Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914. 
wenn sich der Gegner mit einer genügend starken Armee 
stellt. Dies geschah aber von seiten der Russen an der 
deutschen Grenze ebensowenig, wie an der österreichischen. 
Die Deutschen räumten sogar am 24. August Ostpreußen 
aus strategischen Gründen, wie die bald darauf folgende 
große Schlacht bewies. Fast gleichzeitig haben Österreich 
und Deutschland ihre ersten großen Schlachten gegen Ruß 
land geschlagen, und die Verbündeten sind Sieger geblieben, 
so daß man wohl kaum fehlgeht in der Vermutung, daß die 
österreichischen und deutschen Maßnahmen in einem ge 
wissen Zusammenhang standen. 
JnderZeitvom 23. zum 25. Augustwurde die große Schlacht 
bei Krasnik geschlagen, die ein unvergängliches Ruhmes 
blatt in der Geschichte der österreich-ungarischen Waffen 
taten dieses Krieges bleiben wird. Krasnik, eine Stadt im 
russisch-polnischen Gouvernement Lublin, hat etwa 8100 Ein 
wohner. Hier kam es etwa 30 Kilometer von der galizischen 
Grenze zur Schlacht, die mit einer völligen Niederlage des 
russischen Heeres endete. In panikartiger Flucht flutete 
das russische Heer zurück auf Lublin, scharf verfolgt vom 
Gegner. Auf jeder Seite waren es etwa 4—5 Armee 
korps , das heißt 12—15 Infanteriedivisionen, außerdem 
noch je etwa 4—6 Kavalleriedivisionen in einer Ge 
fechtsfront von mehr als 60 Kilometern. Die österreich- 
ungarischen Truppen machten über 3000 Gefangene und 
erbeuteten 3 Fahnen, 20 Geschütze und 7 bespannte Ma 
schinengewehre. Gefangene russische Offiziere, die den 
Feldzug gegen Japan mitgemacht haben, sagten überein 
stimmend aus, daß die Angriffe der österreich-ungarischen 
Streitkräfte viel stürmischer als die der Japaner sind. 
Die bei Krasnik zurückgeschlagene russische Armee 
gruppe bildete den rechten Flügel jener russischen Streit 
kraft, deren Massen noch im Aufmarsch aus Wolhynien gegen 
Galizien waren, deren rechter Flügel jedoch schon bis an 
die Weichsel vorgeschoben war, mit dem Ziel, von Norden 
her die Front der österreich-ungarischen Armeegruppen ein 
zudrücken und den strategisch wichtigen Raum zwischen 
Tarnow und Rzeszow (siehe Karte Seite 63) zu gewinnen. 
Wer diesen Raum besetzte, beherrschte dann die Verbindung 
zwischen West- und Östgalizien und war in der Lage, 
Vorstöße über den bequemsten und gangbarsten Teil der 
Karpathen — die Duhladepression — gegen.wichtige Teile 
Ungarns zu unternehmen. Ein ganz natürlich angelegter 
Plan, gegeben durch die strategische Lage und die Boden 
beschaffenheit auf diesem Kriegschauplatz. 
Das taktische „Eindrücken" der österreich-ungarischen 
Armeefront gelang dem Feinde aber nicht, vielmehr wurden 
die russischen Streitkrüfte nach dreitägigem scharfen Ringen 
und nach Einsetzung aller Reserven, die der Leitung der 
russischen Streitkräfte zur Verfügung standen, zu vollem 
Rückzug genötigt. 
Dem Siege folgte eine kräftige Verfolgung des Feindes 
auf dem Fuße, bei der zahlreiche Gefangene sowie eine 
Menge Kriegsmaterial, Kanonen, Maschinengewehre und 
dergleichen erbeutet wurden. 
Ganz besonders hat sich auch die Kavallerie durch Aus 
dauer und Wagemut ausgezeichnet. Einzelne Eskadronen 
griffen russische Schützengräben an und nahmen sie so, 
daß man den Schneid der Truppe zügeln mußte. Das 
Luftschiff „Schütte-Lanz" kam dreimal in das feindliche 
Feuer, ohne Schaden zu nehmen, und verbrachte drei 
zehn Stunden in der Luft. In der Nähe von Jwan- 
gorod geriet es in wahre Garben von Eewehrgeschossen. 
Südöstlich Lublin erhielt es Infanterie- und Artilleriefeuer 
gleichzeitig auf beiden Flanken. Fünfundzwanzig Gewehr 
geschosse durchbohrten die Hinteren Gaszellen. Die russi 
schen Schrapnells verfehlten ihr Ziel. Sie platzten sämt 
lich weit weg von dem Ballon. Ein Sprengstück flog in 
eine Gondel, ohne Schaden anzurichten. Die Verletzungen 
an der Ballonhülle wurden während der Fahrt ausgebessert. 
Der Führer des Ballons konnte zahlreiche Beobachtungen 
melden. Die Besatzung, die unverletzt war, fand im Haupt 
quartier eine begeisterte Aufnahme. 
