Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914. 
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Alle Spitäler sind voll von Verwundeten, ebenso die schnell 
errichteten Notlazarette und viele Häuser, die sich zur Auf 
nahme der Verletzten erboten hatten. 
Es zogen nun unerhörte Mengen Soldaten in die Stadt 
ein. Ich sah die Feldpost, das Rote Kreuz. Der Stab ist 
da. Es war ein brausendes Jubeln bis abends neun Uhr. 
Da ging der Verrat an. Franzosen waren noch da, ver 
steckt in den Häusern, und sie schossen, 
und wieder war's ein Straßenkampf und 
tolles Maschinengewehrknattern. Wir wa 
ren gerade wieder zu Haus angekommen, 
weil in der Stadt überall starke Einquar 
tierung war. Und wieder sahen wir mit 
den Kindern beim Nachbar im Keller und 
legten uns um Mitternacht auf Matratzen. 
Es sind unzählige Verhaftungen vorge 
nommen worden. Ein Kloster in Riedis 
heim soll ausgehoben sein, weil hier eine 
ganze Kompanie Franzosen versteckt war. 
Andere Leute sind sofort erschossen wor 
den, als man die Franzosen bei ihnen 
fand. Gestern den ganzen Tag gab's 
Haussuchungen mit aufgepflanztem Bajo 
nett. Wir fürchten nur noch die Schrap 
nelle. 
Und nun ist Ruhe eingekehrt, heißer 
Sommer liegt über der Stadt und es 
zieht ein Brandgeruch durch die nun 
wieder stillen Straßen. Das Schlimmste 
ist überwunden; diese Nacht sind wir 
zum erstenmal wieder aus den Kleidern 
gekommen und haben gut geschlafen. 
Wir haben Einquartierung und bewirten 
die Leute mit den besten Sachen. Es 
ist ein Wunder, daß wir noch leben und unversehrt sind. 
(Frankfurter Zeitung.) 
Der Sturm auf Lüttich. 
(Hierzu die Bilder auf Seite 21—24 und die Kunstbeilage.) 
Lüttich gefallen! Wie ein Blitz durchzuckte diese Sieges 
kunde ganz Deutschland. Das Unglaubliche war Wirklich 
keit, eine große, moderne Festung war ohne vorhergehende 
Belagerung im Sturm genommen worden. 
Lüttich, dessen Befestigungen von Brialmont in den 
Jahren 1888 bis 1892 erbaut worden sind, besitzt keine Kern- 
umwallung, sondern nur eine Zitadelle auf dem linken Maas 
ufer, ist aber durch einen Kranz von zwölf Forts geschützt. 
Die Forts Barchon, Evegnoe, Fleron, Chaudfontaine, Em- 
bourg und Boncelles liegen auf dem rechten, die Forts 
Pontisfe, Liers, Lantin, Lancin, Hollogne und Flemalle auf 
dem linken Maasufer. Der Fortgürtel ist in einem Kreise 
von acht Kilometern um Lüttich herum 
geführt. 
Das Fort Barchon beherrscht den 
Höhenzug von Wandre und Cherathe, 
gegenüber Herstal, während das Fort 
Evegnoe die Hochfläche zwischen den Dör 
fern Evegnee und Fignee deckt. Das Fort 
Fleron sperrt die Hauptstraße Lüttich- 
Aachen. Das Fort Chaudfontaine deckt 
den Abschnitt auf dem rechten Ufer der 
Vestre, eines Nebenflusses der Maas, 
während Fort Embourg den Abschnitt 
zwischen Vestre und Ourthe schützt. Den 
Anschluß an die Maas zwischen Ourthe 
und Maas bildet dann das Fort Boncelles. 
Sämtliche Forts sind durch Beton 
bauten und Panzerkuppeln befestigt und 
waren von je zweihundert bis vierhundert 
Mann besetzt. 
Die deutschen Truppen wurden von 
dem General der Infanterie v. Emmich 
geführt. Sechs schwache Friedensbriga 
den mit Kavallerie und Artillerie vom 
10. Armeekorps waren es, die am 4. August 
die belgische Grenze überschritten. Erst 
nach der Einnahme von Lüttich konnten 
sie als Verstärkung ihre Ergänzungs 
mannschaften einstellen und zwei weitere Regimenter nach 
ziehen, die ihre Mobilisierung bereits beendet hatten. 
Auf feindlicher Seite schätzte man die Deutschen auf 
120000 Mann! 
Der erste Vorstoß richtete sich gegen das Fort Barchon, 
das unter dem Feuer der Artillerie von der Infanterie an 
gegriffen wurde. Dann wurde der Angriff auf die Nord 
ostfront ausgedehnt, so daß außer auf das Fort Barchon 
gleichzeitig auch auf die Forts Chaudfontaine und Embourg 
vorgegangen wurde. Späterhin wurden alle Forts auf 
General der Infanterie v. Emmich, 
der den Sturm auf Lüttich persönlich be 
fehligte und für die glänzende Waffentat der 
Eroberung der Festung vom Kaiser durch 
Verleihung des Ordens pourle meiite aus 
gezeichnet wurde.
	        
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