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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15.
militärische, der Versuch der Zerstörung der unbedeutenden
Munitionsfabrik in Karlsruhe, kaum in Rechnung ZU stellen ist.
An der leicht zu erkennenden Munitionsfabrik wurde
lediglich ein Baugerüst beschädigt, die Fabrik aber trotz
des gefälligen Zieles, das sie den Fliegern bot, nur ganz
nebenbei mit Bomben bedacht. Der Hauptangriff galt
auch nach dem amtlichen französischen Bericht dem Residenz-
schloß in Karlsruhe. Es kann kein Zweifel darüber bestehen,
daß die Franzosen von der Anwesenheit nicht nur der ehr
würdigen Groszherzogin Luise, sondern auch der Königin
von Schweden im Schloß genau unterrichtet waren und
daß geradezu ein Attentat auf die Königin von Schweden,
der man unerschütterliche Deutschfreuudlichkeit nachrühmt,
beabsichtigt war. Die böse Absicht, die selbst von so un
zweifelhaft dreiverbandsfreundlichen Stockholiner Blättern
wie „Dagens Nyhetter" scharf verurteilt wurde, mißlang
zum Glück. Aber immerhin forderte der verbrecherische An
schlag unter der Karlsruher Bevölkerung das Opfer von gegen
80 Verwundeten und Toten. Auch dieses Flugzeuggeschwader
konnte nur unter schweren Verlusten nach Frankreich zurück
kommen. Eins der Fahrzeuge wurde von unseren Kampfflug
zeugen aus der Luft heruntergeholt; die Insassen waren tot.
Ein anderes wurde bei Schirmeck zum Landen gezwungen,
ein drittes endlich wurde auf Schweizer Gebiet abgetrieben
und zur Notlandung veranlaßt, die Insassen festgenommen.
Die Verteidiger der deutschen Westfront haben mit den
Monaten Mai und Juni die allerhärteste Zeit des ganzen
Krieges hinter sich. Während die Kameraden im Osten
von Sieg zu Sieg eilen durften, mußten unsere Feldgrauen
im Westen die ganze schwere Not des denkbar schwersten
Artilleriefeuers in ihren Schützengräben über sich herein
brechen lassen, konnten nicht voran und wollten und durften
nicht zurück. Wahrlich, sie hatten ein weit härteres Los,
als die als Helden in die Geschichte übergegangenen mutigen
Verteidiger des Engpasses der Thermopylen, die unter
Leonidas einer Übermacht lange Zeit standhielten und ein
mütig für ihr Vaterland starben. Die noch heldenhaftere
Ausdauer unserer Kämpfer im Westen, die ebenfalls
hielten, was sie hatten, oder mutvoll ihr Leben ließen,
trug den schönen Lohn davon, daß die deutsche Mauer im
Westen unerschüttert blieb in dem Augenblick, als der Feind
übermächtig und die Zahl der Verteidiger klein war. Aber
sie ist nicht schwach gewesen. Sie hat heldenmütig das Un
mögliche geleistet: unsere Stellung im Westen ist nicht nur
unerschüttert, sondern an vielen Punkten mehr gestützt und
gestählt als zuvor. (Fortsetzung folgt.»
Illustrierte Kriegsberichte
Die Eroberung von Stryj.
(Hierzu die Bilder Seite 27, 28 und 29.)
Nach der Erstürmung des Zwinin und Ostry im April hielt
die deutsche Südarmee unter General v. Linsingen weiter
treue Wacht an den Kar
pathen zwischen den öster-
reichisch-ungarischenArmeen
vom Üzsoker Patz westlich und
den Verteidigern der Buko
wina, der gleichfalls rühm
lich bekannten Armeegruppe
Pflanzer-Baltin. Als dann
der Durchbruch bei Eorlice
auch die gesamte russische
Karpathenfront vom Dukla-
bis zum Uzsoker Paß ins
Wanken gebracht hatte, stieg
General v. Linsingen mit
seinen Truppen in das vor
gelagerte Hügelland nieder,
um das wertvolle Petro
leumgebiet Drohobycz-Bo-
ryslav und den wichtigen
Eisenbahnknotenpunkt Stryj
(siehe auch Seite 7 unten)
von den russischen Eindring
lingen zu befreien. Diese
Stadt, nach dem verheeren
den Brande in den acht
ziger Jahren neu aufgebaut,
zählte bei Kriegsausbruch
rund 25 000 Einwohner.
