Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. DritterBand. (DritterBand)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
vor den Wagen gespannt und die Stellung gewechselt. Im 
Laufschritt mutzte der Ballontrupp den Ballon an den 
Halteleinen befördern. Im Zickzack ging es bald rechts, bald 
links weiter. Krachend schlugen noch immer die Granaten 
in der Nähe des Ballons ein, und die gelben Staubwölkchen 
wirbelten in die Lust. Aber mustergültig war die Ruhe und 
Ordnung, in der unsere Mannschaft das gefährdete Gebiet 
verließ. Noch war der Tod uns auf den Fersen, als schon ver 
nehmlich die Töne der Kapelle zu uns herüberklangen, die das 
ergreifende: „Wir treten zum Beten vor Gott den Gerechten" 
angestimmt hatte. Es war, als ob das fromme Lied dem feind 
lichen Feuer Einhalt geboten hätte, denn plötzlich verstummten 
die feindlichen Geschütze, und manch einer mag in diesem Augen 
blick wohl auch ein Dankgebet zum Himmel emporgesandt 
haben. Fast erscheint es uns als ein Wunder, datz wir 
an diesen beiden Tagen trotz des schweren feindlichen Feuers, 
in das wir geraten waren, so ohne Verluste, abgesehen von 
den beiden Leichtverwundeten, davongekommen sind. Am 
Nachmist^g wurden dann die Beobachtungen von unserem 
an anderem Platze wieder in Stellung gebrachten Ballon 
aus fortgesetzt, und es gelang mit Hilfe glücklicher Beobach 
tungen, einige feindliche Batterien schnell zum Schweigen zu 
bringen. Als Anerkennung für die guten Leistungen unseres 
Kommandos wurden demsel 
ben zwei Eiserne Kreuze per 
sönlich von dem kommandieren 
den General verliehen. Was un 
sere Artillerie und die Luftschiffer 
hier vorbereiteten, das voll 
endete in glorreichem Sturm 
unsere tapfere Infanterie. Die 
Russen wurden unter schweren 
Verlusten aus ihren wohlvor 
bereiteten Stellungen hinaus 
geworfen und in die Flucht ge 
schlagen. Im Siegeszuge folgten 
wir dem Feinde. 
Die Beschießung 
Dünkirchens. 
(Hierzu die Kunstbeilage und die neben 
stehende Kartenskizze.) 
Der Überraschung durch 
42-om-Mörser bei Beginn des 
Krieges und der Überraschung 
mit der nie geahnten Leistungs 
fähigkeit unserer Unterseeboote 
mehrere Monate später ist eine 
abermalige für unsere Gegner 
recht unangenehme Über 
raschung auf dem Fuße gefolgt. 
Es handelt sich um autzer- 
ordentlich weittragende schwere 
Geschütze, wie sie bisher kein anderer Staat hervorzubringen 
vermochte. — Der denkwürdige Tag, an dem die neue 
Konstruktion zum ersten Male ihre Wirkung zeigte, war 
der, 30, April 1915. Ein gewaltiges Artilleriefeuer begann 
Donnerstag vormittag um elf Uhr auf die französische 
Festung Dünkirchen. Es währte bis drei Uhr nachmittags 
unausgesetzt und verstummte plötzlich wieder. In dieser 
Zeit waren nicht weniger als 60 Granaten vom Kaliber 
30,5 Zentimeter — nach anderen Meldungen 38 Zentimeter 
— auf die Stadt niedergesaust. 
Die moralische Wirkung war ungeheuer. Man denke sich 
eine Festung fast 35 Kilometer hinter der Front, in der das 
ruhige Alltagsleben seinen Gang geht und kein Bewohner an 
irgend eine Beschietzung glaubt. Plötzlich erscheinen Flieger 
des Feindes am hlauen Himmel, und während man sie noch 
betrachtet — denn diese Untugend kann man anscheinend 
weder Franzosen noch Deutschen ganz abgewöhnen — 
nehmen heulend die riesigen Zuckerhüte ihren Weg. Ein 
nie gehörtes Krachen, Zischen und Donnern läßt die Be 
wohner in ihrer Angst in die Keller flüchten. Nicht ohne 
datz einige von den dunklen Erdfontänen verschlungen oder 
zerfetzt werden. Brände brechen aus. Dicker Qualm und 
Brandgeruch erfüllt die Stratzen. Dazu die beklemmende 
llngewitzheit: was ist eigentlich los? Ist unsere Linie durch 
brochen worden? Stehen die Deutschen schon vor Dün- 
kirchen? Werden wir das Schicksal der Antwerpener Be 
völkerung teilen und die Schreckenstage einer Beschietzung 
als Zuschauer und Mitleidende erleben müssen? — Bei 
nicht weniger als 2000 Leuten war die Angst, ähnliche Stun 
den erleben zu müssen , größer als die Heimatliebe. Sie 
verliehen mit den nötigsten — sehr oft auch infolge der 
Aufregung mit den unnötigsten — Sachen Dünkirchen 
und kamen in Calais an, wo sie sich geborgener glaubten. 
