Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914. 
Brüder vor sich, die sich gegenseitig zerfleischen. Für den 
Augenblick erscheint England in den Augen der afrikanischen 
Eingeborenen als das größere Volk unter den Weißen, 
denn es verjagt die Deutschen — mit Hilfe der schwarzen 
Bevölkerung. Was dies für Folgen für die Zukunft haben 
muß, dafür fehlt England in seiner Habgier jede Erkenntnis. 
Vor Jahren, als durch die Einkreisungspolitik Eduards VII. 
die Gefahr eines deutsch-englischen Krieges zuerst auf 
tauchte, ist es zwischen den wichtigsten afrikanischen Kolonial 
mächten zu einem Gedankenaustausch darüber gekommen, 
ob es nicht ratsam sei, um der inneren Solidarität und der 
gemeinsamen Interessen willen, die uns Weiße der schwarzen 
Rasse gegenüber einigen, den verpflichtenden Grundsatz auf 
zustellen: in einem Kqlonialkriege werden von keiner Seite 
schwarze Truppen zum Angriff auf den Gegner verwendet! 
Leider sprang außer einer unverbindlichen Unterhaltung 
nichts dabei heraus. Daß es zu keinem praktischen Ab 
kommen kam, findet seine Erklärung darin, daß die eng 
lische Politik schon damals nicht imstande war, sich auf 
Rassenanstand und Rasseneinsicht zu verpflichten. 
England hätte gewiß nichts verloren, sondern moralisch 
nur gewonnen, wenn es den Angriff auf unseren afrikanischen 
Besitz aufgeschoben hätte bis nach der Entscheidung in 
Europa. Ein in Europa unterlegenes Deutschland könnte 
natürlich auch seinen Kolonialbesitz nicht halten. Siegen 
wir aber in Europa, so wird England für das büßen müssen, 
was es in Afrika an uns gesündigt hat. Nur für die Zer 
störung unserer Funkenstationen in Afrika kann England 
militärische Gesichtspunkte ins Treffen führen, alle anderen 
im schwarzen Erdteil gegen uns unternommenen Hand 
lungen sind als sinnlos und für die Engländer selbst ver 
derblich zu bezeichnen. 
Ilm eine richtige Vorstellung von dem entfesselten 
Kolonialkriege insbesondere in Afrika zu erlangen, muß 
man die Größe des Kolonialbesitzes der einzelnen Mächte 
ins Auge fassen. Wir geben einige Erläuterungen zu 
unserer untenstehenden Karte. Der afrikanische Besitz der 
Mächte ist folgender: 
Frankreich . . 9 160 285 qkm 32 749 590 Einw. 
Großbritannien . 6 190 967 „ 36 807 025 „ 
Deutschland . . 2 662 300 „ 11 449 380 „ 
Belgien . . . 2 365 000 „ 15 003 350 „ 
Italien. . . . 1 590110 qkm 1 402 551 Einw. 
Spanien . . . 560 466 „ 588 611 „ 
Außer diesem Kolonialbesitz europäischer Staaten hat 
Afrika noch einige Staaten, deren jetzige Selbständigkeit 
zum Teil allerdings sehr fraglich ist und die gewiß in nicht 
zu ferner Zeit ebenfalls in europäischen Besitz übergehen 
werden. Es sind dies: 
Ägypten . . . 3 644 168 qkm 15 299 499 Einw. 
Abessinien . . . 1 120 400 „ 8 000 000 „ 
Marokko . . . 439 200 „ 3 464 000 „ 
Liberia .... 95 400 „ 1 500 000 ' „ 
Aus der ersten Tabelle ersieht man, daß Frankreich den 
größten Kolonialbesitz in Afrika hat; an zweiter Stelle folgt 
Großbritannien, und dann kommt Deutschland. Die Rang 
ordnung nach der Größe der Kolonien verschiebt sich aber, 
wenn man die sogenannten selbständigen Staaten Afrikas 
betrachtet, die unter sehr starkem europäischem Einfluß 
stehen. So steht zum Beispiel Marokko unter französischem 
Einfluß, aber als französische Kolonie kann man es noch 
nicht bezeichnen. Ägypten ist eigentlich türkischer Vasallen 
staat unter britischem Einfluß. Allerdings hat sich England 
dort im gegenwärtigen Kriege geradezu Herrschaftsrechte 
angemaßt, die wahrscheinlich zu weiteren kriegerischen 
Verwicklungen führen werden. Wenn man Ägypten zu 
England zählt, dann ist dieses die größte Kolonialmacht 
Afrikas. Aus diesen Tabellen sieht man aber auch, daß 
Deutschlands Kolonien von seinen Gegnern Frankreich 
und Großbritannien in diesem Kriege, oder richtiger ge 
sagt: während des Krieges mühelos erdrückt werden, weil 
wir alle unsere militärischen Kräfte im Mutterlande ge 
brauchen. Doch das Schicksal dieser Kolonien wird ja 
auf den europäischen Schlachtfeldern entschieden. 
Die erste Nachricht vom Kolonialkriege traf uns am 
8. August. Da wurde gemeldet, daß vor der Hauptstadt 
Togos, Lome, eine starke englische Truppenerpedition von 
der benachbarten englischen Goldküste erschienen sei. In 
Abwesenheit der kleinen Polizeitruppe und sämtlicher 
militärfähiger Weißen, die sich mit dem stellvertretenden 
Gouverneur zum Schutze wichtiger Stationen ins Hinter 
land begeben hatten, nahmen die Engländer von der Haupt 
stadt Besitz unter der feierlichen Zusage, die Ordnung zu 
wahren und das Eigentum zu schützen. 
In dieser amtlichen Meldung ist 
nur von der Besetzung der Hauptstadt 
Togos die Rede; weniger leicht wurde 
es unseren Feinden, die Kolonie selbst 
in ihren Besitz zu bringen. Zu dieser 
Heldentat haben sich französische und 
englische Streitkräfte verbunden. Un 
fähig, in Europa ihren betrogenen bel 
gischen Verbündeten erfolgreich bei 
zustehen, haben die Franzosen und 
Engländer an der Spitze von schwarzen 
Soldaten ihren Mut durch die Über 
wältigung der kleinsten deutschen Kolo 
nie, des zwischen dem französischen 
Dahome und der britischen Eoldküste 
eingeklemmten Togo zu beweisen Ge 
legenheit genommen. Die Briten 
hatten die deutschen Behörden zur un 
bedingten Übergabe aufgefordert, wor 
auf diese um kriegerische Ehren beim 
Abzug ersuchten und sonstige Bedin 
gungen stellten. Das wurde ihnen 
verweigert; sie sollten sich bedingungs 
losübergeben. Nach amtlicher britischer 
Mitteilung sind nun am 26. August 
die verbündeten Streitkräfte in die 
Kolonie eingezogen. Die Deutschen 
haben sich zweifellos bis zur letzten 
Möglichkeit tapfer gehalten, denn die 
Gegner hatten verhältnismäßig viel 
Verluste. Von britischer Seite allein 
wurde für diese Heldentat ein ganzes 
Regiment der West-African-Frontier- 
Force aufgeboten, also eine richtige 
Kriegstruppe, keine Polizeitruppe, wie 
sie Togo in der Stärke von einigen 
hundert Mann besitzt. Es ist aller- 
afrikanische Besitz der Großmächte.
	        
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