Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
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schädigt. Der Bürgermeister und 
die Schöffen, die sich im Rathaus 
aufhielten, flohen in die Keller. 
Nach Beendigung der Beschießung 
forderte die Gemeindebehörde die 
Bevölkerung auf, die Stadt zu räu 
men. Der Auszug der Bewohner 
vollzog sich in guter Ordnung. Viele 
flüchteten sich in die Kirchen, wo sie 
die Nacht zubrachten. Am folgenden 
Morgen 8 Uhr begann die Be 
schießung von neuem und dauerte 
bis mittags, wodurch die letzten Ein 
wohner zur Flucht bewogen wurden. 
Zu den beschädigten Gebäuden ge 
hören das Rathaus und die St.Peters- 
kirche. Vom Münster St. Rombaud, 
dessen Turm immer noch steht, wurde 
das berühmie Glockenspiel während 
der Beschießung zerstört. Die Forts 
von Waelhem, Wavre und St. Cathe 
rine antworteten beständig. Der 
Feind rückte in Mecheln nicht ein." 
Diese in der Hauptsache erlogene 
Meldung enthält doch, richtig gelesen, 
manches Wichtige. Wahr an ihr ist, 
daß Mecheln allerdings beschossen 
wurde, aber nicht von den Deutschen, sondern von den Bel 
giern. Man beachte in obiger Darstellung, daß darin ge 
sagt ist, das Feuer der Deutschen sei von den Forts Wael- 
hem, Wavre und St. Cathorine erwidert worden. Die ge 
nannten Forts sind aber die Außenwerke von Antwerpen. 
Die Deutschen standen vor Mecheln und beschossen über die 
Stadt hinweg die Antwerpener Forts. Von Antwerpen 
aus wurde das Feuer erwidert. Da aber die belgischen 
Festungsgeschütze nicht so weit trugen wie die deutschen, so 
fielen die Geschosse in die Stadt Mecheln. Offenbar lag 
dem die Absicht zugrunde, die Deutschen nicht in den Be 
sitz der schönen, unzerstörten Stadt gelangen zu lassen. 
Mecheln, eine Stadt mit großer geschichtlicher Vergangen 
heit, war reich an herrlichen Kunstwerken: unter anderem 
barg es in seinen Mauern Gemälde von Rubens rmd van 
Dyck; unter den Gebäuden verdient namentlich das aus 
dem 15. Jahrhundert stammende Stadthaus hervorgehoben 
zu werden. (Siehe auch unsere Kunstbeilage.) 
Am 5. September begannen die Deutschen die kleine 
belgische Festung Dendremonde (franz.: Termonde) zu be 
schießen. Sie. liegt südwestlich von Antwerpen an der 
Schelde und hat als Knotenpunkt verschiedener Bahnen eine 
j Phot. Bocdecker, Berlin. 
Eine ArLillerie-TelephonstaLion im Straßengraben. 
Sämtliche Befehle werden den zurückliegenden Batterien oft auf 2—3000 Meter telephonisch überrnittelt. 
gewisse Bedeutung. — Schon wenige Stunden nach Beginn 
der Beschießung am 6. September ergab sich die Stadt. 
In einer amtlichen belgischen Meldung wurde darüber 
berichtet: „Die Garnison zog sich vor der Abermacht auf die 
Schelde zurück. Die Räumung der unbrauchbaren Festung 
hat auf die Verteidigung Antwerpens keinen unmittelbaren 
Einfluß." Dem Berichterstatter eines holländischen Blattes 
gelang es, als Fischer verkleidet während des Kampfes um 
Termonde nach St. Nikolas nördlich der Stadt zu ent 
kommen. Er erzählte, daß ihm hier gewaltige Scharen 
fliehender belgischer Soldaten in voller Unordnung ent 
gegengekommen seien. Termonde selbst sah er von weitem 
in Brand stehen. Die Deutschen hatten freien Durchzug 
verlangt. Der Bürgermeister und die Gemeindevertretung 
waren dafür, der Militärkommandant dagegen. Bei Tages 
anbruch erschienen die Deutschen vor Termonde, das durch 
die Antwerpener Außenforts Willebrock, Londerszeel 
und Lebbeke geschützt ist. Die Belgier verteidigten ihre 
Stellung gut, doch 'mußten sie unter schweren Verlusten 
zurückweichen, und zwar so rasch, daß sie keine Zeit 
mehr hatten, die Brücke über die Schelde bei Hamme zu 
sprengen. (Fortsetzung folgt.) 
