Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. DritterBand. (DritterBand)

Der Ubl> bei Caprile. 
Zwei iLalierüEompQNLen werden 
durch eine 21^9 Tiroler Landes- 
schützen m-pEe verLrieben. 
Nach eiBginalzeichnung 
ooliM'aScudts. 
seelischen Eindruck des Anblicks der Verwundeten und der 
ungemessenen Last der Arbeit gewachsen zu sein. 
Kalter Abendwind machte das Anzünden eines Lager 
feuers auf dem Hof notwendig, um das die Ankömmlinge 
auf ihren Tragbahren gestellt wurden, bis die Reihe der 
ärztlichen Versorgung an sie kam. Manchem konnte geholfen, 
andern wenigstens für den Augenblick Erleichterung ver 
schafft werden. Eines löste das andre ab, bis die Uhr die 
vierte Morgenstunde zeigte. 
^ Zwei Stunden bleiernen Schlafes verschafften unseren 
Gliedern die notdürftigste Ruhe. Während dieser Zeit wurde 
ein Teil der Verwundeten von unseren Fahrern ins Feld 
lazarett zurück in Sicherheit gebracht. Um sechs Uhr früh 
mutzten wir unsere Arbeitstätte räumen, weil die Artillerie 
diesen Platz für ihre Zwecke benötigte. Da war allerdings 
Als unsichere Meldungen über die italienischen Truppen 
bewegungen von Eaprile ins Sottegudatal eintrafen, ent 
schloß sich der Oberleutnant Zeper vom Jnnicher Landes- 
schützenregiment, durch einen Vorstotz über die Grenze volle 
Gewißheit über die Lage zu erlangen. Mit einbrechender 
Dunkelheit war die Abteilung Zeyer, 70 Landesschützen 
mit Maschinengewehren, gesichert und marschbereit. Um 
dieselbe Zeit bezogen zwei italienische Kompanien Infanterie 
in Eaprile Quartier. Sie stellten bloß am Eingang des 
Ortes Wachen auf. Oberleutnant Zeyer entschloß sich zu 
einem Feuerüberfall mit Maschinengewehren auf 900 Schritt 
Entfernung. Die aus den Quartieren zu den Gewehr 
pyramiden herausstürzenden Mannschaften erlitten in dem 
Feuer der wohlgerichteten Maschinengewehre schwere Ver 
luste an Toten und Verwundeten. In voller Auflösung und 
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
worden ist, daß bei ihnen mehr Wert auf kühnes Drauf 
gehen und Strapazen als auf Essen und Trinken gelegt wird; 
von Schlaf zu schweigen. 
Wie die Vision stolzer Hoffnungen waren sie vorüber 
gerauscht, ein belebendes und erfrischendes Gefühl in uns 
zurücklassend. 
Unsere sanitäre Arbeit, die nach unserem Wirken auf 
einem anderen Kampffeld einige Zeit geruht hatte, begann 
jetzt wieder. Die ersten Verwundeten des gestrigen Tages 
galt es nach E. zurückzubringen ins Lazarett, wo noch fran 
zösische Arzte arbeiteten. Auf dem Weitermarsch kamen wir 
durch das Dorf 23., aus dem noch die hellen 
Flammen schlugen; Schutt, rauchende Trümmer, 
allerlei Gerät zeigten das grausige Antlitz des 
schweren nächtlichen Gefechtes. Ich lernte später 
einen Musketier kennen, der — im bürgerlichen 
Leben Diakon — sich bei einem erfolgreichen 
Patrouillengang nach diesem Dorf das Eiserne 
Kreuz erster Klasse verdient hatte; leider hat 
auch dieser bescheidene und pflichttreue Mensch, 
wie so viele, die von Anfang an dabei waren, 
inzwischen sein Leben lassen müssen. 
Nachdem wir, schon im Dunkel der Nacht, 
den Ort, in dem sich später die Garde zeitweilig 
häuslich einrichtete, hinter uns hatten, wurde 
endlich, nach 50 Kilometer Tagesmarsch, in W. 
Alarmquartier bezogen. Dieses bestand in einem 
vierstündigen Nachtaufenthalt in windiger Stroh 
scheuer. Gefechtsbereite Truppen lagen im Ort. 
Um fünf Uhr wurde aufgebrochen. Granaten 
schlugen frühzeitig am Dorfrand ein. Vorn tob 
ten heiße Kämpfe. Zwischen Marsch und länge 
rem Halten verging ein großer Teil des Tages; 
langes Warten und dann allerfleißigstes Ar 
beiten, das ist das Los einer Sanitätskompanie. 
