Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914. 
in unsere Kolonnen. Dazwischen mischte sich das Knat 
tern des Eewehrfeuers» das. langsame Klopfen der fran 
zösischen und das schnelle -Rattern unserer Maschinen 
gewehre, wenn der Gegner immer und immer wieder ver 
suchte, unsere wenigen, vorgeschobenen Batterien durch 
seine Infanterie zu nehmen. Bis auf nächste Entfernung 
lag oft Infanterie gegen Infanterie. Hauptsächlich nörd 
lich der Straße Longuyon—Sorbet) kam es zu erbitterten 
Einzelkämpfen. Leutnant der Reserve Bolz kreuzte tat fer 
seinen Degen mit einem feindlichen Offizier, bis dieser 
durch den von einem treuen Musketier mit dem Gewehr 
kolben gegen feine Schläfe geführten Schwabenstreich laut 
los zusammenbrach. Leider mutz bald darauf eine Granate 
auch dem Sieger eine schwere Verwundung beigebracht 
haben, der er erlag. 
Mannschafteir des preußischen JnfanterieregimentsRr.156 
kämpften in treuer Waffenbrüderschaft zwischen uns Aürt- 
tembergern. Das Heulen und Krachen der Granaten, das 
Pfeifen und Bersten der Schrapnelle und das Surren der 
Querschläger und Gewehrgeschosse vermochten uns nicht zu 
erschüttern. Selbst wenn die Züge in der Feuerlinie bis 
auf wenige Gruppen zusammengeschmolzen waren, hielt sich 
Mann für Mann wacker, bis immer wieder Unterstützungen 
rettend die Lückert füllten oder die Wogen des Kamrfes 
weiter feindwürts trugen. Trotz der erdrückenden Über 
macht. Trotz der ohrenbetäubenden Hölle um uns. 
Abends gegen sechs Uhr lagen wir todmüde in unseren 
frisch ausgehobenen Schützengräben, dicht südlich des bren 
nenden Dorfes Noors, mit Front nach St. Laurent und 
Grand Failly. Wir feuerten mit glühenden Läufen auf 
die sich in die Waldstücke im Hintergrund flüchtenden Fran 
zosen (siehe Bild Seite 329). Dieser kleine Ausschnitt ous 
unserer langen Eefechtsfront zeigt links die Straße Ncers 
—Laurent, die gleichzeitig die Trennungslinie für das 
Erenadierregiment Königin Olga — links der Straße — 
und das Regiment Kaiser Friedrich — rechts der Straße — 
bildete. Dicht hinter den Jnfanterieregimentern standen, 
an die Hügelböschung angeschmiegt, einzelne todesmutige 
Batterien. Ihre Beobachtungsstellen lagen fast in gleicher 
Höhe mit unseren Schützengräben im Boden eingegraben. 
Die ganze Nacht bauten wir noch unsere Stellung mit 
dem Spaten weiter aus, ordneten unsere Kompanie 
verbände und suchten die nächste Nähe nach den beider 
seitigen, außerordentlich zahlreichen Verwundeten ab, die 
hauptsächlich das Artilleriefeuer verursacht hatte. 
Drei Tage später, an einem Ruhetag, wurden mehrere 
Kompanien von uns aus der Gegend von Merles (10 Kilo 
meter südwestlich Noors) zurückgeschickt, um die Schlacht 
felder bis Noors einschließlich aufzuräumen, da der Gegner 
endlich nachgegeben hatte und über die Maas zurück 
gewichen war. Der andere Teil des Schlachtfeldes in der 
Umgegend von Longuyon konnte schon früher gesäubert 
werden. Paul Otto Ebe. 
Honvedhusaren bei Lancut. 
(Hierzu das Bild Seite 325.) 
Während die Kanonen der heldenmütig verteidigten 
Festung Przemysl donnerten und an den Drahtverhauen 
vor den Forts ganze russische Regimenter niedergemäht 
wurden, setzten sich Teile der neugruppierten österreichisch 
ungarischen Streittrüfte, verstärkt durch deutsche Armee- 
teile, östlich Krakau in nördlicher Richtung gegen die 
Weichsel in Bewegung. Schon bei Biecz stieß die Vorhut 
dieser Armee auf starke russische Kavallerie, die geworfen 
und versprengt wurde. Siegreich ging es vorwärts, trotz 
der Moräste, trotz der schlechten Wege, die durch die Ee- 
schütztransporte, durch die endlosen Proviantwagen und un 
zähligen Tritte der marschierenden Soldaten binnen wenigen 
Stunden wie ein Ackerfeld aufgewühlt und zerfurcht 
wurden. Wenige Tage später kam es zu blutigen Kämpfen 
bei Barcys und westiich und östlich von Dynow, in denen 
der Feind geworfen wurde. Der durch die Schnelligkeit der 
Operationen verwirrte Gegner versuchte zwar, seinen An 
griff auf Przemysl durch das Vorschieben starker Truppen 
teile in westlicher Richtung zu decken, aber er vermochte 
nirgends mehr standzuhalten. Bei Lancut stellten sich fünf 
bis sechs russische Infanteriedivisionen und entsprechende 
Kavallerie zur Schlacht, aber auch sie endete in einem 
fluchtartigen Rückzüge, wobei die tapferen Honved es zum 
Schluß übernahmen, die Trümmer der geschlagenen 
russischen Truppen gegen den San zu verfolgen. 
