Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914. 
unvermeidlich , dann im Marsch-Marsch drauf los. Dem 
Kühnen gehört die Welt. Dies hat die Patrouille des 
Prinzen Friedrich Karl von Preußen gezeigt, der mit drei 
Ulanen zwanzig feindliche Reiter in den nächtlichen Straßen 
von Lüttich angriff und gefangennahm. Die Nähe feind 
licher starker Marschkolonnen wird durch den Staub oder 
bei Regenwetter durch das eigentümliche summende Ge 
räusch bemerkbar, das sie verursachen. Bei der Breite der 
heutigen Anmarschfronten in mehreren oder vielen Ko 
lonnen kann die Patrouille selten daran denken, sie von der 
Flanke zu beobachten. Sie muß deren Anfänge vielmehr 
von vorn beobachten, sie auf sich zukommen lassen von einem 
Punkt aus, der möglichste Übersicht gestattet. Der Führer 
muß dabei die Gaben eines Generalstabsoffiziers entwickeln, 
aus der Zusammensetzung des feindlichen Heeresteils 
schließen, ob es eine Vorhut, ein Seitendetachement oder 
ein Armeekorps ist. 
Die Marschrichtung ist oft sehr schwer zu bestimmen. 
Dabei ist unausgesetzte Aufmerksamkeit nach rückwärts 
geboten. Die Patrouille bleibt, solange sie über Melde 
reiter verfügt, am Feinde bis zur Dauer einer Woche. 
Im Jnlande, wo die Führung der Patrouille unendlich 
viel leichter ist als in Feindesland, sind Telegraph, Telephon 
usw. eine große Erleichterung für das Rückwärtssenden der 
wichtigen Meldungen. In Feindesland muß dies durch 
Meldereiter geschehen. Diese haben die schwierigste Aufgabe 
zu bewältigen. Ohne Karte, auf müdem Pferd, oft auf 
bedeutende Entfernungen sich durch eine fanatische Bevöl 
kerung, oft durch vom Feinde besetzte Landstriche zu schlei 
chen, erfordert kluge Helden. Von ihren Taten kömmt 
zunächst selten Kunde in das Vaterland. Nur zu Beginn des 
Krieges erfuhren wir von einer solchen von schneidiger 
Entschlossenheit zeugenden Tat, als Leutnant Mayer von 
den reitenden Jägern seine Patrouille in der Richtung auf 
Belfort vorführte. Leider geriet er in einen Hirterbalt. 
Als einer der ersten starb er den Heldentod. Mit ihm 
sank die Begleitmannschaft dahin. Nur ein Jäger entkam, 
der die Kunde von dem Aberfall überbrachte. 
Der Sieg über die Montenegriner 
bei Fora. 
(Hierzu das Bild Seite 276/277.) 
Die Montenegriner, die sich als Freunde und Bundes 
genossen Serbiens ebenfalls bewogen gefühlt hatten, in den 
europäischen Weltkrieg einzugreifen, wären gewiß längst 
schon niedergerungen worden, wenn Österreich-Ungarn sich 
nicht genötigt gesehen hätte, alle einigermaßen entbehr 
lichen Truppen vom montenegrinischen wie vom serbischen 
Kriegschauplatz zurückzuziehen und nach dem von den Russen 
besetzten Galizien zu senden. 
So sind längs der bosnisch-herzegowinischen Grenze und 
im südlichsten Zipfel von Dalmatien, in der Krivosci, in 
der Bocche und bis hinunter über den Fortgürtel, der öst 
lich San Stefano oben auf den Höhen liegt., nur wenige 
Eebirgsbrigaden in Tätigkeit. Dies ist der montenegrinischen 
Heeresleitung natürlich nicht verborgen geblieben, und so ist 
es verständlich, daß die Gernegroße der wilden Ernagora, die 
übrigens sehr tapfere Krieger sind, sich wiederholt ver 
locken ließen, in die Herzegowina und Bosnien ein 
zubrechen, was ihnen, dank der Tapferkeit der österreichisch- 
ungarischen Erenztruppen, freilich noch stets recht übel be 
kommen ist. 
