Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914. 
ohne weiteres klar, daß beim gegenwärtigen Stande des 
Feldzugs ein regelrechter Feldpostbetrieb mit durchaus ge 
sicherter Zuführung der Posten unmöglich ist. Waren doch 
einzelne Feldpostanstalten acht Tage hintereinander auf dem 
Marsch und konnten ihren Dienst nur auf der Landstraße 
ausüben. Bei den großen Entfermmgen zwischen den Leit 
punkten und den im Vormarsch befindlichen Feldpost 
anstalten stößt ferner die Zuführung der Posten auf große 
Schwierigkeiten. Dazu treten Bahnunterbrechungen, der 
Verlust von Posten bei feindlichen Vorstößen, Zerstörung 
von Telegraphenlinien und die sonstigen im Krieg unab 
wendbaren Zufälligkeiten. Zu all dem kommt noch, daß 
in manchen Fällen eine starke Ausnutzung der Feldpost 
bemerkbar wird und der Absender durch falsche oder un 
vollkommene Adresse die Bestellung verzögert oder un 
möglich macht. Deshalb verdienen einige Ratschläge noch 
beherzigt zu werden. Zunächst hinsichtlich der Telegramme. 
An Soldaten, die mit unbestimmtem Standort sich draußen 
aufhalten, ist die Absendung von Telegrammen unmöglich. Da 
gegen können Telegramme befördert werden an solche Militär 
personen, die in Garnisonen, Festungen, Lazaretten oder 
sonstigen dauern 
den Standorten 
stehen. Ebensoistes 
mit den Paketen. 
Wo der Adressat 
einen festen blei 
benden Standort 
hat, ist die Absen 
dungmöglich. Wer 
Ausrüstungsgegen 
stände verschicken 
möchte, etwa Stie 
fel, Kleidungsstücke, 
Waffen und ande 
res, dem bleibt der 
Weg des Dienst- 
pakets offen. Man 
muß zu diesem 
Zweck eine Militär 
behörde, etwa die 
Geschäftsstelle eines 
Ersatzbataillons auf 
suchen und bitten, 
den Gegenstand als 
Dienstpaket an das 
betreffende Batail 
lon weiterzubeför 
dern. 
Die Dumdumgeschosse unserer Feinde. 
(Hierzu das Bild Seite 144.) 
AIs int gefährlichen Aufstand der Afridi in Ostindien 
(1897) die englischen Truppen merkten, daß ihre Hartblei 
geschosse mit Stahlmantel die wilden Gegner nicht sogleich 
kampfunfähig machten, suchten sie die Wirkung dadurch zu 
verstärken, daß sie die Spitze abfeilten, bis der Bleilern 
sichtbar wurde. Nach der Stadt Dumdum bei Kalkutta, 
wo solche Geschosse zuerst fabrikmäßig hergestellt wurden, 
heißen sie bis heute Dumdumgeschosse. Bei ihnen zerreißt 
das Blei wegen seines großen Beharrungsvermögens — 
eine Folge seines hohen spezifischen Gewichts — den Mantel 
an der Spitze völlig, tritt wie ein platzender Wassertropfen 
aus und übt im Körper des Getroffenen eine Art Spreng 
wirkung von grauenhaften Folgen. Während nämlich nor 
mal auftreffende Langgeschosse den Leib glatt durchschlagen 
und die Knochen nur splittern, reißen die Dumdumgeschosse 
einen nach hinten stark sich vergrößernden Trichter, zer 
malmen dabei die Knochen und werfen die inneren Ge 
webe nach außen, erzeugen also höchst grausame Wunden, 
die nur sehr schwer und meist mit dauernder Entstellung 
heilen. Auch im Kriege gegen den Mahdi wurden diese 
Geschosse von den Engländern gebraucht. Alsbald erhoben sich 
aber gewichtige Stimmen gegen ihre Verwendung, im Hinblick 
auf die Petersburger Konvention vom 4. November 1868, die 
verbietet, im Land- und Seekrieg Geschosse unter 400 Gramm 
zu verwenden, die mit Erplosivstoffen gefüllt sind. Darauf 
hin gestaltete England für sein Lee-Metford-Eewehr das 
Bleispitzgeschoß zu einem Hohlspitzgeschoß, sogenanntes 
Muster 4, unr und verwendete es stark im Buren 
kriege, wo es nicht minder schreckliche Wunden verursachte. 