Es war ein Herbsttag von ungewöhnlich schöner 
Färbung; kühler Wind spielte mit gelblichen 
Blättern der Pappelbüume, verschwimmendes 
Sonnengold lag über der verträumten Hügel 
landschaft — da kam der Befehl, die Sanitäts 
kompanie habe auf der Zuckerfabrik ... den 
Hauptverbandplatz einzurichten. 
Vorwärts ging^s, in sanfter Steigung bergan, 
den halbkreisförmig vor uns platzenden Schrap 
nellwolken entgegen, in die kalte Abenddämme 
rung hinein. Dort hinten, da tobte die Schlacht 
auf den Rübenfeldern. Zur Linken, an einsamer 
Ferme, hielt der Divisionsstab, Befehle erteilend 
und Nachrichten empfangend; die Landstraße 
einige hundert Meter weiter, zur Rechten, sollte 
unsere Arbeitstütte sein. Truppenärzte hatten 
hier bereits ihre dornenvolle Tätigkeit entfaltet; 
jetzt kam die Sanitätskompanie an die Reihe, um 
in großem Maßstab die Verwundeten der ganzen 
Division nebst gefangenen verletzten Franzosen 
aufzunehmen. 
Der kleine Kontorraum ward zur Operation 
stätte, die Pförtnerwohnung zum Verband- und 
Lagerungsraum, die Maschinenräume für Fran 
zosen hergerichtet. Bis nach Mitternacht währte 
die Arbeit, umbrüllt von Kanonendonner, die 
Einschläge der Granaten immer in greifbarer 
Nähe. Die Kümpfe waren äußerst erbittert, die 
Verletzungen dementsprechend zahlreich und 
schwer. Bei den Jnfanterieverletzungen zeigte 
sich hier auch wieder die menschlichere Wirkung unseres 
Geschosses, während das französische Kupfermantelgeschoß, 
um 1,2 Zentimeter länger als das unserige, mehr reißt 
und viel Querschlügerwirkung erzielt. 
Die Kämpfe fanden am folgenden Tage mit neuer 
Heftigkeit statt; offenbar hatte der Gegner sich hier eine 
für ihn günstige Stellung gesteckt, über welche Linie er bei 
seinem Zurückfluten nicht hinausgehen wollte. In der Ver 
teidigung ist der Franzose ja äußerst zäh. Harte Arbeit war 
die Losung für unsere Truppen wie für uns Ärzte. Unauf 
hörlich waren Sanitütsmannschaften und Wagen draußen, 
frische Verwundete zu bergen. Auf dem Rückwege eines 
solchen Zuges zur Zuckerfabrik gewahrte ich an steinerner 
Windmühle auf einer kleinen Anhöhe die schlanke Gestalt 
des Kronprinzen Rupprecht von Bayern, wie er mit seinem 
Stabe den Gang der wichtigen Gefechte als Armeeführer ver 
folgte; zur Seite das kronprinzliche Auto. Ein geschicht 
liches Bild von packender Färbung! — 
Auf dem Hauptverbandplatz gab es kein Ausruhen. Es 
ging heute bis an die Grenze unserer ganzen Leistungsfähig 
keit; der mangelnde Schlaf der letzten Tage machte sich 
unangenehm fühlbar. Der Arzt in der Sanitätskompanie, 
der, obwohl den Ereignissen nahe, über den Gang des Ge 
fechtes doch nur durch die Verwundeten hört — und gerade 
diese berichten begreiflicherweise nicht immer nur Erfreu 
liches — er hat seine volle Nervenkraft nötig, um dem 
unseres Bleibens nicht länger. Wir begaben uns wenige 
Kilometer weiter zurück, um unsere Tätigkeit in einem 
Dörfchen neu einzurichten und wieder aufzunehmen. Denn 
die Gefechte gingen weiter und begannen allmählich sich 
zum Stellungskampf zu entwickeln. 
Grenzgefecht bei Caprile. 
^Hierzu das untenstehende Bild.) 
Ein Musterbeispiel für den Schneid, den kühnen Wage 
mut und die Unternehmungslust der österreichisch-ungarischen 
Soldaten bietet das Grenzgefecht bei Eaprile am 26. Mai. 
ohne Rüstung flüchteten beide Kompanien in die Wälder. 
Nach diesem erfolgreichen Feuerüberfall, durch den der 
Gefechtszweck einer Klärung der Lage erreicht war, trat 
Zeyer den Rückmarsch nach den alten Stellungen an. 
In der Nähe eines Dorfes auf österreichischem Gebiet ver 
suchte eine Kompanie feindlicher Infanterie, von Ver 
rätern geführt, der Abteilung den Rückzug zu verlegen. 
