Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914. 
die Fuhrparkkolonnen, um den Truppen leichter folgen zu 
können, werden in der Regel mit sämtlichen Verpflegungs 
bedürfnissen für einen bestimmten Truppenteil beladen, 
und zwar mit Dauerartikeln, Speck, Zwieback, Fleisch- 
Ionserven und Hafer — kein Brot und kein frisches Fleisch — 
und werden möglichst lange zurückgehalten, um erst aus 
zuhelfen, wenn andere Verpflegungsarten versagen. Eine 
Proviantkolonne deckt den Verpflegungsbedarf für etwa 
eine Infanteriedivision an Portionen auf einen, an Rationen 
auf einen halben Tag. Eine Fuhrparkkolonne, 60 Plan 
wagen, ladet das Doppelte einer Proviantkolonne und deckt 
den Tagesbedarf einer Infanteriedivision und einer Staffel 
der Munitionskolonnen und Trains. Der Tagesbedarf 
einer Kavalleriedivision für Mann und Roß kann auf einer 
Proviantkolonne untergebracht werden. Die Gesamtzahl 
der 13 Verpflegungskolonnen eines Armeekorps deckt den 
viertägigen Bedarf des Armeekorps und einer halben Ka 
valleriedivision, so daß die Verpflegung eines Armeekorps 
durch die auf den Truppenfahrzeugen und Verpflegungs 
kolonnen mitgeführten Verpflegungsbedürfnisse, unabhängig 
von Quartier und Magazin, auf 8—9 Tage gesichert ist — 
Proviant- und Fuhrparkkolonnen 4 Tage, Lebensmittel 
wagen 1—2 Tage, eiserner Bestand 3 Tage. — Für die 
sichere Lieferung des Brotes, des wichtigsten, weil von dem 
Mann am schwersten zu entbehrenden Verpflegungsartikels, 
find die beiden Feldbäckereikolonnen des Armeekorps be 
stimmt. Alle Ersatzmittel, Zwieback und andere Surrogate, 
bleiben eine unvollkommene Aushilfe. Eine Feldbäckerei 
kolonne mit 12 fahrbaren Backöfen neuer Art (Grove) ist 
imstande, in 24 Stunden bei ununterbrochenem Betrieb 
23 000 Portionen zu 1,5 Kilogramm, bei täglichem Orts 
wechsel 13 000 Portionen zu erbacken. Ein gewöhnlicher 
Backofen backt in derselben Zeit auf den Quadratmeter 
Ofenfläche etwa 250 Brotportionen. 
Die Ausführung und Überwachung des gesamten Ver 
pflegungsdienstes bei den Infanterie-, Jäger- und Pionier 
bataillonen, den Kavallerieregimentern, Feldartillerieabtei 
lungen und Fußartilleriebataillonen, und außerdem bei 
jedem Generalkommando und Armeeoberkommando, liegt 
in der Hand des jedem dieser Truppenteile beigegebenen 
Verpflegungsoffiziers (Leutnant). Er besorgt den Empfang 
und eintretendenfalls den Ankauf und die Beitreibung der 
Lebensmittel, überwacht den pünktlichen Verkehr der Ver 
pflegungsfahrzeuge zwischen Truppe und Empfangsstelle 
und ist überhaupt für den ordnungsmäßigen Gang des 
ganzen Verpflegungsdienstes der Truppe verantwortlich. — 
Die Verpflegung der Truppen während der Eisenbahnfahrt 
nach dem Aufmarschgebiet (siehe Kunstbeilage) ist durch die 
Militärtransportordnung und die Kriegsverpflegungsvor 
schrift geregelt und in den an den Eisenbahnlinien dafür be 
stimmten Verpflegungsstationenvorgesehen, welche spätestens 
vom vierten Mobilmachungstage an im Betrieb sein müssen. 
Die Auswahl der Stationen trifft die Eisenbahnabteilung 
des Großen Eeneralstabs unter dem Gesichtspunkte, daß 
die Militärtransporte innerhalb 24 Stunden möglichst 
drei, mindestens aber zwei Verpflegungsstationen benutzen 
können. Zwischen je zwei Verpflegungsstationen wird in 
der Regel eine Tränkstation und an dieser bei großem Fähr- 
abstand der Verpflegungsstationen noch eine Marketenderei 
eingerichtet. Für die vollen Kriegsverpflegungsanstalten 
werden schon im Frieden die Vorbereitungen zur Anlage 
von Küchen, Speiseschuppen, Marletendereien und Tränk- 
anstalten getroffen; die Verpflegung, für die im Fahrplan 
im allgemeinen ein einstündiger Aufenthalt vorgesehen ist, 
erfolgt möglichst von 8 zu 8 Stunden mit zweimaliger 
warmer Kost innerhalb 24 Stunden zwischen 6. Uhr vor 
mittags und 10 Uhr nachmittags. 