Kämpfe an der schlesisch-russischen Grenze. 
(Hierzu die Bilder Seite 331—333 und 336.) 
Gleich nach dem Ausbruch des Krieges, ehe noch starke 
russische Kräfte in Ostpreußen einmarschierten und dort 
wie eine Mordbrennerbande hau sten, kain es an der schlesisch 
russischen Grenze zwischen Kalisch und Czenstochau zu 
heftigen Kämpfen. Dank der Tapferkeit der deutschen 
Truppen gelang es dort, alle Vorstöße der Russen abzu 
weisen, wobei die Unseren wiederholt die Grenze über 
schritten. Einem Feldpostbrief von diesem östlichen Krieg- 
schauplatz entnehmen wir folgendes: 
Die Kompanie hatte den Auftrag, festzustellen, wo die 
russische Infanterie verblieben sei, und sie bei einer Be 
gegnung Zurückzuwerfen. Es wurden drei Züge zu je 
90 Mann eingeteilt. Ich hatte den ersteir Zug tlnd ging 
mit diesem gedeckt zu beiden Seiten der Landstraße über die 
Grenze, während die beiden anderen Züge das seitliche Ge 
lände in je 500 Meter Entfernung zum Vormarsch benutzten. 
Der Hauptmann war beim zweiten Zuge, da dort das Ge 
lände sehr unübersichtlich war. Das erste russische Dorf, das 
wir passierten, war leer. 400 Meter vor mir befand sich 
eine 20 Mann starke Radfahrerpatrouille. Wir mochten etwa 
noch eine Stunde marschiert sein, als wir von einer Höhe aus 
das Dorf zu Gesicht bekamen. Unsere Radfahrerpatrouille 
war auf 200 Meter heran, als sie plötzlich von dort be 
feuert wurde. Die Fahrer warfen die Räder in den Chaussee 
graben, nahmen Stellung und erwiderten das Feuer. Ich 
ließ meinen Zug sofort ausschwärmen und Deckung nehmen; 
durch das Glas stellte ich fest, daß das Dorf zur Verteidigung 
eingerichtet und stark besetzt war. ■ Ich schätzte eine Kom 
panie. Da die auf die Radfahrer abgegebenen Schüsse 
sämtlich zu hoch gingen und uns, die wir 400 Meter da 
hinter lagen, stark gefährdeten, sah ich mich genötigt, die 
Deckung mit meinem Zuge zu verlassen und auf die freie 
Ebene vorzuspringen. Als die Russen unser airsichtig 
wurden, machten sie ein rasendes Feuer auf. Ich ließ die 
Zwischenräume erweitern und ging sprungweise im Marsch- 
Marsch bis in die Höhe der Radfahrer vor. Von dort aus 
gab ich mit meinem Zuge ununterbrochen Schnellfeuer auf 
das Dorf ab. Wir mochten wohl eine Stunde dort im 
Feuer gelegen haben, als ich links aus einem Walde hinter 
mir Schüsse hörte. Ich stellte fest, daß eS die Unseren 
waren. Mein Hauptmann eilte mit dem zweiten Zuge 
zur Unterstützung heran und griff das. Dorf von der linken 
Flanke an. Plötzlich erschienen am rechten Dorfrand 
Maschinengewehre- Cie kamen aber erst gar nicht dazu, 
in Stellung zu gehen; der dritte Zug, der nunmehr auch 
rechts von mir über den Höhenzug kam, feuerte wohl 
gezielte Salven auf die Maschinengewehre ab, so daß sie» 
ohne in Tätigkeit zu treten, den Rückzug antraten. Nun 
waren wir gerettet. Mit Hilfe des zweiten Zuges deckten 
wir das Dorf mit Feuer zu. Das feindliche Feuer ließ nach. 
Der Gegner war erschüttert. „Seitengewehr pflanzt auf!" 
wurde geblasen. „Sprung auf — marsch-marsch — fällt 
das Gewehr! Hurra!" Der Sturm war angetreten. Un 
aufhaltsam, trotz des dichten Kugelregens, ging es vorwärts, 
bis in das Dorf hinein. Dort entspann sich ein regelrechtes 
Handgemenge. Aus allen Häusern und Kellern, von allen 
Dächern und Bäumen wurden wir befeuert. Doch wir 
wichen nicht. Wir schossen in die Häuser hinein, daß die 
Scheiben klirrten und keiner mehr wagte, seinen Lauf 
hinauszuhalten. Was nicht durch die Flucht entkam, wurde 
vernichtet. 
Die Millionenschlacht an der Marne und 
Aisne. 
IHierzu das Bild Seile 336/337,1 
In dieser bisher gewaltigsten Schlacht der Weltgeschichte 
standen sich auf beiden Seiten wohl je eine Million Menschen 
gegenüber. Solche ungeheuren Massen können unmöglich 
an einer Stelle zusammenprallen, sondern sie verteilen sich 
in gesonderten Verbänden über die ganze Front, weshalb 
auch die amtlichen Nachrichten von Gefechten und Einzel- 
erfolgen auf verschiedenen Schauplätzen berichten. Die 
Erbitterung und die Hartnäckigkeit ist auf beiden Seiten 
gleich heftig und zäh gewesen, und esistvorgekommen,daß ein
	        
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