Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

28(3 Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914. 
Phot. Franz Otto Koch. 
Fuhrkolonnen auf dem Markt in Goldap, im Hintergrunds eins abrückende Fuhrkolonne. 
war taghell erleuchtet. Überall brannten die Dörfer 
lichterloh. Als ich am nächsten Morgen einige Stunden 
Ruhe in einem Hause suchte, zitterte es durch die Artillerie 
geschosse derartig in allen Fugen, daß an Schlafen nicht zu 
denken war. An diesem Tage wurde hauptsächlich von 
unserer Artillerie mit Schrapnellen auf lebende Ziele ge 
schossen. Unaufhörlich platzten sie in der Luft, am Waldes 
rand und streuten ihren Kugelregen wohlgezielt herunter. 
In manchem Walde haben Hunderte von toten und ver 
wundeten Belgiern und Franzosen gelegen. Eine Granate 
ging kaum 10 Meter neben mir nieder, ritz ein Loch, in dem 
vier Mann Platz finden konnten, krepierte aber zu meinem 
Glück nicht in dem weichen Rübenboden, sonst wären wir 
alle in Stücke gerissen. 
In diesem Augenblick erscheint ein feindlicher Flieger. 
Frech zieht er seine Kreise, kaum 300 Meter über uns, um 
unsere Aufstellung zu erkunden. Hunderte von Gewehren 
überschütten ihn sofort mit einem Kugelregen. Auch die 
Schrapnelle platzen davor, dahinter, darunter. Leider 
trifft kein Geschoß richtig. Unbeschädigt entkommt er mit 
seiner Meldung nach Namur. Es sollte ihm aber dennoch 
nichts nützen, wie die nächsten Tage lehrten. Dann ver 
lassen wir wieder unsere so schön ausgebauten Stellungen, 
um bald zum letzten Sturm gegen Namur auszuholen. 
Vorwärts müssen wir, vorwärts! .Lieb Vaterland, magst 
ruhig sein', denkt ein jeder nach dem, was wir bisher er 
lebten. 
In Marschkolonnen mit Spitze marschiert das Bataillon 
eine Schlucht entlang. Da erfolgt ein heftiges Feuer von 
oben, vom angrenzenden Berg auf uns herab. Vielleicht ist es 
der letzte Widerstand. ,Mit Gruppen rechts schwenkt marsch!‘ 
dröhnt es durch die Luft. Mitten im Feuer stürmt das 
Bataillon den Berg mit grotzer Mühe. Falle, wer falle, 
hinauf müssen wir. .Seitengewehr pflanzt auf!' schallt es 
jetzt. Die Hornisten blasen, und unaufhaltsam brechen 
unsere Linien durch den Wald. .Hurra!' tönt es durch die 
Luft, und das kann der Feind nicht ertragen. Er flieht. 
Niemand ist mehr da, der sich unseren Bajonetten stellt, 
aber von rechts, von links, von hinten schietzen sie wieder. 
Weiter geht's mit erhöhter Aufmerksamkeit. Bald zeigte 
sich, datz sich viele Feinde tot stellten und dann von hinten 
meuchlerisch weiterschossen. Um diese Leute war's jetzt 
aber geschehen. Auch die Hände erhoben die Belgier, wie 
um sich zu ergeben, und wenn wir auf sie zukamen, ergriffen 
sie schnell das Gewehr, um weiterzuschietzen. Eine Kugel 
war eigentlich zu schade für diese .Helden'. 
Und weiter ging der Vorstoh über Drahtverhaue mit 
nie geahnter Fähigkeit hinweg. Durch das letzte Dorf. 
.Schüsse aus diesem Hause', schwirrt es durch die Luft. 
Die Fenster gingen in Stücke, und im nächsten Augen 
blick standen die Gardinen und Scheunen in Flammen. 
Aus war der Kampf, der Sieg unser! Wir standen auf 
der Stratze von Namur. Die Zitadelle der Stadt zeigte die 
weitze Flagge. Inzwischen war die große Maasbrücke von 
der Besatzung gesprengt, gerade als ein Parlamentär 
darauf war, aber die Pioniere zeigten schnell, was sie ver 
mochten. Leider verzögerte sich der Einzug noch einen 
ganzen Tag, teils durch die Brückenarbeiten, teils deswegen, 
weil die Zitadelle trotz der weißen Flagge noch weiter schoß. 
Wir waren gezwungen, diese Burg erst ganz zum Schweigen 
zu bringen. Dann brauchten wir die weiße Flagge nicht mehr. 
Am Abend dieses denkwürdigen Tages, an dem wir uns 
erst alle als .richtige Soldaten' fühlten, sammelten sich zu 
nächst die Truppen vor Namur. Gar mancher fehlte leider, 
aber es ergab sich, daß in unserem Angriffsabschnitt 4200 Ge 
fangene gemacht waren, darunter auch Franktireurs, von 
denen die Wälder durchseucht waren. Die Säuberung des 
Geländes von diesen Schandbuben bildete für manche 
Kompanie einen Sonderauftrag. Während eine Kom 
panie die Masse der Gefangenen an Belgiern und Fran 
zosen, teils verwundet, auch viele Offiziere darunter, auf 
freiem Feld während der Nacht scharf bewachte, zog - bald 
darauf das Eros unserer Truppen in gehobenster Stimmung 
in Namur ein. Anderen Truppenkörpern war dieser glanz 
volle Siegespreis schon etwas früher vergönnt gewesen, 
weil diese weiter vorgeschoben standen. Jetzt endlich winkte 
wieder ein wohlverdientes Quartier. Freudig nimmt ein 
jeder die außerordentlichen Strapazen des Krieges in den
	        
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