Die Nachricht von dem siegreichen Ausgang der drei 
tägigen Schlacht bei Krasnik rief in der ganzen Monarchie 
freudige Genugtuung hervor. In Wien hatten zahlreiche 
Häuser geflaggt. 
Der Kommandierende General der österreichischen West 
armee, General Dankl, hat den folgenden Armeebefehl an 
seine Truppen erlassen: 
„Die Armee hat am 23. und 24. August in der Schlacht 
von Krasnik, Polichna und Eoraj ihre Feuertaufe glänzend 
bestanden. Alle Korps haben dank dem todesmutigen Ver 
halten der Truppen den Feind zum Rückzug gezwungen. 
Soweit bisher bekannt, sind 3 Fahnen, 28 Geschütze und 
viele Maschinengewehre erbeutet und über 6000 Gefangene 
gemacht worden. Aus ganzem Herzen danke ich allen An 
gehörigen der Armee für die unserem Allerhöchsten heiß 
geliebten Obersten Kriegsherrn und dem Vaterlande ge 
leisteten Dienste. Aber auch Wehmut erfüllt unser Herz: 
viele Kameraden haben den Tod auf dem Felde der Ehre 
gefunden. Ihrer gedenken wir in dieser erhabenen Stunde. 
Noch stehen uns. schwere Kämpfe, viel Mühsal bevor. Die 
brave Armee — ich bin dessen sicher — wird sie alle über 
winden." 
Nach der Schlacht bei Krasnik wurde auch bekannt, 
daß ein französischer Kurier mit einem Handschreiben des 
Präsidenten Poincaro an den Zaren geschickt worden war. 
In diesem Handschreiben richtete Poincaro den dringenden 
Ruf an den Zaren, möglichst rasch und energisch die Offen 
sive zu ergreifen, wie es in dem russisch-französischen Militär 
abkommen vorgesehen war, da der ganze Kriegsplan darauf 
beruhe und nur so der französische Angriff erfolgreich sein 
könne. Die Antwort des Zaren auf den Hilferuf Poincarös 
überbrachte einige Tage später ein Kurier über Stockholm. 
Die Schlacht bei Krasnik bildete nur die Einleitung zu 
einem gewaltigen Ringen der Armeen Rußlands und 
Österreich-Ungarns, das sich auf eine Schlachtkront von 
460 Kilometern verteilt. Wenn einerseits die Öster 
reicher in Russisch-Polen vorwärtsschritten, so vermochten 
die Russen dagegen auch bis Lemberg vorzudringen. Die 
Räumung Lembergs erfolgte aus ähnlichen strategischen 
Gründen wie die Räumung Ostpreußens durch die Deut 
schen. Die österreich - ungarischen Truppen rückten in 
Russisch-Polen immer weiter vor, und große Scharen 
russischer Fahnenflüchtiger kamen ihnen entgegen, die nach 
Linz, Salzburg und Innsbruck gebracht wurden. Be 
zeichnend für den Geist der österreich-ungarischen Truppen ist 
die Tatsache, daß ein in Gefangenschaft geratener Husar am 
nächsten Tage auf einem Kosakenpferde zu seiner Abteilung 
einrückte. — Besonders groß war die Zahl ukrainischer 
Aberläufer. In Czernowitz war schon am 3. August eine 
ganze Kompanie ukrainischer Kosaken eingetroffen. Sie 
waren in voller Rüstung mit ihren Pferden angekommen 
und brachten die Kunde mit, daß in allen Grenzstädten 
der russischen Ukraine Aufrufe an das ukrainische Volk 
erlassen worden seien. Die ukrainisch-revolutionäre Partei 
forderte in diesen Proklamationen das gesamte ukrainische 
Volk zu einem Aufstande gegen Rußland auf, um so die 
Ukraine vom russischen Joche zu befreien. Fortsetzung folgt.) 
Illustrierte Kriegsberichte 
Von der Schlacht bei Saarburg. 
(Hierzu die farlige Kunstbeilage.) 
Es war gleich zu Anfang des blutigen Ringens im 
Westen, kurz nach der siegreichen Schlacht bei Mülhausen, 
da man sich fragte — ernst, doch ohne Bangen — wie mag 
es im unteren Elsaß und wie in Lothringen stehen? Hatte 
man doch allenthalben davon gehört, daß die Franzosen 
die Grenze überschritten hätten und dort, soweit sie Fuß 
faßten, gar übel hausten. 
Da spielte der Telegraph am 27. August geräuschlos 
durch die deutschen Lande und verkündete amtlich: „Unter 
Führung des Kronprinzen Rupprecht von Bayern haben 
Truppen aller deutschen Stämme den Sieg erkämpft." 
Wie schlicht diese militärische Meldung, wie einfach und 
doch von welcher Größe! Kurz und gut Deutsch gegenüber 
den schwülstigen französischen Kundgebungen, zu schweigen 
von dem häßlichen Lügengewebe, das die ganze feindliche 
Presse in alle Welt zu streuen wußte. 
Und wie verblüffend wirkte es eingestandenermaßen auf
	        
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