Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
an Bord eingelaufen sei, die der deutsche Kreuzer „Karlsruhe" 
im Atlantischen Meere versenkt hatte. Der gesamte Raum 
gehalt der versenkten Dampfer belief sich auf 60 000 Tonnen. 
Ferner erfuhr man am 24. Oktober, daß bereits vier Tage 
früher der englische Dampfer „Glitra" an der norwegischen 
Küste von einem deutschen Unterseeboot durch Öffnen der 
Ventile versenkt wurde, nachdem die Besatzung das Schiff 
auf Aufforderung in den Schiffsbooten verlassen hatte. 
Es ist einleuchtend, daß derartige Verluste, die die englische 
Handelschiffahrt erlitt, der englischen Wehrkraft ebenso 
schwere Wunden schlugen, wie die Vernichtung von einem 
oder zwei großen Kreuzern. Das Wirtschaftsleben Englands 
wurde durch diese Kaperfahrten unserer Kreuzer so schwer 
geschädigt und die englische Volksstimmung darüber derartig 
erregt, daß man bereits überall in England den so leicht 
sinnig heraufbeschworenen Krieg zu verwünschen anfing. 
Das war mehr, als man voraussehen konnte. Einer 
Schätzung der englischen Admiralität zufolge sollten sich im 
Atlantischen, Großen und Indischen Ozean acht oder neun 
deutsche Kreuzer befinden, zu deren Auffindung und Ver 
folgung über siebzig englische, japanische, französische und 
russische Kreuzer, ungerechnet die Hilfskreuzer, zusammen 
wirkten. 
Nach einer in Petersburg erschienenen Verlustliste 
wurde Eude Oktober die Besatzung eines Torpedobootes 
vermißt. Unter den Vermißten befanden sich sechs Offi 
ziere. Man glaubte, daß das Boot gesunken sei, aber Er 
zählungen von drei Geretteten ließen darauf schließen, daß 
es auf eine Mine gestoßen war. 
Neben zahlreichen Handelschiffen hat die „Emden" 
sich mit Erfolg auch an Kriegschiffe gewagt: sie vernichtete, 
wie schon auf Seite 255 mitgeteilt, Ende Oktober den 
russischen Kreuzer „Schemtschug" und den französischen 
Torpedojäger „dIbervIlle". 
Einweiterer erfreulicher Erfolg unserer Marine bestehtinder 
Vernichtung des englischen geschützten Kreuzers „Hermes". 
Dieser wurde am 31. Oktober acht Uhr morgens, als er von 
Dünkirchen kam, im Kanal von einem deutschen Untersee 
boot beschossen und versank nach 45 Minuten. Torpedo 
jäger, die zu Hilfe eilten, retteten den größten Teil der 
Besatzung, bis auf etwa 40 Mann. In Dover herrschte 
über den Verlust des Kreuzers große Trauer. In der 
Stadt und auf den Schiffen im Hafen wehten die Flaggen 
halbmast. Der größte Teil der Besatzung des gesunkenen 
Kreuzers war in Dover beheimatet. Von englischer Seite 
stellte man den Verlust des alten Kreuzers als unbe 
deutend hin. Die Bedeutung bestand aber für uns darin, 
daß die englischen Kriegschiffe sogar in dem von ihnen 
bisher beherrschten Kanal nicht mehr vor den Angriffen 
der deutschen Unterseeboote sicher waren. Auch das ganze 
Ausland war erstaunt darüber, daß unsere Unterseeboote 
sich in den Kanal hineinwagten, und für die Engländer 
war es eine Lehre, in dieser Gegend nicht etwa neue 
Schiffe den Angriffen unserer Unterseeboote auszusetzen. 
Der Kreuzer „Hermes" wurde im Jahre 1899 in Dienst 
gestellt und war mit elf 15,2-om-, acht 7,6-em-Eeschützen, 
zwei Maschinenkanonen, sowie zwei Unterwasser-Torpedo- 
lancierrohren von 45 Zentimeter Kaliber bestückt; seine Be 
satzung bestand aus 418 Mann. Welches Unterseeboot 
den englischen Kreuzer vernichtet hat, ist nicht bekannt ge 
worden. 
Ein Unglücksfall betrag unsere Marine am 4. November. 
In der Jade geriet S. M. großer Kreuzer „Porck" auf 
eine deutsche Hafenminensperre und sank bald darauf. 
Obwohl die Rettungsarbeiten durch dicken Nebel sehr er 
schwert wurden, konnten etwa 400 Mann gerettet werden. 
Der Kreuzer „Porck" ist 1904 vom Stapel gelaufen und 
hatte eine Besatzung von 633 Mann. 
Prinz Ludwig Battenberg, der Lord der britischen 
Admiralität, mußte sich wegen feiner deutschen Abstammung 
mancherlei Angriffe der englischen'Presse gefallen lassen, 
obwohl keine seiner Handlungen dazrr Anlaß gegeben hatte, 
an seiner englisch-nationalen/ Gesinnung, zu.zweifeln. Er 
wurde durch Lord Fisher ersetzt,/einech76jahrigen Veteranen 
von rücksichtsloser EneMe. ?DiMr>erry.ärteke alles von der 
Gewalt. Seine erste Änordnupg/war'die bereits erwähnte 
Sperrung der Nordsee'düEch'Muren, womit er den Protest 
aller neutralen Staaten herausforderte. Sprach schon 
diese Einführung in sein Amt nicht zu seinen Gunsten, so 
erregte es noch viel peinlicheres Aufsehen, als gerade nach 
seinem Antritte ein Ereignis eintrat, das den britischen 
Stolz ganz besonders verletzen mußte. Seit einem Jahr 
hundert hatte es kein Feind gewagt, die englische Küste an 
zugreifen. Der Boden Englands schien geheiligt zu sein, 
den Deutschen aber war es vorbehalten, dieses Heiligtum 
zu verletzen. Dies zeigt folgende amtliche Meldung: 
„Am 3. November machten unsere großen und kleinen 
Kreuzer einen Angriff auf die englische Küste bei Parmouth. 