Illustrierte Kriegsberichte. 
Zu den Kämpfen in den Argonnen. 
(Hierzu die Karte Seite 392 und das Bild Seite 393.) 
In dem Argonnenwald, dem Schauplatz langandauern 
der, heftiger Kämpfe, hatten sich die Franzosen, wie 
schon auf Seite 374 kurz geschildert, in der Anlehnung 
an die starke Festung Verdun und an das große Truppen- 
lager in Ehalons gut verschanzt in Stellungen, aus denen 
sie nur schwer und mit den größten Opfern vertrieben 
werden konnten. Fast täglich kamen aus dem Großen 
Hauptquartier Berichte von unseren Kümpfen in den 
Argonnen und ließen erkennen, daß es nur ein schritt 
weises Vorgehen war, das unsere braven Truppen in 
einem sehr schwierigen Gelände unter Aufbietung un 
erschütterlicher Tapferkeit und großen Kanrpfesmutes er 
zwingen mußten. 
Meisterhaft hatten die Franzosen es verstanden, sich 
hier festzusetzen und alle Vorteile sich zunutze zu machen, 
die dieses Gelände mit seinen undurchdringlichen Unter 
holzbeständen einem vorwärtsstrebenden Gegner bietet. Der 
ganze Wald war durchzogen von Laufgräben und Wolfs 
gruben, Verhauen und Barrikaden. Große Schwierigkeit 
bot es schon, den östlichen Waldrand zu besetzen, da unsere 
Truppen hier in offenem Gelände vorgehen mußten, 
während die Franzosen von ihren gedeckten Waldstellungen 
das vorgelagerte Gebiet beherrschten. Deutscher Angriffs- 
zühigkeit gelang es aber trotzdem, sich heranzuarbeiten und 
festen Fuß zn fassen. Ein Mitkämpfer schildert diesen An 
griff recht anschaulich: „Kaum waren wir aus der Talmulde, 
die uns Deckung bot, heraus und gegen den Wald vor 
gerückt, als uns die feindlichen Jnfanteriegeschosse auch 
schon um die Ohren pfiffen. Die Franzosen schossen dies 
mal recht gut und fügten uns starke Verluste zu. Ich 
ließ den mir gegenüberliegenden Waldrand beschießen, 
obwohl ich selbst mit meinem Glase von dem Gegner nichts 
entdecken konnte. Das ganze Gelände vor uns war dicht 
mit Strohhaufen bedeckt, die man ohne Glas für feindliche 
Schützen hätte halten können. Einzelne aus ihrer Deckung 
zurückspringende Franzosen verrieten uns endlich ihre 
Stellung, die nun gehörig unter Feuer genommen wurde. 
Es dauerte dann nicht mehr lange, bis wir auf der ganzen 
Linie vorrücken konnten. Die feindliche Stellung wurde 
genommen, und bald war von den Franzosen nichts mehr 
zu sehen. Doch wurden wir jetzt unter heftiges Artillerie 
feuer genommen, das schauerlich in: Walde widerhallte. 
Trotzdem gelang es uns, unter unsäglichen Anstrengungen 
und Verlusten das erworbene Terrain zu behaupten." 
So weit die Schilderung des Angriffs, der sich auf der 
ganzen Front ähnlich abspielte. Doch nun begann in dem 
Waldgebiet erst ein blutiges Ringen Schritt für Schritt, das 
wochenlang anhielt. Sämtliche Waldwege waren, wie schon 
erwähnt, durch Verhaue, Schützengräben und Barrikaden
	        
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