In London selbst tönte damals dem Unterstaatssekretär des 
Krieges, Wyndham, ein hundertfaches „Pfui!" und der 
Ruf „Schande für England!" entgegen, als er diese Tat 
sache eingestand. Trotzdem vertrat England noch auf der 
Haager Konferenz von 1899 den Standpunkt, daß die 
Dumdumgeschosse keineswegs besonders grausam seien, 
auf jeden Fall noch humaner als die alten Bleigeschosse. 
Erst im Jahre 1907 unterzeichneten auch England, Frank 
reich und Belgien das Haager Abkommen, das in Artikel 23, 
Absatz 1 o den „Gebrauch von Waffen, Geschossen oder 
Stoffen verbietet, die geeignet sind, unnötig Leiden zu ver 
ursachen". Daß es aber bei den Dumdum- und verwandten 
Geschossen nur auf hie grausame Wirkung ankommt, das 
beweist der Umstand, daß ihre veränderte Spitze die Treff 
sicherheit stark herabseht! bereits bei einigen hundert Metern 
Entfernung ist von Zielen keine Rede mehr. Ein an 
ständiger Schütze wird sie also schon aus diesem Grunde 
niemals verwenden; dafür sind sie die würdigen Ge 
schosse für den Kantpf aus dem Hinterhalt. 
Was nun ihre 
Verwendung durch 
unsere Feinde an 
belangt , so sind 
folgende Tatsachen 
unableugbar fest 
gestellt. Solche Ge 
schosse wurdennicht 
nur bei französi 
schen und eng 
lischen Gefangenen 
gefunden, zum Teil 
noch in der Origi 
nalpackung der Fa 
briken, sondern so 
wohl in Longwy 
als in Montmedy 
entdeckte man Ma 
schinen zu ihrer 
fabrikmäßigenHer- 
stellung. Äus die 
sem Grunde hat 
auch der deutsche 
Kronprinz dem 
Kommandeur von 
Longwy den Degen 
später wieder ab 
gefordert, den er 
ihm nach der Übergabe aus Achtung für die tapfere Ver 
teidigung belassen hatte. Ferner wurde in der Kaserne 
des französischen Infanterieregiments Nr. 120 eine Kiste 
mit Dumdumgeschossen in fabrikmäßiger Verpackung, Pakete 
mit je acht Patronen und dem Aufdruck: 
Etuis Mel Bes Mel 
Avis 1914 
8 Cartouches 
Poudre Bf Am Mel 
De Stand Mio 1906 
Lot 121 
vorgefunden; auf der Kiste stand die Weisung: „Bei der 
Mobilmachung sind diese Geschosse an die Schützengesell 
schaft in Mouzay auszuliefern." Es bleibt demnach nur 
der Schluß übrig, daß die französische Militärbehörde die 
Beschaffung solcher Geschosse veranlaßt hat, in der Absicht, 
den mit Handhabung der Waffen vertrauten Teil der Zivil 
bevölkerung von Mouzay, einem Dorf bei Stenay, bei 
Kriegsausbruch damit auszurüsten. Endlich hat der ge 
fangene englische Major Pate — derselbe, der aus Torgau 
entfloh und bei der drohenden Wiederverhaftung sich die 
Kehle durchschnitt — offen zugegeben, daß seine Leute mit 
Dumdumpatronen versehen waren, und behauptet, das 
sei auch erlaubt, denn es handle sich nicht um Explosivge 
schosse; übrigens müsse man mit der Munition schießen, 
die der Staat geliefert habe. 
Unsere Abbildung ist nach einer Photographie an 
gefertigt, die der Presse vom Eeneralstab zur Verfügung 
gestellt wurde. Man sieht deutlich die Einfeilungen und 
Bohrungen an den Spitzen der Geschosse, ferner eine un 
verletzte amtliche Verpackung.
	        
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