Schon auf Seite 79 haben wir darüber berichtet, daß die 
Montenegriner sich sogar an die Belagerung der herzegowi- 
nischen Grenzfeste Bileca wagten, aber unter schweren Ver 
lusten in die Flucht geschlagen wurden. Sie erneuerten die 
Kämpfe auf der Linie Korito—Kobula—Pleva, doch auch hier 
endete ihr Vorgehen mit einem vollständigen Zusammen 
bruch. Offenbar spielt an der bosnisch-herzegowinischen 
Grenze auch der Verrat eine Rolle, da sich die Montenegriner 
über die Stärke der jeweils vorhandenen österreichisch-un 
garischen Truppen immer gut unterrichtet zeigen. Die Tat 
sache, daß zu Anfang Oktober nur ganz geringe Grenzschutz- 
truppen am äußersten nördlichen Zipfel Montenegros vor 
handen waren, ermunterte die finsteren Söhne der Schwarzen 
Berge, es auch hier mit einem Vorstoß zu versuchen, der 
sengend und plündernd durch eine ganze Brigade unter 
nommen wurde — bei dem sprichwörtlichen Selbstvertrauen, 
das den montenegrinischen Krieger beseelt, ohne Zweifel in 
der Absicht, in der Richtung auf Serajewo tief in Bosnien 
vorzudringen. Aber sie kamen nicht weit. Schon bei Fora, 
einem malerisch am Fuße des Erni Vrh in einem Bergkessel 
gelegenenStädtchen, das vonaltersherdurch seine vol'endeten 
Erzeugnisse — Handschars (geschwungene kurze Säbel mit 
langem Knochengriff) und Silberfiligranarbeiten — berühmt 
ist, stellten sich der Brigade schnellgesammelte österreichisch 
ungarische Grenztruppen entgegen. Es kam zu einem 
hitzigen Gefecht, in dem die Montenegriner fürs erste stand 
hielten,- ja sie vermochten sich sogar in günstigen Stellungen 
zu verschanzen. Als aber die Österreicher ihre Artillerie 
ins Treffen führten, mußte der Feind die Feldbefesti 
gungen räumen. Ein Jnfanterieangriff, bei dem das ge 
fällte Bajonett eine Rolle spielte, machte dann auch diesem 
Einbruch auf bosnisches Gebiet ein Ende. Die Reste der 
Brigade, die schwere Verluste erlitt, wurden wieder über die 
Grenze zurückgetrieben. 
Es sind tapfere Soldaten der österreichisch-ungarischen 
Armee, die da unten im äußersten Süden der Doppel 
monarchie unter recht erschwerten Umständen und gewöhn 
lich gegen eine Übermacht fechten. Die Kämpfe in jenem 
unwirtlichen, felsigen Erenzgelände sind durch die Eigen 
schaften des Gegners zudem zu einer Art fortgesetzten 
Bandenkriegs geworden, der stets in Atem hält und an 
Offiziere wie Mannschaften außerordentliche Anforderungen 
stellt; sie haben oft recht har'e Aufgaben unter den schwierig 
sten Verhältnissen zu bewältigen. 
Am Donon. 
(Hierzu die Bilder Seite 268 und 239.) 
Am 20. v. M. lagen wir auf einer Höhe nahe Schirmeck 
in einer starken Bereitstellung. Den Tag zuvor hatten wir 
die Franzosen völlig geschlagen. Es hieß jedoch, daß sie mit 
starken Kräften wieder anrückten. Sie kamen aber nicht, 
und wir waren froh, daß wir in der blanken Sonne etwas 
ruhen konnten. 
Inzwischen war bekannt geworden, daß bei Saarburg 
eine große Schmacht im Gange sei. Ein Teil unseres Korps^ 
sollte auch noch herangez^g n werden. Das hieß für uns 
einen kolossalen Gewaltmarsch. Auf stillen Vogesenpfaden, 
so schmal, daß nur immer ein Mann hinter dem anderen 
gehen kann, zogen wir — ich war gerade Spitzenführer — 
wieder gen Schirmeck. Im Tale kamen wir in Artillerie 
feuer, das aber keinen Schaden tat. Als die Nacht ein 
brach, waren wir gerade am Fuße des kleinen Donon, und 
den hatten die Franzosen tüchtig besetzt und zur Verteidi 
gung eingerichtet. 
Der Donon, der große und der kleine, sind zwei 
Vogesengipfel, bewaldet bis zur Höhe und über 1000 Meter 
hoch. Der Anstieg ist außerordentlich steil. Zwei Regi 
menter wurden vorgezogen, und die stürmten noch in 
der Nacht mit dem Bajonett und warfen den Feind aus 
seinen Verscharizungen hinaus. Da wir nicht weiter konnten, 
wurde Rast gemacht. Man legt sich rechts und links der 
Straße auf den Waldboden, und in ein paar Minuten ist 
die ganze Truppe in tiefstem Schlaf bis auf die angesetzten 
Posten. Am frühen Morgen kommt von der Feldküche heißer 
Kaffee, aber Brot oder sonst etwas zu essen, das ist schon 
lange nicht mehr möglich, und die Bagage ist weit weg. 
Es geht auch so. 
Mittlerweile erhebt sich auf dem Donon ein lebhaftes 
Schießen. Der Regimentskommandeur gibt der Spitzen 
kompanie, und das find wir, den Auftrag, zur Aufklärung 
auf den von eigenen Truppen besetzten Donon vorzugehen. 
Mein Kompaniechef, der infolge eines kranken Beines 
nicht mehr recht gehen kann, kommt den steilen Berg nicht 
hinauf und übergibt mir die Kompanie. Der Aufstieg ist 
fürchterlich, aber unaufhaltsam geht es hoch, denn die oben 
sind in harter Bedrängnis. Endlich, endlich sind wir oben, 
und da hockt in einer Bodenfalte ein Offizier mit einem 
Häuflein, der mir sagt, es sei unmöglich, sich zu halten: 
feindliche Maschinengewehre, die man nicht sehen könne, 
rasierten den ganzen Kamm, und überlegene feindliche 
Infanterie sei im Anmarsch. 
Dennoch besetze ich mit der ganzen Kompanie den 
Gipfel, erhalte wohl lebhaftes Feuer, bin aber nicht im 
stande, auch nur das mindeste vom Gegner zu sehen. Der
	        
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