Der Versuch blieb erfolglos. Mit einem Verlust von bloß 
fünf Mann schlug sich die Abteilung mit den Maschinen 
gewehren glücklich durch. Die Bewohner des Grenzgebietes 
und ganz Österreich-Ungarns können solchen Männern ruhig 
den Schutz ihrer Südwestgrenze anvertrauen. Die 
braven Tiroler freuen sich des wohlgelungenen 
ersten Erfolges und hoffen auf weitere. 
Die Landesfarben. 
Kriegs- und Handelsflaggen der 
kriegführenden Staaten» 
Daß Deutschland die Landesfarben Schwarz- 
Weiß-Rot, die österreichische Hälfte der Donau 
monarchie Schwarz-Gelb, Ungarn dagegen Rot- 
Weiß-Grün, alle quergestreift, führen, dürfte all 
gemein bekannt sein, und doch wird die ungarische 
häufig mit der italienischen verwechselt, da Italien 
dieselben Farben, jedoch in umgekehrter Reihen 
folge und außerdem senkrecht geteilt, aufweist. Die 
Kriegs- und Handelsflaggen der seefahrenden Staa 
ten zeigen vielfach die Landesfarben, unterscheiden 
sich aber nicht selten durch die gleichzeitige Verwen 
dung von heraldischen Motiven. Die deutsche Han 
delsflagge ist gleich der Landesfarbe; die Kriegs- 
flagge zeigt dagegen ein schwarzes Kreuz mit auf 
gelegtem preußischem Adler, ferner die Reichsfar 
ben und das Eiserne Kreuz in der oberen Vierung 
(im linken oberen Viertel oder Viereck). Die 
österreichisch-ungarische Kriegsflagge führt die kai 
serlichen Hausfarben Not-Weiß-Rot, quergestreift, 
über das mittlere Feld das mit der königlichen 
Krone überdeckte Stammwappen des Erzhauses 
Österreich aufgelegt. Die Handelsflagge zeigt, dem 
dualistischen Charakter der Monarchie entsprechend, 
rechtsseitig auch das ungarische Wappen und unten 
einen hälftigen grünen Querstreifen. Belgiens 
Landesfarben sind Schwarz-Eelb-Rot, senkrecht 
geteilt, also gleichlaufend mit dem Flaggenstock. 
Frankreich führt die Landesfarben Blau-Weiß-Rot, 
senkrecht geteilt; Kriegs-und Handelsflagge ebenso. 
Die englischen Landesfarben sind Not-Gelb-Blau; 
an ihrer Stelle steht aber der sogenannte Unionjack 
in Verwendung, ein stehendes rotes, ein liegendes 
weißes und ein liegendes rotes Kreuz auf blauem 
Grunde. Die Kriegsflagge zeigt in Weiß ein rotes 
stehendes Kreuz und in der Vierung den Union- 
jack. Die Handelsflagge ist vollständig rot und in 
der Vierung der Jack aufgelegt. Italien hat, wie 
schon bemerkt, die Landesfarben Grün-Weiß-Rot, 
senkrecht gestreift. Die Kriegs- und die Handels 
flagge zeigen die gleiche Teilung; erstere führt im 
weißen Mittelfeld das blaugeründerte Landeswap 
pen mit der Königskrone, während diese bei der 
Handelsflagge fehlt. Die Landesfarben Monte 
negros sind: Purpur-Blau-Weiß in wagerechten 
Streifen. Kriegs- und Handelsflagge sind dem 
Landesbanner gleich, nur trügt die Kriegsflagge 
die Initialen des Königs und darüber eine Krone. Rußland 
führt die Landesfarben Schwarz-Orange-Weiß. Die Kriegs 
flagge zeigt ein blaues Andreaskreuz (liegendes Kreuz) auf 
weißem Feld; die Handelsflagge ist dagegen Weiß-Blau-Rot, 
quergestreift. Serbiens Landesbanner hat die Farben Rot- 
Blau-Weiß, quergestreift. In der Türkei gelten Rot und Grün 
als Landesfarben. Die Kriegsflagge trügt in Rot einen sil 
bernen Halbmond und einen fünfstrahligen silbernen Stern. 
Die Handelsflagge ist Rot-Grün-Rot, quergestreift. 
Die Marschleistungen deutscher Truppen- 
Der deutschen Heeresverwaltung ist dis höchste An 
erkennung dafür gezollt worden, daß sie es zu Anfang des 
Krieges rechtzeitig fertiggebracht hat, den gefährdeten rechten
	        
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