Von hier laufen fünf Eisen
bahnlinien aus, nämlich nach
Lemberg, nach Sambor,nach
Munkacz, über Kalusz nach
Stanislau und über Cho-
dorow nach Tarnopol, welch
letztere drei wichtige, von
Lemberg nach Osten füh
rende Linien kreuzt. Darum
suchten die Russen den Ort
mit allen Kräften zu halten
und hatten ihn während der
letzten sechsMonate geradezu
meisterhaft zur Verteidigung
ausgebaut. Breite Drahtverhaue mit über zwei Meter hohen,
lief in Beton eingelassenen Eisenpfühlen und zahllose kunstvoll
angelegte Schützengräben durchzogen das Gelände vor der
Stadt; ebenso waren wieder sorgsam ausgewählte Zwischen
stellungen vorgesehen für den Fall, daß die Vorstellungen
durchbrochen werden sollten. Auch warfen sie beträchtliche,
gut ausgerüstete Verstärkungen in die Stadt. Ende Mai
schlug der bayerische Korpsstab der zum Angriff hier an
gesetzten, meist preußischen Truppen sein Quartier in Skole
am Oporfluß auf. Von einem Hügel, 15 Kilometer weiter
nordöstlich und ebensoviel von Stryj entfernt, hatte man
bei halbwegs günstigem Wet
ter vortreffliche Aussicht über
das Gelände bis an den Hori
zont. Nach längerer Artille
rievorbereitung setzten die
Flügelgruppen zum Angriff
ein, der sich besonders für den
linken, aus einer deutschen
und einer Honved-Brigade
bestehenden Flügel wegen
derzahlreichenWaldbestände
sehr mühevoll gestaltete. Die
Division unmittelbar vor
Stryj durfte wegen der un-
gemein festen feindlichen
Stellungen in der Richtung
auf Bolechow einen fron
talen Vorstoß zunächst nicht
wagen. Am 31. Mai aber
konnte der endgültige Schlag
erfolgen. Vier Uhr morgens
gab ein Schuß aus einem
österreichisch - ungarischen
Mörser das Zeichen für die
bereitgestellte Artillerie, die
nun zwei Stunden lang die
feindlichen Stellungen be
schoß. Schlag sechs Uhr ver
stummte die Artillerie, und
nun brachen die deutschen
Linien — Garde, Ostpreu
ßen und Pommern — zum
Sturm vor. Ihrem schallen
den Hurra, ihren blitzenden
Bajonetten hielt der Feind
nicht lange stand; in Zügen,
in Kompanien ergaben sich
die vordersten. Wohl setzte
nun die russische Artillerie
nochmals mit aller Wucht ein
und trieb sogar den deutschen
Divisionsstab aus dem Bahn
haus von Koniuchow, wodurch eine Zeitlang alle telephoni
schen Verbindungen unterbrochen wurden. Trotzdem wurde
der Angriff gerade hier mit bewundernswerter Todesverach
tung vorwärts getragen. Man nahm trotz verzweifelter russi
scher Gegenstöße auf die linke Nebendivision Erabowice, dann
Holobutow, das eine wahre Erdfestung war, und Zawadow,
Hofphot. H. Siemsseu, Augsburg.
Generalleutnant Ritter v. Kneußl,
der Führer der bayerischen Truppen bei dem Sturm auf Przemysl, erhielt vom
Deutschen Kaiser außer dem Roten Adlerorden 2. Klasse mit Eichenlaub und Schwer
tern den Orden Pour le Mörite und vom Kaiser von Österreich die hohe Kriegs
auszeichnung des Ordens der Eisernen Krone 1. Klasse mit der Kriegsdekoratiou.