Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914. 
201 
Photothek, Berlin. 
Deutsche Soldaten Ln einer russischen Droschke in Suwalki. 
zugehen. Dort bildete er den rechten Flügel der deutschen 
Armee, der von Engländern und Franzosen dauernd zu um 
wickeln versucht wurde. Unter steter Ausdehnung nach Norden 
haben diese Flankierungsversuche des Gegners sich nach und 
nach bis Arras und nördlich bis zum Meere erstreckt. 
Der Charakter des Generals Kluck ist bestimmt, kalt 
blütig, seine Auffassung nüchtern, klar, das Wesentliche 
erfassend, däs Unwesentliche abstreifend, seine Entschluß 
kraft durch keinerlei Aufregung gehemmt oder in falsche 
Bahnen geleitet. Seine Zähigkeit, Energie, Selbstver 
trauen gehen auf seine Truppen über. — Sein kamerad 
schaftliches Wohlwollen erobert die Herzen seiner Unter 
gebenen. Im Kreise seiner Standes- und Altersgenossen 
ist er mehr ein aufmerksamer und bescheidener Zuhörer, als 
ein Beherrscher der Unterhaltung. Er ist überall ein will 
kommener East — nur bei unseren Feinden nicht! 
Die österreichisch-ungarischen Kraft- 
sahrhaubißen. 
(Hierzu die Bilder Seite 202 und 203.) 
Diedeutsch-österreichisch-ungarischeWaffenbrüderschaft,die 
sich in diesem Krieg so glänzend bewährt hat, fand einen 
sprechenden Ausdruck in der Teilnahme österreichisch-ungari 
schen groben Geschützes an dem Festungskrieg in Belgien, wie 
in dem Anschluß des aus Albanien zurückgezogenen deutschen 
Skutaridetachements an die gegen Serbien kämpfenden 
Österreicher und Ungarn. Während aber inzwischen das 
letztere wieder in der Heimat eingetroffen ist, werden wir 
wohl von noch mehr Ruhmestaten der schweren Schnellfeuer 
haubitzen unserer Freunde auf dem westeuropäischen Krieg 
schauplatz hören. Sie haben uns bei der Eroberung von Namen 
(franz. Namur) und Maubeuge ganz vortreffliche Dienste 
geleistet und dürfen sich unseren 42ern des Hauses Krupp 
würdig an die Seite stellen. Hervorgegangen sind sie aus 
den rühmlich bekannten Skodawerken zu Pilsen, einer 
Stahlgießerei, in der schon 1889 Schnellfeuerkanonen, von 
Erzherzog Karl Salvator und Major v. Dormus entworfen, 
hergestellt wurden. Wir dürfen unseren Verbündeten 
neidlos und bewundernd zugestehen, daß sie durch Ver 
bindung des schweren Kalibers nicht nur mit der Schnell 
feuereinrichtung, sondern sogar mit dem Kraftwagen in 
Fortschrittlichkeit entschieden den Vogel abgeschossen haben. 
Man rühmt diesen schweren Kolossen ^eine außerordentlich 
rasche Feuerbereitschaft nach, die wir wohl verstehen, wenn 
wir die praktischen, festen Fahrgestelle betrachten, die offen 
bar gleichzeitig als Schießgestelle — Lafetten — dienen und 
alles Nötige an sich tragen bis auf den Schießbedarf, der 
auf weiteren Kraftwagen folgend zu denken ist. Aber 
auch ihre Treffsicherheit ist ganz hervorragend: waren von 
78 abgegebenen Schüssen doch 76 Volltreffer. 
Nach dem Benehmen Belgiens in diesem Krieg, des 
Staates und der einzelnen, zu schließen, hat man aus der 
Geschichte dort nicht viel gelernt. Wäre es 
anders, so hätten die Belgier die österrei 
chisch-ungarische Artillerie als alte Bekannte 
begrüßen können, die sich jetzt als Vorbotin 
einer neuen Zeit von neuem einfindet. Das 
Land hat nämlich von 1713 an ein Jahr 
hundert der habsburgischen Krone gehört 
und in langer Friedenszeit damals erfreu 
lichen Aufschwung genommen, bis es erst 
französisch, dannholländisch wurde, um 1831 
unter dem Sachsen-Koburger Leopold, also 
einem Deutschen, ein selbständiges König 
reich zu werden. Welche Zukunft ihm wohl 
der eherne Mund der österreichisch-ungari 
schen Brummer eingeläutet haben mag? 
Krieg und Volkswirtschaft. 
Von Major a. D. Schmahl. 
Man pflegt den Nährstand dem Wehr 
stand, den Erwerbssinn dem kriegerischen 
Geist, den Bürgerfleiß dem Krieg gegen 
überzustellen und glaubt damit unversöhn 
liche Gegensätze, feindliche Pole zu bezeich 
nen. Und doch ist es damit eine eigene 
Sache. Die beiden scheinen zusammenzu 
gehören wie Mann und Weib, die ja auch 
Gegensätze sind. Die Geschichte warnt die Völker, über dem 
Erwerben von Wohlstand den kriegerischen Geist einschlafen 
zu lassen, denn stets kam ein anderes Volk und beraubte 
das reichgewordene seines Besitzes, meist auch gleichzeitig' 
seiner Freiheit. Die Verlockung dazu war um so größer, je 
fühlbarer der Unterschied war, sowohl der Kriegstüchtigkeit 
als des Reichtums. Daß so etwas heutzutage und in Eu 
ropa nicht mehr vorkommen könnte, hat sich wieder als Irr 
tum erwiesen. Wie wäre es, wenn wir den Lockungen des 
Friedenszaren und der Abrüstungsapostel geglaubt hätten? 
Die treibende 'Kraft, die uns davor bewahrte, nennt 
man den Militarismus, dem man den Vorwurf machte, 
daß er am Mark des Volkes zehre, weil er so viel Geld 
koste; und es war leicht, Stimmung gegen ihn zu machen, 
denn zu denen, die ungern Steuern zahlen, gehören wir 
eigentlich alle. Wie mancher mag nun in den letzten acht 
Wochen im stillen denen Abbittejgeleistet haben, die für größere 
Rüstungen eingetreten waren und vor Lässigkeit darin ge 
warnt hatten, besonders auch mit dem Hinweise, daß uns 
eine starke Flotte bitter not tue? Und wie merkwürdig! 
Das deutsche Volk, das dem geldfressenden Militarismus 
mit Hauk und Haaren geopfert sein sollte, entwickelte 
seine Kultureinrichtungen zu einer Höhe, wie kein anderes, 
wurde reicher als je zuvor, so daß es den Neid aller 
Phot. Leipziger Preffe-Büco. 
Stehen gebliebene Wand eines von den Russen zerstörten 
Gehöftes bei Lyck. 
30
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.