Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914. 
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tigen und blassen Kinder, die wie hungrige Hunde nach 
den Resten der Mahlzeiten haschen. In den Quartieren 
fallen die Reihen unglücklicher Frauen auf, die die Aber- 
reste der Suppen und das von der Brotration Weggeworfene 
zusammensuchen in einer Weise, die das Herz zerreißt. 
Gibt es denn keine öffentliche Arrnenunterstützung inehr in 
Frankreich, keine Liebesgaben und kein Geld? Wir mar 
schieren frohgemut, verlangen aber, daß es nicht mehr vor 
uns Frauen gebe, die weinen, und hinter uns Kinder, die 
hungern!" — 
Inzwischen nahm der Siegeszug der Unsrigen seinen 
Fortgang. Eine amtliche Meldung verkündete: 
„Großes Hauptquartier, 6. September. 
Von Maubeuge sind zwei Forts, und deren Zwischen 
stellungen gefallen. Das Artilleriefeuer konnte gegen die 
^>tadt gerichtet werden. Sie brennt an verschiedenen Stellen. 
Aus Papieren, die in unsere Hände gefallen sind, geht 
hervor, daß der Feind durch das Vorgehen der Armeen 
der Generalobersten v. Kluck und v. Bülow nördlich der 
belgischen Maas vollständig überrascht worden ist. Noch am 
17. August nahm er dort nur deutsche Kavallerie an. Die 
Kavallerie dieses Flügels unter Führung des Generals 
v. der Marwitz hat also die Armeebewegungen vorzüglich 
verschleiert. 
Trotzdem würden diese Bewegungen dem Feinde nicht 
imbekannt geblieben sein, wenn nicht zu Beginn des Auf 
marsches und Vormarsches die Feldpostsendungen zurück 
behalten worden wären. Von Heeresangehörigen und deren 
Familien ist dies als schwere Last empfunden und die Schuld 
der Feldpost beigemessen worden. 
Im Interesse der arbeitsfreudigen und pflichttreuen Be 
amten der Feldpost habe ich mich für verpflichtet gehalten, 
hierüber eine Aufklärung zu geben." 
Und ferner: 
„Großes Hauptquartier, 8. September. 
Maubeuge hat gestern kapituliert. 40 000 Kriegs 
gefangene, darunter 4 Generale, 400 Geschütze und zahl 
reiches Kriegsgerät sind in unsere Hände gefallen." 
Maubeuge, innerhalb von dessen Forts die alte Festung 
von Vauban liegt, ist ein fester Platz ersten Ranges. Wenn 
man, von der belgischen Grenze herkommend, das Sambre- 
tal aufwärts wandert, in dem zahlreiche Arbeiterdörfer um 
Eisen- und Stahlwerke herumliegen, bemerkt man bald die 
schwere Rauchwolke über dem Flußtale, die die Lage von 
Maubeuge bezeichnet, 
innerhalb der Hügel, die 
zu Forts und Zwischen 
werken ausgebaut sind, 
mit der Aufgabe, das 
Sambretal und die sich 
hier kreuzenden Eisen 
bahnlinien zu sperren. 
Seit 1870 haben die 
Franzosen diese Forts 
ausgebaut, die das Fluß 
tal sowie im Süden die 
Ebene in einem Um 
kreise von 30 Kilometer 
beherrschen. In ihrem 
Bereiche liegt Mau 
beuge, ein an sich kleiner 
Jndustrieort, der aber 
mit den Nachbarorten, 
ebenfalls Industriestäd 
ten, verschmolzen ist, so 
daß derOrtskompler von 
etwa 60000 Einwohnern 
zu den bedeutendsten im 
nördlichen Frankreich ge 
hört. Hier, an den letzten 
Ausläufern der Ardennen, 
finden sich zahllose Hoch 
öfen, Eisenwerke, Stahl 
walzwerke und damit zu 
sammenhängende indu 
strielle Niederlassungen. 
Zur Eroberung von 
Maubeuge ist eine Mel 
dung, die 1913 im „Eil 
Blas" in seiner Nummer 
vom 26. Februar erschien, von besonderem Interesse. Sie 
lautet: „In den militärischen Kreisen des Ostens erzählt man 
sich, daß die Stadt Maubeuge, die unweit der nordöstlichen 
Grenze Frankreichs an der Bahnlinie Köln—Paris liegt, 
seit mehreren Wochen mit größeren Mengen englischer 
Munition versehen werde. Die Stadt Maubeuge ist mili 
tärisch von großer Bedeutung. Sie wird im Feldzugsplan 
des französischen Generalstabes als Vereinigungspunkt für 
die verbündeten Truppen bezeichnet, die im Kriegsfall von 
dem englischen General French unter der Oberleitung des 
französischen Generalissimus Joffre befehligt werden sollen. 
Nun ist bekannt, daß die englischen Geschütze nicht das 
gleiche Geschoß wie die französischen haben. Die beiden 
Regierungen seien jedoch übereingekommen, schon in Frie 
denszeiten auf französischem Gebiete diejenigen Munitions 
mengen anzuhäufen, die im Kriegsfall für die englische 
Artillerie notwendig sind." 
Aber die Einnahme des Platzes haben wir schon auf 
Seite 164 berichtet. Hier lassen wir noch einen Feldpost 
brief vom 8. September folgen, der über die Kämpfe 
vor Maubeuae und die französische Gefechtsweise überhaupt 
interessante Einzelheiten enthält: 
„Meine lieben, guten Eltern! Hoffentlich habt Ihr 
meine Briefe und Karten erhalten. Wir sind alle noch 
recht munter. Bis jetzt haben wir erst einen Mann ver 
loren, der beim Waffenreinigen verwundet wurde. Ich 
habe alle Offiziere in Verpflegung und fühle mich, gottlob, 
sehr wohl. Gestern ist die Festung Maubeuge gefallen und 
sind 42 000 Franzosen und Engländer gefangen genommen 
worden. Die Belagerung hat 10—12 Tage gedauert. 
Interessant ist, was die Gefangenen aussagten. Man hat 
ihnen erzählt, daß Lüttich wieder von den Engländern 
erobert sei, deshalb versuchten sie immer, nach Osten durch 
zubrechen. Wenige Kompanien von uns haben diese 
Stürme immer zurückgewiesen. Sobcl) die Unsrigen das 
Seitengewehr aufsetzten und die Maschinengewehre knatter 
ten, riß der Feind sofort aus. Sehr beklagten sich die Franzosen 
über ihre Offiziere. Diese führten die Mannschaften in die 
Schützengräben und liefen dann weg. In den Forts wurden 
häufig die Soldaten ohne ihre Offiziere gefangen genommen. 
Beim Sturm hatten sie sich die Tressen abgetrennt und 
waren davongelaufen. In Maubeuge sind auch 300 Jäger 
von uns befreit worden, die abgeschnitten worden waren. 
Eine. französische Kompanie wollte sich ergeben. Als sie 
Phrt. A. Grohs, Berlin. 
Eine von den Russen zerstörte Eisenbahnstrecke auf dem Wege nach Warschau wird von einer deutschen 
Patrouille untersucht.
	        
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