Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914. 
Anhöhe, wo gehalten wird. Schon ist die treue Feldküche 
da. Das Essen wird gierig verschlungen, dann werden die 
Gewehre zusammengesetzt, und bei den Gewehren, trotz 
Kälte und Wind, finden wir bald einen kurzen todähnlichen 
Schlummer. Montag früh fünf Uhr wird geweckt, und 
um sechs Uhr beginnt schon wieder die feindliche Artillerie 
Hunderte von Granaten und Schrapnells in unsere Reihen 
zu werfen. Unsere Kompanie, mit dem Haupimann als 
einzigem Offizier etwa 80 Mann stark, liegt in Kompanie 
kolonne als Artilleriedeckung hinter einer Batterie auf 
freiem Feld. Doch da kommen sie schon, die Granaten und 
Schrapnells, immer näher. 10 Meter von unserem Zug 
schlagen sie ein, uns mit Erde und Eisen überschüttend. 
Unser Hauptmann sieht ein, datz wir hier nicht bleiben 
dürfen, da wir sonst verloren sind. In: letzten Augenblick 
ziehen wir uns daher nach rechts hinter die Anhöhe. Mir 
hatten unseren seitherigen Platz noch keine zwei Minuten 
verlassen, als auch schon fünf feindliche Granaten nach 
einander genau dahin fielen, wo unsere zusammen 
geschmolzene Kompanie gelegen hatte. Doch gleichgüliig 
sahen wir zurück, das war nicht das erste Mal, daß wir so 
dem Tode entronnen sind. Noch einige Stunden lagen 
wir so im feindlichen Eranatfeuer, dann ging^s von neuen: 
vor, durch ein Dorf, an einen Bach, wo wir uns wieder 
sammelten. Da sahen wir auch wieder unseren Major, und 
zugleich erhielt das Bataillon den Befehl, die vorliegenden 
beiden Höhen zu nehmen, die vom Feinde besetzt waren. 
Also wieder auf, dem Hauptmann nach! Noch waren wir 
nicht ganz oben, da gesellt sich zu dem rasenden Artillerie 
feuer ein wahrer Hagel von Jnfanteriegeschossen. Rechts 
und links von mir fielen die Kameraden. Auch der 
Hauptmann wirft beide Arme in die Luft: ein Schutz in 
den Arm und einer in die Brust hatten ihn hingestreckt. 
Also unserem Major nach! Ich sah ihn immer vor mir, 
das Gewehr in der Hand, als allerersten des Regiments. 
Schlietzlich wird das feindliche Feuer so furchtbar, daß auch 
die Tapfersten stutzen und Miene machen zu weichen. 
Doch mit übergeschnappter Stimme ruft vorne unser 
Major, ein Held. Ich bin der erste neben ihm und rufe: 
„Vorwärts!" Gehorsam kommen sie, Mann für Mann, 
legen sich schweigend hin und schießen. Mein Major fragt 
mich nach Namen und Kompanie, ich soll eine Aus 
zeichnung erhalten. Und nun schieße ich neben meinem 
Major auf die in hellen Haufen zurückflutenden Fran 
zosen; als Aufläge für mein Gewehr dient ein toter Franzos. 
Drei Stunden lang schießt ich so, dann wird es Nacht, und 
wir werden von dem mit so viel Tapferkeit und Blut 
genommenen Hügel zurückgezogen, gesammelt und neu 
eingeteilt. 
Nun wollten wir nur noch schlafen. Da hatten wir 
uns aber verrechnet, denn sofort wurde mit Schanzen be 
gonnen. Tiefe Deckungsgräben gegen feindliches Artillerie 
feuer sollten wir ausheben; es gehe um unser Leben. Da 
nahmen wir lodmüde die kurzen Spaten zur Hand und 
gruben in steinhartem, steinigem Boden, in der Stunde 
10 Zentimeter tief. Am Morgen erhielten wir, es herrschte 
noch tiefes Dunkel, einen Kaffee, und dann hinein in die 
Gräben, die manchem Braven zum Grab werden sollten. 
Wir hatten sie nach Kräften groß gemacht; dennoch war 
der Raum für den einzelnen mehr als beschränkt. Zu 
sammengerollt zu einer Kugel lagen wir da. Mit 
dem ersten hellen Schein im Osten ging^s los; furcht 
bar, alles bisher Erlebte überbietend, so flogen die feind 
lichen Granaten um unsere Gräben. Sie mutzten wissen, 
wo wir lagen, so gezielt waren die Hunderte von 
Schüssen. Dort legten sie einen Toten hinaus, hier schrie 
ein Verwundeter laut auf. Und so lagen wir, bis es 
wieder Nacht wurde; keiner durfte sich regen, obwohl wir 
den ganzen Tag mit Erde und Granatsetzen überschüttet 
wurden. Bei Nacht erst durften wir heraus; die steifen 
Glieder wurden gestreckt, und die Feldküche tauchte auf. 
