Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914. 
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eine pechschwarze Rauchwolke durch 
das Dach, untermischt mit hellen 
Flammen, eine Vorprobe von dem, 
was zu erwarten steht, wenn wirk 
lich die Deutschen in dieser Nacht 
zum Bombardement übergehen. 
Überall sieht man die Bewohner der 
ftcits ihre Fenster verbarrikadieren, 
und die wenigen Kaufläden in der 
Stadt, die noch offen waren, 
schlossen ihre Schaufenster; Gasthöfe 
und Wirtschaften im Stadtzentrum 
waren bereits vom Morgen ab 
geschlossen. Die meisten von ihnen 
waren unter die Flagge des Noten 
Kreuzes gebracht und zur Aufnahme 
von Verwundeten eingerichtet wor 
den. Noch fliegt hier und da eine 
einzelne Bombe in die Stadt, und 
es geht dann sofort das Gerücht, 
daß sie eingeschlagen habe. So steigt 
die Aufregung, wächst die Angst vor 
dem, was noch kommen soll. 
Gegen neun Uhr abends sitzen 
wir beieinander in einem Hinter 
zimmer unter den mit Matratzen 
verdeckten Fenstern. Es fällt ein 
Schutz, der dicht hinter dem Hause 
einschlägt, so datz der Donner die 
Scheiben klirrend zerspringen lätzt, 
während ein Stück der Mauer sich 
in Schutt verwandelt. Dann wird 
alles still, unheimlich still, drautzen 
und drinnen. In dem großen Keller 
unter dem Haufe lagen schon ein 
paar Kinder auf Matratzen schlafend, 
Pakete mit Kerzen stehen herum, 
Eimer mit Wasser, Hacken und 
Schaufeln, damit man helfen kann, 
wenn das Haus einstürzt. Wir legen 
uns auf dem Flur des Hinterzimmers 
nieder. Die alten Frauen knien betend 
nieder. Um ein Uhr nachts ertönt 
der Ruf ,Feuer! £ auf den Straßen, 
einige Stunden später wieder. Um 
vier Uhr sehen wir helle Flammen 
hoch über der Stadt. Man sagt, die 
Zitadelle brennt, doch sehe ich mit 
dem Fernrohr, daß es nur Bäume 
und niedrige Häuser sind. Nun 
die Nacht vorbei ist, kehre ich nach meinem Hotel zurück, 
ein bißchen nüchtern und enttäuscht ... Als ich auf den 
Theaterplatz komme, finde ich dort deutsche Grenadiere, 
sauber in feldgrauen Uniformen, auch die Helme mit einem 
Überzug in gleicher Farbe. Sie stehen in Reih' und Glied 
mit Gewehr bei Fuß und lösen einander in der Bewachung 
der Straßen ab. Den ganzen Weg den Maaskai entlang, 
wo die Brücken, auch zwei der innersten, jämmerlich ver 
wüstet sind, und auf dem Weg nach den Hügeln, wo die 
Zitadelle liegt, stehen die deutschen Soldaten, hinter und 
vor ihnen das Publikum, neugierig, aber totenstill. Kein 
Wort, kein Gemurmel, nichts wird vernommen. Sie 
schauen nur nach den gefürchteten Deutschen, die jetzt so 
ruhig dastehen oder höchstens die Leute mit einem ,Circulez, 
messieurs!' zum Weitergehen nötigen. Es fiel mir auf, 
wie viele von diesen Deutschen offenbar Französisch ver 
stehen und sprechen ..." 
Ein anschauliches Bild seiner Erlebnisse bei der Er 
oberung der Festung gibt ein Magdeburger Bankbeamter 
in dem nachstehenden von der „Magdeburgischen Zeitung" 
veröffentlichten Feldpostbrief: 
„Wir fuhren am 3. August von ab, uns war 
nur bekannt, daß es nach Westen ging. Am 4. August 
kamen wir in einer größeren Stadt an, wo wir ausgeladen 
wurden. Hier hatten wir nun nach der langen Eisenbahn 
fahrt anderthalb Stunden Ruhe. Wir erhielten von den 
Einwohnern warmen Kaffee und auch zu essen. Sodann 
wurde der Vormarsch angetreten, und schon um acht Uhr 
früh überschritt unser Regiment als erstes die belgische 
Grenze. Zunächst ging es bis Henry Chapelle, wo es aus 
der Feldküche Mittagessen gab (Reis mit Rindfleisch). Die 
Bewohner waren hier noch ziemlich friedlich und brachten 
uns Wasser. Dann ging es weiter, den ganzen Nach 
mittag. Die Ehaufsee war hier überall aufgerissen, schwere 
Baumstämme waren über den Weg gelegt und richtige 
Barrikaden gebaut, um uns das Vordringen zu erschweren, 
aber uns konnte das nicht schrecken. Um fünf Uhr nach 
mittags kamen wir nach Battist, wo wir die Nacht ver 
bleiben sollten in Massenquartier. Leider waren sämtliche 
Häuser verschlossen. Jedoch unser Hauptmann gab kurzer 
hand Befehl: ,Brechen Sie die Häuser auf!' Das ließen 
wir uns natürlich nicht zweimal sagen: im Umsehen waren 
die Häuser geöffnet, und ich geriet mit meiner Korporal 
schaft in eine —- Weinhandlung. 
Leider wurden wir um halb zehn Uhr alarmiert, da 
plötzlich aus den Häusern auf unsere Posten geschossen 
wurde. Wir besetzten die Stadt und erschossen mehrere 
Zivilisten, die mit der Waffe in der Hand betroffen wurden. 
Am Nachmittag hatten wir noch einen französischen Doppel 
decker, leider erfolglos, beschossen; er war zu hoch. In 
Battist blieben wir bis ungefähr elf Uhr. Es wurden hier 
zwei Kameraden verwundet. Dann ging es weiter, bis 
wir um ein Uhr in Hervo ankamen. Hier in Hervo wurde 
haltgemacht, und wir lagerten uns in den Straßen, alles 
war vollkommen ruhig. Um zwei Uhr ging es weiter. Als 
wir in einer langen, schmalen Straße marschierten, öffneten 
sich plötzlich alle Fenster, Bomben wurden geworfen und 
aus Revolvern und Karabinern auf uns geschossen. Wir 
versuchten zunächst, in einen Torweg zu gelangen, was 
zum Teil auch glückte. Die keinen Unterschlupf fanden,
	        
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