Sie beschossen die dortigen Küstenwerke und einige kleinere 
Fahrzeuge, die in der Nähe vor Anker lagen und augen 
scheinlich einen Angriff nicht erwarteten. Starke englische 
Streitkrüfte waren zum Schutze dieses wichtigen Hafens 
nicht zur Stelle. Das unseren Kreuzern folgende englische 
Unterseeboot ,D 5' ist, wie die englische Ädmiralität be 
kannt gibt, auf eine Mine gelaufen und gesunken. 
Der Chef des Admiralstabes 
v. Pohl." 
An dem genannten Tage wurde die Bevölkerung von 
Lowestoft und Parmouth in aller Frühe durch heftigen 
Kanonendonner geweckt. In dichtem Nebel, 10 Meilen 
von der Küste entfernt, feuerten sieben oder acht deutsche 
Schiffe auf die britischen. Die Kanonade war so leb 
haft, daß die Häuser erschüttert wurden und die Fenster 
scheiben zersprangen. Von den Klippen sah man die 
Kanonen aufblitzen und Granaten nahe der Küste ins 
Meer fallen. Während des Gefechts fürchtete die mili 
tärische Obrigkeit offenbar einen Landungsversuch der 
Deutschen. Die Truppen mußten antreten. Sie emp 
fingen scharfe Patronen und besetzten die Wege von der 
Küste nach der Stadt Parmouth. Als englische Kreuzer 
und Torpedojäger herankamen, dampften die deutschen 
Schiffe weiter, doch hörte man im Laufe des Vormittags 
bei Lowestoft lebhaften Kanonendonner. Nach einiger 
Zeit kam das Wachtschiff „Halcyon" beschädigt mit Ver 
wundeten an. Wie nahe an die Küste unsere Schiffe ge 
langten, geht schon daraus hervor, daß ein Schrapnell in 
der Nähe der Promenade von Parmouth in den dortigen 
Festungsturm (Peel) traf. 
Welchen Schrecken die deutschen Granaten an der eng 
lischen Küste erweckt hatten, ist daraus zu ersehen, daß man 
sich veranlaßt sah, am 4. November eine amtliche Beruhi 
gungsnote zu* verbreiten. Das Kriegsamt teilte an diesem 
Tage mit, nichts rechtfertige in der gegenwärtigen Lage 
die Annahme, daß eine Invasion wahrscheinlich sei oder 
bevorstehe. Verschiedene Verteidigungswerke, die im 
Vereinigten Königreich errichtet worden seien, bedeuteten 
nur notwendige Vorsichtsmaßregeln, die jede Seemacht in 
Kriegszeiten ergreife. Die Behörde werde Weisung erteilen, 
wenn der Feind eine Invasion versuchen würde. 
Mit dieser ersten Beschießung eines wichtigen eng 
lischen Küstenplatzes war in der Tat die Gefahr einer 
deutschen Invasion in greifbare Nähe gerückt. Die deutsche 
Marine war also doch kein Luxusartikel oder Spielzeug, 
als das sie die Engländer in ihrem Hochmut früher 
hingestellt hatten. Man mußte allen Ernstes mit ihr 
rechnen, obwohl die Engländer noch die russische, französische 
und japanische Marine zu Bundesgenossen zählten. Diese 
Erkenntnis wurde sehr bald durch einen größeren See 
kampf an der chilenischen Küste furchtbar bestärkt. Wie 
wir schon erwähnten, hatten sich über siebzig englische, 
französische, japanische und russische Schiffe auf die Jagd 
gemacht nach den deutschen Kreuzern, die dem englischen 
Handel so schwere Wunden geschlagen hatten. Besonders 
unsere „Emden" war es, die den Gegner zu höchstem Eifer 
reizte, aber mit dem Erfolge, daß die Jäger bald zu Ge 
jagten und Vernichteten wurden. Die Seeschlacht, von der 
hier die Rede ist, hat sich allerdings schon vor der Beschießung 
der englischen Küste ereignet, aber erst am 6. November 
verbreitete unser Admiralstab folgende amtliche Meldung: 
„Nach einer Meldung des amtlichen englischen Presse 
büros ist am 1. November durch unser Kreuzergeschwader 
in der Nähe der chilenischen Küste der englische Panzer 
kreuzer .Monmouth' vernichtet und der Panzerkreuzer 
.Good Hope' schwer beschädigt worden. Der kleine Kreuzer 
.Glasgow'istbeschädigt entkommen. Auf deutscherSeite waren 
beteiligt: S. M. große Kreuzer .Scharnhorst' und .Enei- 
senau' und S. M. kleine Kreuzer .Nürnberg', .Leipzig' und 
.Dresden'. Unsere Schiffe haben anscheinend nicht gelitten. 
Der stellvertretende Chef des Admiralstabes 
Behncke."
	        
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