Ihre Befürchtungen sollten in Erfüllung gehen. Mehr 
mals mutzte Dünkirchen noch die mächtige, eindrucksvolle 
Sprache unserer Riesengeschütze vernehmen. Besonders 
heftig am 23. Juni 1915. Auch Flieger tauchten des öfteren 
wieder auf und ließen sich trotz aller Abwehrmatzregeln 
mit Ballonabwehrkanonen und Flugzeugen nicht so leicht 
verjagen. Teils warfen sie Bomben, teils zogen sie ihre 
Kreise hoch oben, anscheinend als müßige Zuschauer 
des Dramas. In Wirklichkeit jedoch waren sie die eigent 
lichen Leiter des Artilleriefeuers. Ihren drahtlosen oder 
optischen Meldungen und Zeichen war es zu verdanken, 
datz die Geschosse ihre Ziele fanden und sich immer mehr 
gegen wichtige Punkte heranschossen, bis sie richtig im Ziel 
lagen. Auch dieses Schietzverfahren ist eine der vielen Neue 
rungen, die uns der heutige Weltkrieg gebracht Hai. 
Die französischen Flugzeuge waren während der Be 
schießung nicht untätig. Sie 
wurden zur Aufklärung aus 
geschickt nach den neuen deut 
schen Geschützstellungen. Es ist 
bezeichnend, datz die zuständige 
Kommandobehörde sie nicht in 
erster Linie gegen die deutschen 
Landstellungen vorsandte, son 
dern sie nebst einigen englischen 
Wasserflugzeugen die Nordsee 
küste absuchen ließ. Man konnte, 
man wollte nicht glauben, datz 
die Deutschen derartige Ge 
schütze besäßen. Man hoffte, 
ein deutsches Geschwader sei an 
der Küste entlanggefahren und 
habe mit seinen gewöhnlichen 
Schiffsgeschützen auf eine nicht 
besonders weite Entfernung ge 
schossen. Es war bitter, die 
Pille zu schlucken! Wohl lag 
ein kleines deutsches Geschwa 
der von zehn kleinen Schiffen 
vorOstende. Doch waren das au 
genscheinlich nicht die Schützen. 
Als an der ungefähren Schuß 
weite von fast 35 Kilometer der 
neuen deutschen Geschütze kein 
Zweifel mehr war, mögen die 
Engländer nicht besonders er 
freut gewesen sein, denn die 
engste Stelle des Kanals beträgt — wie man aus nebenstehen 
der Skizze ersehen kann — nicht viel mehr als 30 Kilometer. 
Abgeschlagener italienischer Angriff auf die 
österreichisch-ungarischen Stellungen bei 
Plava im Jsonzotal. 
(Hierzu Karte und Bild Seite 72 und 73.) 
Nicht mehr Erfolg als ihr mißlungener Vorstoß auf 
Trient, der im Feuer der Tiroler Schützen auf dem Pla 
teau von Folgaria-Lavarone zusammenbrach (vgl. Bd. II 
Seite 471), brachte den Italienern der Versuch, die öster 
reichisch-ungarischen Stellungen am rechten Jsonzoufer zu er 
stürmen, um den Einmarsch in das Küstenland von Kram und 
Gradiska zu erzwingen. Mit Unterstützung eines übermächtigen 
Artilleriefeuers gelang es dem Feind, am 10. Juni in der 
Nacht etwa sechs Kompanien auf das östliche Ufer zu bringen. 
Ihre Aufgabe bestand darin, die k. u. k. Stellungen an 
den Abhängen von Plava, die Eörz im Norden decken, zu 
nehmen. In starre, zerklüftete Felswände eingeklemmt, 
20 Meter tief, aber oft nur 2 Meter breit, in Wasserfällen 
abwärts stürzend, beschreibt der Jsonzo hier ein Frage 
zeichen, in dessen südlichem Bogen Plava, im nördlichen 
Tolmein liegt. Bei Tolmein zurückgeschlagen, wandten sich 
die Italiener gegen Plava. Das ganze Kampfgebiet am 
—belg.Gren ze . V Kampffront. a, Platz der 10 
deutschen Schiffe während der 1. Beschießung. 
Raum innerhalb dessen die deutschen Geschütze aufgestellt waren. 
kürzeste Verbindung Frankreich-England (30 Km.) 
Schussentfernung (35 K™-) 
Karte zur Beschießung Dünkirchens.
	        
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