Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914. 
315 
Die Einberufung der ungarischen Landwehr 
und des Landsturms. 
(Hierzu die Kunstbeilage.) 
Auch im. südlichen Ungarn, wo inan den politischen 
Vorgängen jenseits der Donau und der Save immer schon 
die größte Aufmerksamkeit zuwendete, war man voll Er 
wartung, was geschehen würde, als Österreich-Ungarn nach 
dem Morde von Serajewo die strafende Hand erhob. Da 
fielen endlich die Würfel, wie sie nach den Umständen 
fallen mutzten. Noch am selben Tage sprengte ein Husaren 
korporal, geleitet von einem Eskadrontrompeter, durch die 
Dorfgassen. Vor dem Hause des Dorfältesten wurde ab 
gesessen und Alarm geblasen. Die altgedienten Leute 
kennen das Signal, und flink eilte alt und jung auf den 
schmetternden Ruf herbei; man ahnte wohl, was kommen 
würde. ' Kaum hatte eine erst nur kleine Zahl der Dorf 
bewohner sich um den Unteroffizier versammelt, da ent 
faltete er ein amtliches Schreiben — es war der erwartete 
Mobilmachungsbefehl. Nicht endenwollende Eljenrufe er 
schollen schon nach Verlesung der ersten Zeilen, die ja 
bereits hinreichend erkennen Netzen, was der König und 
das Vaterland forderten. Das bedeutete den Krieg, den 
Krieg nicht nur gegen das anmaßende kleine Serbien, 
sondern auch gegen Rußland, dem die Madjaren da unten 
in den Tiefländern der Theiß und im Banat als unmittel 
bare Nachbarn der Balkankönigreiche so vieles schon aufs 
Kerbholz schreiben mutzten. 
Und diese Männer, jung und alt, die nun freudig und 
begeistert dem Rufe ihres greisen Königs folgten, sind 
in ihrer Gesamtheit auch zahlenmäßig sehr beachtenswert. 
Nach der Staatsverfassung der Donaumonarchie zerfallen 
die Landwehr und der Landsturm in je zwei nach den 
beiden Reichshälften geteilte Gruppen. Sie führen in 
Österreich die Bezeichnung k. k. Landwehr und k. k. Land 
sturm; in Ungarn k. ungarische Landwehr und k. ungarischer 
Landsturm. Außerdem unterscheidet man bei der Land 
wehr den Aktivstand, den nichtaktiven Stand (in Ungarn 
Reserve der Landwehr) und die Ersatzreserve der Landwehr. 
Die k. ungarische Landwehr besteht aus 28 Landwehr 
infanterieregimentern zu 3 oder 4 Bataillonen, jedes 
Bataillon zu 4 Kompanien. Einzelne Regimenter haben 
noch Reservekaders für Neuformationen. Im Mobilmachungs 
fall werden noch einzelne Ersatzkompanien aufgestellt. Je 
zwei Regimenter bilden schon im Frieden eine Infanterie- 
brigade. 
Die ungarische Landwehrkavallerie besteht aus 10 Land 
wehrhusarenregimentern. Die Gliederung eines Regi 
ments setzt sich aus 2 Divisionsstäben, 6 Eskadronen en 
cadre, 1 Ersatz- und Pionierzugkader zusammen. Die 
Regimenter sind im Frieden in der Regel in demjenigen 
k. ungarischen Landwehrdistrikt dauernd untergebracht, aus 
dem sie sich ergänzen, und in 4 Kavalleriebrigaden vereinigt. 
Der Ersatzkader befindet sich stets im Regimentsstabsquartier. 
Der k. ungarische Landsturm gliedert sich in 28 Landsturm 
infanterieregimenter und 10 Landsturmhusarendivisionen. 
In jedem Landsturmbezirk sind schon im Frieden Vor 
bereitungen zur Aufstellung eines Landsturminfanterie 
bataillons des ersten und in einigen Bezirken auch des 
zweiten Aufgebots getroffen. Ein Landsturminfanterie 
regiment gliedert sich in den Regimentsstab und 3—4 Ba 
taillone, jedes zu 4 Kompanien. Es wird außerdem auch 
ein Ersatzbataillon aufgestellt zu so vielen Ersatzkompanien, 
als das Regiment Bataillone zählt. Eine Landsturm 
husarendivision besteht aus dem Regimentsstab und 3 Es 
kadronen. Wie tapfer sich die Ungarn zu schlagen wissen, 
hat auch der Gegner anerkannt. Ein russischer Offizier, 
der seinerzeit den japanischen Krieg mitmachte und jetzt 
verwundet in einem ungarischen Truppenspital liegt, sagte 
u. a.: „Sie haben nicht halb so viel Verwundete, als wir 
Russen Tote betrauern. Wenn wir glaubten, daß der 
Feind gezwungen ist, sich unserer 'Übermacht zu ergeben, 
gehen diese ungarischen Soldaten trotz unseres Kugelregens 
unter fürchterlichem Geschrei mit dem Bajonett gegen uns 
vor. Diese Ak tonen sind so fürchterlich, wie sie die Japaner 
nie gewagt haben. Der russische Soldat wird durch dieses ihnr 
ungewohnte Geschrei so irr, daß die Offiziere ihn kaum ver 
hindern können, sich zu ergeben oder die Flucht zu ergreifen." 
Deutsch-französische 
Schützengrabenkorrespondenz. 
Ähnlich wie serbische und österreichische Soldaten Briefe 
miteinander tauschen, in denen sie sich gegenseitig zur Über 
gabe auffordern, so können jetzt, da die Schützengräben der 
Gegner im Westen so dicht aneinander sind, auch unsere 
Feldgrauen mit den Rothosen in Korrespondenz treten. 
Einen solchen Briefwechsel, der dadurch noch wertvoller 
ist, daß Richard Dehmel ihn führte, sendet der Dichter der 
„Frankfurter Zeitung" aus dem Feldlager im Süden von 
Noyon. 
Der erste Brief wurde von einer der deutschen Pa 
trouillen bei Morgengrauen in der Nähe des französischen 
Schützengrabens, etwa 50 Meter davon entfernt, an einen 
Baum geheftet und lautete in deutscher Übersetzung: 
„Tapfere französische Soldaten! Ihr vergießt Euer 
Blut nutzlos für diese scheinheiligen Engländer, die die 
ganze Welt betrügen, ohne Euch zu nützen. Sie liefern 
Der große Marktplatz in Longwy mit erbeuteten Geschützen. 
Phot. A. Grohs, Berlin.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.