Sofort nach dem Essen mutzten wir weiterschanzen bis zum 
Morgen. Es kam der Mittwoch. Wir turnten in die jetzt 
etwas tieferen Gräben hinein, denn schon beim Morgen 
grauen ging^s wieder los, Schutz auf Schutz. So liegen, 
ohne sich zu wehren! Es gibt keinen Ausdruck, um diese 
Gefühle zu beschreiben! Mittwoch nacht dasselbe. Feld 
küche, Essen und Weiterschanzen. Ihr fragt Euch wohl, 
wann wir schliefen. Nun, bei Tag, im gräßlichsten feind 
lichen Artilleriefeuer, so abgestumpft waren wir und so 
todmüde. Da, Mittwoch nacht zwölf Uhr, kam der Befehl, 
nicht weiterzuschanzen, es wird ein Sturmangriff mit 
Bajonett gemacht. Eine Stunde Ruhe gönnt man uns, 
dann wird entladen, Bajonett hinauf und marsch! den: 
Feind entgegen. In geschlossenen Kolonnen geht's vor. 
elfte Kompanie ganz vorne. Etwa eine Stunde sind wir 
marschiert, da fährt der erste Bleihagel in unsere Glieder. 
Rechts und links fallen die Braven, doch vor, nur vor! 
Fürchterlich dröhnt unser Hurra durch die Nacht, der Feind 
weicht. Da setzt ein furchtbarer Wolkenbruch ein, in zehn 
Minuten sind wir bis auf die Haut durchnäßt; die armen 
Verwundeten! Nur noch einen Hauptmann und einige 
Leutnants haben wir. Von überall her erhalten wir jetzt 
Feuer, und selbst dürfen wir doch nicht schießen, um keine 
Kameraden zu treffen. Da heißt es wieder eingraben. 
In zweieinhalb Stunden hak/ ich im Wolkenbruch meinen 
Hauvtmann und mich vollständig eingegraben. Ich erhalte 
ein Lob. Endlich wirt/s Tag. Es ist Zeit, denn mein 
Hauptmann und ich stehen schon bis zum Knöchel im Wasser. 
Eine Brigade Franzosen liegt vor uns tief eingegraben 
an einem Bahndamm. Jetzt können wir auch schießen. 
Kaum haben wir begonnen, da laufen sie auch schon. 
Nun geschah wohl das Gräßlichste, was meine Augen je 
sahen. Eine Brigade Franzosen lief Mann an Mann in 
dichtem Schwarm zurück. Sie mutzten eine 800 Meter 
lange, deckungslose Anhöhe hinauf, aber nur wenige 
erreichten die Höhe, so wurden sie zusammengeschossen. 
Wir folgten natürlich, so gut unsere Kräfte reichten. Im 
Weitertaumeln sehe ich hinter einem Garbenbündel in: 
letzten Augenblick einen gesunden Franzosen. Er legt 
auf mich an, ich werfe mich zurück; doch in der Hand saß 
schon der Schuß. Meine Kameraden haben ihn dann 
stumm gemacht. 12 Kilometer schleppte ich mich zurück, 
wurde verbunden, dann 6 Kilometer auf einem Wagen, 
6 Kilometer zu Fuß, 60 Kilometer auf dem Lastauto, 
35 Kilometer auf dem Trittbrett eines „Tietz"-Lieferungs- 
autos in strömendem Regen, einen Tag und eine Nacht 
im Viehwagen, dann Genesungsheim Landstuhl. —• Ja, 
furchtbar ist der Krieg, doch der Sieg ist unser! 
Euer Eustel. 
An der Grenze der Bukowina. 
(Hierzu bas Bild Seite 156/157.) 
Auch an der Grenze der Bukowina, unweit Czernowitz, 
dort, wo Österreich-Ungarn, Rußland und Rumänien eine 
Dreilandecke bilden, ist es zu heftigen Kämpfen gekommen. 
Die Bukowina, die für uns noch ein besonderes Interesse 
dadurch gewinnt, datz in Czernowitz eine deutsche Universität 
besteht und neben ruthenischen, madjarischen und polnischen 
Elementen viele Deutsche wohnen, wird im Südwesten 
vom Hauptzug der Karpathen durchstrichen, die von da in 
mehreren Parallelzügen und zahlreichen Ausläufern nach 
der russischen Grenze abfallen. 
Hier stehen österreichisch-ungarische Linientruppen und 
Landsturm; auch sie haben sich mit starken russischen 
Kräften, die in die Bukowina einzudringen versuchten, 
tapfer geschlagen. 
Es war hier, in dieser Dreilandecke, wiederholt schon zu 
kleinen Kämpfen gekommen. Ein verwundeter österreichischer 
Offizier berichtet über ein derartiges Gelegenheitsgefecht: 
Etwa 10 Kilometer von Russisch-Nowosielica unternahm ein 
Husarenoffizier mit 62 Mann einen Aufklärungsritt. 
Der Weg führte durch dichten Wald, der wenig Aussicht 
gewährte. Auf einmal gewahrten sie beim Austritt ins 
Freie, datz sie den Feind vor sich hatten. Sie befanden sich 
unmittelbar vor drei Maschinengewehren. Dahinter standen 
zwei Batterien, die rechts und links von je einer Sotnie 
Kosaken gedeckt waren. Die Handvoll Husaren zögerte 
nicht lange, sondern warf sich mit Ungestüm auf die 
Russen. Diese konnten, also überrumpelt, weder von den 
Maschinengewehren noch von den Geschützen Gebrauch 
machen, und die Kosaken ergriffen die Flucht. — Der tapfere 
Husarenoffizier versicherte nachher, er habe beim Anblick der 
feindlichen Stellung sofort das Bewußtsein gehabt, datz 
sie alle verloren seien, sobald sie wendeten, datz aber ein 
tollkühner Angriff vielleicht glücken könne. Und er glückte! 
Am 23. August kam es bei Czernowitz zu einem 
größeren Gefechte. Aus Podolien drang eine russische 
Division vor, die von den österreichisch-ungarischen Truppen
	        
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