns fuhr das Geschoß in den 
Boden und krepierte dort, ohne irgendwelchen Schaden zu 
stiften. Wir hielten es aber doch für ratsamer, wieder in 
den Schuppen zurückzugehen. Von hier aus konnten wir 
nun sehr schön beobachten, wie zahlreiche Artilleriegeschosse 
über uns wegfausten — ohne jedoch zu krepieren. Unsere 
Schützengräben trafen sie nicht, wohl aber Bäume und 
Häuser. Wir standen in der Tür und lachten, wenn wieder 
so ein Ding geflogen kam. Uns wunderte nur, daß unsere 
eigene Artillerie schwieg. Das hatte aber eine tiefere Be 
deutung und war ein feiner Trick. 
Inzwischen hatte vorn ein lebhaftes Gewehrfeuer ein 
gesetzt. Mehrere feindliche Geschosse sausten seitlich durch 
die Fensterscheiben in unseren Schuppen. Uns störte indessen 
die Schießerei nicht, bis plötzlich die Lage doch bedenklich 
wurde. Eine Kugel kam nämlich durchs Schuppenfenster 
in den Wagen geflogen, zertrümmerte eine Scheibe und 
blieb dann in nächster Nähe, von mir in der Wand des 
Wagens stecken. Ich habe sie mir zum Andenken aufbewahrt. 
Jetzt verließen wir doch im Marsch, marsch!‘ unseren 
Skattisch — den Tornister — und setzten uns dicht an die 
Mauer, wo wir gegen weitere Schüsse gedeckt waren. Gleich 
darauf kam auch vom Kompanieführer der Befehl: ,Alles 
hinlegen!‘ Die Dunkelheit brach herein und mit ihr Sturm 
und heftiger Regen. Das Gewehrfeuer vorn wurde immer 
lebhafter. Mit Spannung warteten wir, was kommen 
würde. Immer noch schwieg unsere Artillerie. Plötzlich der 
Befehl: .Es wird umfassend angegriffen. Die ... Brigade 
greift um den linken, die... Brigade um den rechten Flügel 
des Feindes und treibt diesen auf unsere Stellung zu? 
Und nun nahte die Katastrophe. Unsere Feldartillerie kam 
in sausendem Galopp angesprengt. Von der Chaussee aufs 
Feld abbiegen, auffahren, abprotzen war eins. Jetzt be 
gann ein Schnellfeuer, wie ich es von der Artillerie noch nicht 
gehört habe. Der ganze Boden dröhnte. Auch die schweren 
Feldhaubitzen, die 3 Kilometer von uns abstanden, be 
gannen ihre eindringliche Sprache zu reden. Tatsächlich 
hatte sich der Feind durch das Schweigen der Artillerie am 
Nachmittag dazu verleiten lassen, anzunehmen, daß wir er 
schüttert seien. Er hatte sich in dichteiz Kolonnen aus seinem 
Versteck hervorgewagt und wollte unsere Stellung stürmen. 
Da begannen nun unsere Granaten und Schrapnelle hinein 
zufunken. Und sie trafen aufs Haar. Sie haben in den 
Reihen des Feindes ganz furchtbar aufgeräumt. Den 
packte das Entsetzen. Tornister, Munition, Waffen, alles 
wurde im Stich gelassen. In wilder Flucht raste der Feind 
im strömenden Regen davon, von unserer Artillerie ver 
folgt. Der schöne Plan der Belgier, nach Brüssel durch 
zubrechen, war mißglückt. 
Gegen halb elf Uhr kam das tröstliche Kommando: ,Jn 
die alten Quartiere zurück!‘ So ging es denn wieder zum 
Bahnschuppen, den aber inzwischen schon die Artillerie mit 
Beschlag belegt hatte. Doch fanden wir noch genügend 
leere Wagen. Mein Rock war zum Auswinden naß. Ich 
zog ihn aus, hüllte mich in meinen Mantel und schlief auf 
dem Boden des Wagens. Wir wärmten uns gegenseitig. 
So verbrachte ich, den Umständen angemessen, eine Techt 
angenehme Nacht. Das erste am heutigen Morgen war, 
daß ich um fünf Uhr zur Schmiede ging und über dem Feuer 
meinen Rock trocknete. Hier in der Schmiede spielten sich 
buntbewegte Bilder ab. Die Artillerie kochte in ihren Kesseln 
Kaffee. Eine Anzahl von uns stand ums Feuer und 
trocknete Sachen, nebenan wurden Pferde beschlagen. 
Im großen, dunklen Raum mit den leuchtenden Feuern 
höchst malerische Bilder! Bald gab's den wärmenden Kaffee. 
Nichts klappt auch so vorzüglich wie unsere Verpflegung. 
Täglich zweimal kräftige Bouillon, Gemüse, Reis und so 
weiter. Schmalz, Marmelade ist stets vorrätig. Brot und 
Speck gibt's mehr als reichlich. Dazu kommen noch die 
auf eigene Hand zubereiteten Hühner und Tauben und der 
Wein. Also von Nahrungssorgen keine Rede." 
Hatten die Belgier zuerst geglaubt, daß Antwerpen un 
einnehmbar sei, so wurden sie durch den Fall Lüttichs in 
diesem Glauben doch wankend. Die gesamte wohlhabende
	        
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