Die Verpflegung der Armee im Aufmarschgebiet steht 
unter der obersten Leitung des Generalintendantendes Feld 
heeres, der seine Anweisungen nach den Anordnungen des 
Eeneralinspekteurs des Etappen- und Eisenbahnwesens 
trifft. Er regelt den Verpflegungsdienst nach den schon 
im Frieden getroffenen Vorbereitungen und leitet die ge 
samten Nachschubverhältnisse mit den ihm unterstellten 
Organen, den Intendanturen der Armeen und Armee 
korps.— Soweit als irgend möglich erfolgt die Verpflegung 
des Feldheeres im Aufmarschgebiet durch die Quartierwirte, 
als der für die Truppe bequemsten und vorteilhaftesten 
Form. Zu den Vorbereitungen der Verwaltungsbehörden 
im Frieden gehört in dieser Beziehung ein sorgfältiges 
Studium über die Produktions- und Konsumtionsverhält 
nisse und die darauf zu gründende Leistungsfähigkeit des 
in Frage kommenden Gebietes. Für ein Armeekorps mit 
einem täglichen Bedarf von 37 000—40 000 Portionen und 
10 000 Rationen ist im allgemeinen ein Raum von 
500 Quadratkilometern erforderlich, und man darf unter 
günstigen Verhältnissen darauf rechnen, auf dem Lande 
das Drei- bis Vierfache der Einwohnerzahl auf einige Tage 
verpflegen zu können. Bei voraussichtlich längerer Dauer 
und bei der Anhäufung großer Massen muß aber nach 
ausgesprochener Mobilmachung sofort mit der Anlage aus 
reichender Magazine in und hinter dem Aufmarschgebiet 
vorgegangen und deren Füllung in die Wege geleitet werden. 
Für die Verpflegung in Feindesland gilt als oberster 
Verwaltungsgrundsatz, daß der Bedarf an Verpflegungs 
mitteln in erster Linie im Bereich der operierenden Armee 
durch die Truppen oder die Verwaltungsbehörden selbst 
zu decken ist und die Vorräte des Etappengebietes zu 
nächst eine Reserve bilden. Darum wird auch nach Über 
schreiten der feindlichen Grenze soweit als möglich die 
Verpflegung durch die Quartierwirte beibehalten. Sie 
wird aber bei den jetzigen Heeresmassen in enger schlacht 
bereiter Versammlung auch ohne jede absichtliche Ent 
ziehung der Vorräte durch die feindlich gesinnten Landes 
einwohner oft versagen, und es muß dann neben etwaigem 
freihändigem Ankauf die Beitreibung eintreten. Sie ist 
die ergiebigste Form, vom Kriegschauplatz zu leben, und 
erfolgt entweder seitens der Truppen selbst für ihren 
eigenen Bedarf oder in größerem Umfang seitens der 
Intendanturen unter Unterstützung durch die Truppen. 
Zur Vermeidung von Ausschreitungen, die durch die 
Kriegsartikel mit strenger Strafe bedroht sind, dürfen Bei 
treibungen der Truppen nur unter Führung von Offizieren, 
und, soweit keine Zahlung erfolgt, gegen gewissenhaft aus 
gestellte Bescheinigungen unternommen werden. Der An 
kauf hat den Vorteil, daß die Macht des Geldes häufig noch 
manche verborgenen Vorräte zutage fördert, die der ein 
fachen Forderung vorenthalten werden. Besonders er 
giebig sind die noch unberührten feindlichen Gebiete, die 
von der vorausgehenden Heereskavallerie oder von den 
vordersten Marschkolonnen betreten werden. Hier gilt es, 
nicht unnütz verschwenderisch mit den vorgefundenen Vor 
räten zu verfahren, sondern etwaigen Überfluß für die 
nachfolgenden Truppen sicherzustellen. 
Die Nacht von Andenne. 
(Ein Kampf mit Franktireurs.) 
Von Dr. Aler Berg.*) 
(Hierzu das Bild Seite 89.) 
Unser Reservekorps hatte den Befehl erhalten, die 
Festung Ramur zu belagern und zu diesem Zweck am 
20. und 21. August die Maas bei der Fabrikstadt Andenne 
zu überschreiten. Zurückgehende feindliche Truppen hatten 
die recht ansehnliche steinerne Brücke, die beide Teile der 
Maas verbindet, gesprengt. Unter dem Schutz von In 
fanterie hatten die Pioniere eine neue Brücke geschlagen, 
deren Fertigstellung am Nachmittag des 20. August er 
folgt war, so daß gegen fünf Uhr mit dem Durchmarsch der 
Truppen durch die Stadt und dem Überschreiten der Maas 
begonnen werden konnte. 
Es. war gegen halb sieben Uhr abends, als die leichten 
Munitionskolonnen der Artillerie, die ich führte, etwa 
*) Diese Schilderung einer Franktireurnacht, die wir der „Frank 
furter Zeitung" mit deren Einverständnis entnehmen, stammt aus 
der Feder eines bekannten und angesehenen Frankfurter Rechts 
anwalts, der dabei selbst verwundet wurde; sie zeigt recht anschau 
lich, wie erbittert und heimtückisch unsere Truppen in Belgien von 
der Bevölkerung überfallen wurden. Die Vorgänge von Andenne 
bilden insofern ein Seitenstück zu Löwen, als auch in Andenne der 
Kampf, nachdem er anscheinend unterdrückt worden war, immer 
erneut mit aller Heftigkeit wieder losbrach. Die Schilderung macht 
es begreiflich, wenn schließlich ein ganzer Ort in Flammen auf 
gehen muß. Es wäre sehr zu wünschen, daß sowohl die belgische 
Regierung wie das neutrale Ausland von solchen Schilderungen 
Kenntnis bekommen; sie werden alsdann verstehen, daß unseren 
wackeren Truppen nichts anderes übrig bleibt, als sich vor weiteren 
hinterlistigen Übersatten unter allen Umständen zu schützen. Immer 
wieder muß diebelgische Negierung für dieses nutzlose Blutvergießen 
vor aller Welt verantwortlich gemacht werden.
	        
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