Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914. 
Der Sturm auf Camp des Romains- 
(Hierzu das Bild Seite 348/349.) 
Dem bayrischen Regiment „v. d. Tann" war der Ruhm 
beschieden, den Sperrfortgürtel zwischen Verdun und Toul 
zu brechen und auf dem Hauptstützpunkt dieser Linie, 
dem Fort Camp des Romains, die blauweiße Fahne zu 
hissen. Diese Waffentat, die am Abend des 25. Sep 
tember durch die knappe Sprache des amtlichen Tele 
graphen nach Deutschland gemeldet wurde, reiht sich nach 
hohem militärischen Zeugnis würdig den besten Bei 
spielen infanteristischer Angriffslust und bayrisch-deutschen 
Soldatenmutes an. 
Unser Regiment „v. d. Tann", berichtet ein Mitkämpfer 
in der „Frankfurter Zeitung", hat bisher an vier großen 
Schlachten teilgenommen und außerdem mehr als dreißig 
Tage im Artilleriefeuer gelegen. Es wurde im Anfang des 
Krieges auf dem elsaß-lothringischen Boden verwendet und 
nahm dort in der Gegend von Viviers—Fare—Delme an der 
lothringischen Riesenschlacht teil. Am 24. August wurden wir 
in einem nächtlichen Eilmarsch, der von sieben Uhr abends 
bis fünf Uhr in der Frühe währte, nach Frankreich gezogen. 
durch Eorze, wo das Hauptquartier des Prinzen Friedrich 
Karl nach dem Tage von Monville lag, und hinter Eorze ging 
es zum zweitenmal über die Grenze—nach Frankreich hinein. 
Zwei, drei Dörfer weiter liegt Caint-Bonoit. Dort gingen 
wir in Bereitstellung, vor dem Dorfe lag der Feind. Am 
nächsten Tage, dem 20. September, besetzten wir den Wald 
hinter Bönoit, und in der Richtung Vigneulles—Hatton- 
chütel begann nachmittags der Angriff. Ein sehr lebhafter Jn- 
fanteriekampf entwickelte sich in Hattonchatel, wo französische 
Infanterie die ganze Nacht hindurch aus zwei Häusern des 
schon von den Unseren eroberten Dorfes schoß, bis das, was 
von Franzosen noch am Leben war (einige hundert Lxute), 
gefangen genommen wurde. In der Frühe des nächsten 
Morgens wurde der Angriff siegreich fortgesetzt — der 
Gegner zog sich zurück und gab ohne den erwarteten Wider 
stand die beherrschenden Höhen auf, insbesondere auch eine 
Kuppe bei Creu«, einen einsamen Vergkegel, der das ganze 
Tal beherrschte und nur sehr schwer einzunehmen ge 
wesen wäre. Nach dem Abzug des Gegners kletterten wir 
in einiger Gemächlichkeit durch Weinberge und Wald auf 
diesen steilen Kegel hinauf. 
, Nach einem Gefecht mit der französischen Nachhut in 
Phot. Kilophot G. m. b. H., Wien. 
Österreichisch-ungarische Infanterie auf dem Durchmarsch in NTedjedje an der bosnisch-serbischen Grenze. 
Zwei Stunden rasteten wir in Einville-au-Jard, dann zogen 
wir in die blutige Schlacht bei Maire, die uns die schwersten 
Wunden schlug, ohne daß der achtstündige, wenig erwiderte 
Granatregen die Ausdauer unserer Truppen zu brechen ver 
mochte. In der Folge wurden wir in dieser Gegend, Zwischen 
Lunoville und Nancy, an verschiedenen Teilen der Kampf 
front verwendet und immer weiter an Nancy heran 
geschoben. Die schwersten Tage erlebten wir dort bei den 
Dörfern Curbessaur und Jellönoncourt, die wir in zwei 
großartigen, wellenförmigen Angriffen am 5. und 7. Sep 
tember eroberten. Dann kam der Abmarsch, am 12. Sep 
tember, als der große strategische Rückzug der ganzen 
Armee erfolgte. In gewaltigen Märschen wurden wir bei 
Vic über die deutsche Grenze und nach Metz unter den 
Schutz der Forts geführt. Am 14. September zogen wir 
durch die Vororte von Metz. Bis zum 18. September hatten 
wir dann in Lorry, einem „Franzosennest", 5 Kilometer 
vor Metz, Gelegenheit, uns teilweise in Kulturmenschen 
zurückzuverwandeln. 
Am 18. September kam, freudig begrüßt, der Befehl 
zu neuem Vormarsch. An diesem Tage zogen wir über 
das Schlachtfeld von Eravelotte. 
In der folgenden Nacht schliefen wir in Rözonville, 
3—4 Kilometer vor Monville und etwa 5 Kilometer von der 
Reichsgrenze. Mit Anbruch des Morgens ging der Marsch 
Chastlon wurde der Weg bis Savonnisres frei, das etwa 
10 Kilometer vom Fort Camp des Romains entfernt ist. 
Dort und auf den benachbarten Höhen wurde am 22. Sep 
tember unser ganzes Regiment zusammengezogen. Am 
23. September, nachmittags drei Uhr, begann hier die 
Musik der 28-om-Mörserbatterie, die Granatenstücke von 
solcher Größe und Schwere verschlang, daß man nur schau 
dernd an den Hunger von Nummer 42 denken konnte. 
Schon der dritte Schuß soll gesessen haben, wobei ein 
Fesselballon die Beobachtung der Geschoßwirkung unter 
stützte. Den nächsten Tag donnerten die Geschütze weiter; 
die Jnfanterieaufklärung ging an diesem Tage bereits bis 
700 Meter vor das Fort. Um halb zwei Uhr nachmittags 
traten wir den Vormarsch an, immerfort durch Waldungen, 
Lichtungen und über Höhen, wo verlassene Schützengräben 
und weggeworfene französische Ausrüstungstücke lagen. 
Eine letzte, sehr steile Steigung führte an den Waldrand. 
AIs wir heraustraten, war alles, was weniger karten 
gelehrt war, aufs höchste erstaunt, sich auf dem weißen 
Sande des sogenannten alten Exerzierplatzes bei Saint-Mihiel 
zu befinden. Rechts davon lagen die Kasernen. Im Hinter 
gründe aber breitete sich das vielfach verschlungene Band 
der Maas aus, an der Biegung eingefangen durch die hohen 
Häuser der schönen Stadt Saint-Mihiel, mit Brücken, Jnsel- 
chen, Waldungen, Wiesen und weitem Land. Gerade vor
	        
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