Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. DritterBand. (DritterBand)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
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Die Italiener rückten also zu dem denkbar günstigsten Zeit 
punkt in den Kampf. So „siegten" sie in Südtirol durch 
die Besetzung von Condino (westlich des Gardasees), weil 
ihnen der Besitz dieses Ortes nicht streitig gemacht wurde. 
Am Padonpaß, nordöstlich der Marmolada (Südtiroler 
Dolomiten, genauer Fassaner Alpen), wurde aber geschossen. 
Das war für die Italiener das Zeichen zur Flucht. An der 
Kärntner Grenze griffen sie an, mutzten sich dann aber 
zurückziehen, wobei sie ihre mangelnde Kriegserfahrung 
mit bedeutenden Verlusten bezahlten. Westlich des Plöcken 
(Kärnten, Karnische Alpen) flohen sie wie einst in Abessi 
nien und mehrfach in Libyen mit Preisgabe der die Flucht 
hemmenden Waffen. Im Küstenlande am Jsonzo zeigte sich 
bis dahin nur italienische Kavallerie. Am 26. Mai begann 
die schwere Artillerie der Italiener an der Tiroler Grenze 
südöstlich von Trient eine Beschießung der gegnerischen Be 
festigungen mit schweren Kalibern, doch ohne Nutzen. An 
diesem Tage vernichtete die Grenzwacht durch Maschinen 
gewehrfeuer zwei italienische Kompanien bei Caprile, einem 
italienischen Ort östlich der Marmolada am Codevole (siehe 
Nebenfluß des Avista) wurden nach Störung durch öster 
reichisch-ungarische Patrouillen sofort wieder aufgegeben. 
An fast allen genannten Punkten ereigneten sich auch in 
den folgenden Tagen leichte Gefechte, die den Italienern 
keinen wirklichen Erfolg brachten; nordöstlich Karfreit, bei 
Versuchen zur Erzwingung des Krnrückens, erlitten sie sogar 
besonders schwere Verluste. 
So ließ schon die erste Kriegswoche erkennen, daß das 
italienische Vorgehen keineswegs von einem kühnen An 
griffsgeist getragen war, der allein die immerhin nicht so 
einfachen Verteidigungstellungen an der Tiroler und 
Kärntner Grenze und die auch nicht leichten im küstenlän 
dischen Gebiet hätte erschüttern können, abgesehen davon, 
daß die Angriffe auch mit allzu schwachen Mitteln unter 
nommen wurden in Anbetracht der Kriegserf'ahrung der 
Verteidiger. Immerhin waren die österreichisch-ungarischen 
Erenztruppen meist von drei- und mehrfacher Übermacht 
angegriffen und hatten sich ihrer mit rühmlicher Tapfer 
keit erfolgreich, ohne nennenswerte eigene Verluste er 
wehrt. Von dem soldatischen Geist, der die Verteidiger 
Phot. A. Krajewskr. 
General der Kavallerie Eduard v. Böhm-Ermolli, Kommandant 
der zweiten österreichisch-ungarischen Armee. 
Generalmajor Dr. Karl Bardolff, Generalstabschef der zweiten 
österreichisch-ungarischen Armee. 
Die Eroberer Lembergs. 
auch Seite 39). Der Versuch, an diesem Tage die küsten 
ländische Grenze zu überschreiten, wurde mit so unzureichen 
den Mitteln und so sorgsam tastend unternommen, daß ihn 
sehr schwache österreichisch-ungarische Kräfte mühelos zurück 
wiesen. Schließlich merkten selbst die Italiener, mit wie 
schwachen Kräften von Gendarmen und Beobachtungs 
patrouillen sie fast überall zu tun hatten, und besetzten am 
nächsten Tage mutig die Tiroler Grenzorte Ala an der Etsch 
und Primör (auch Fiera di Primiore) an einem linken Neben 
fluß der Brenta. Am 29. Mai kam es auch im Küsten 
lande zü kleineren, aber lebhafteren Zusammenstößen. Bei 
Karfreit am mittleren Jsonzo, südöstlich des Krn, wurde ein 
italienisches Bataillon zersprengt, ein Angriff größerer ita 
lienischer Abteilungen bei Plava am Jsonzo nördlich Eörz 
mutvoll abgewiesen. Am 30. setzten die Italiener ihre 
Abergangsversuche am Jsonzo fort, so bei Monfalcone, wo 
sie aber ebenfalls zurückgewiesen wurden. 
An demselben Tage griff ein Alpiniregiment österreichische 
Stellungen auf der Hochfläche von Lavarone (nordöstlich von 
Roveredo an der Etsch) an, ohne weiteres Ergebnis als blutige 
Verluste (vgl. Band II Seite 471). Schanzungsversuche bei 
Paneveggio (südlich der Fassaner Alpen an einem linken 
ganz erfüllte, legt das Abenteuer des Oberleutnants Emil 
Zeyer ein beredtes Zeugnis ab, das wir bereits auf Seite 39 
mitteilten. So ermutigend diese Kämpfe auf unsere Ver 
bündeten wirkten, so niederschlagenden Eindruck riefen die 
endlosen Verwundetenzüge, die im Nu die Mailänder Laza 
rette überfüllten, trotz aller Siegeslügen in Italien hervor. 
Allmählich griff in immer weiteren Schichten der Bevöl 
kerung eine bekümmerte Stimmung uin sich» auf Grund 
der Erkenntnis, daß es mit dem vorhergesagten militärischen 
Spaziergang nach Trient und Triest wohl nichts werden würde. 
So ergebnislos die Italiener zu Wasser und zu Lande 
im Kampf gegen gegnerische Soldaten aufgetreten waren, 
so erfolgreich hatten sie gegen wehrlose Deutsche und Öster 
reicher bei sich zu Hause gewirtschaftet. In dieser ersten 
Kriegswoche kam es besonders in Mailand zu würdelosen 
und grausamen Überfällen des italienischen Pöbels auf 
deutsche und österreichisch-ungarische Geschäfte, die ge 
plündert und zerstört wurden. Auf Deutsche, Österreicher und 
Ungarn wurde eine wilde Jagd veranstaltet, der auch Schwei 
zer und selbst Italiener mit deutsch klingenden Namen zum 
Opfer fielen. Die Welt erhielt ein neues Zeugnis dafür, 
wo in diesem Kriege barbarische Taten an der Tagesordnung
	        
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