Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

Die Geschichte des Weltkrieges 1914/15 
«Fortsetzung.) 
Am 7. September wurde Gent von den Deutschen be 
setzt. Auch diese Stadt blickt auf eine wechselvolle glänzende 
Vergangenheit zurück. Bis zuletzt war sie Hauptstadt der 
belgischen Provinz Ostflandern. Das heutige Gent hat 
einen Flächeninhalt von 3000 Hektar und eine Bevölkerung 
von 170 000 Seelen. 
Bei der Besetzung der Stadt wurden als Kriegsent 
schädigung gefordert: 10 000 Liter Benzin, 1000 Liter 
Mineralwasser, 150000 Kilogramm Hafer, Fahrräder, Auto 
reserveteile und 100 000 Zigarren. Die Stadt wurde dann 
mit weiteren Kriegsabgaben und denr Durchzug von 
Truppen verschont. Bald nachdem der Bürgermeister von 
seiner Unterredung mit dem Führer der deutschen Be 
satzungstruppen nach der Stadt zurückgekehrt war, wurde 
dort von einem Automobil, auf dem ein Maschinengewehr 
befestigt war, auf zwei deutsche Offiziere gefeuert, von 
denen einer getötet, der andere verwundet wurde. Der 
Bürgermeister fuhr sofort wieder zur Truppe, um etwaige 
üble Folgen dieses Missverständnisses abzuwenden. 
Durch das Vordringen deutscher Truppen in Nord 
belgien, wobei ständig Gefechte geliefert werden mutzten, 
wurde Antwerpen von der Landseite vollständig ab 
geschnitten. Der Entsatz der Stadt aus dem Landwege war 
dadurch unmöglich gemacht. Die Ostender tägliche Dampf 
schiffahrtverbindung mit England wurde eingestellt, da 
von deutschen Fischereifahrzeugen, die man als belgische 
angesehen hatte, eine große Anzahl Minen gelegt worden 
war. Südlich von Antwerpen wurde das Land in einer 
Ausdehnung von 70 Quadratmeilen überschwemmt, um 
die deutschen Truppen am Einmarsch zu hindern. 
Die Einschließung Antwerpens von der Landseite 
hatte also schon begonnen, wenn auch die Beschießung 
noch einige Zeit auf sich warten ließ, weil die Deutschen 
erst ihre großen Belagerungsgeschütze herbeischaffen mußten. 
Den Einwohnern wurde der Ernst der Lage allmählich 
klar, und vielen schwand die Hoffnung, daß das Ein 
dringen der deutschen Truppen noch lange verhindert 
werden könnte. Flugzeuge, und zwar vor allem Zeppelin- 
luftschiffe (siehe Kunstbeilage), erschienen wiederholt über 
der Festung und warfen Bomben nieder, die neben dem 
Schaden, den sie anrichteten, eine ungeheure Panik 
unter der Bevölkerung hervorriefen. Am 12. September 
wurde ein Ausfall versucht, der aber von den deutschen 
Belagerungstruppen kräftig zurückgewiesen wurde. Eine 
lebhafte Schilderung dieses Ausfalls, bei dem sich die 
Belgier blutige Köpfe holten, enthält der nachstehende 
Feldpostbrief: 
„Meine lieben Eltern! 
Das war gestern wieder ein bedeutungsvoller und in 
mehr als einer Beziehung hochinteressanter Tag. Wie sich 
heute herausstellte, hat die Antwerpener Ausfallarmee ver 
sucht, unseren Umzinglungsgürtel zu durchbrechen, nach 
Brüssel zu marschieren und in Gemeinschaft mit dem Mob 
ein großes Gemetzel unter den Deutschen zu veranstalten. 
Telegraphisch war die Brüsseler Bevölkerung wohl benach 
richtigt worden, daß die Belgier spätestens am Sonntag in 
Brüssel einziehen würden. Nun, ihr Plan ist glänzend miß 
glückt. 
Schon mehrere Tage war rechts und links von unserer 
Stellung starkes Artilleriefeuer im Gange. Was es zu be 
deuten hatte, wurde uns natürlich nicht verraten. Wir 
bauten inzwischen unsere Schützengräben zu starken Feld 
befestigungen mit Drahthindernissen, Unterständen und so 
weiter aus. Gestern (Sonnabend) früh nun lagen wir in 
Reserve zur Verfügung des Regiments. Unsere Unter 
bringung war recht drollig. Wir lagen nämlich in einem 
großen Straßenbahndepot, einer riesigen Eisenhalle mit 
zahlreichen Elasfenstern. Auf den Schienen standen — 
8 Gleise nebeneinander — zahlreiche Wagen der ,Ekek- 
trischenh die als unsere Wohnung galten. In einem solchen 
Wagen hatte ich mit zwei Kameraden, auf der harten Bank 
schlafend, die kalte Nacht zum 12. ziemlich ungemütlich ver 
bracht. Jedoch der Berliner Humor findet sich in alle Lagen. 
Später beobachteten wir auf einem solchen Wagen stehend 
Phot. Max Wipperling, Vohwinkel. 
Panzerturnr auf Fort Lierre, den ein Schuß eines 42-em-Mnrfers völlig bloßlegte. 
Amerika«. Copyright 1915 vu Union Deutsche Verlagsgesellschaft in Stuttgart.
	        
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