Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. DritterBand. (DritterBand)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
der Gegend von Ripanj neue Kämpfe, südlich der Linie 
Lucica—Bozevac mussten die Serben wieder weichen, ferner 
drangen österreichisch-ungarische Truppen auf Sabac vor. Die 
Bulgaren erzielten einen Haupterfolg mit der Wegnahme des 
Sultan Tepe, eines beherrschenden Berges südwestlich Egri 
Palanka. Bei dem Vormarsch auf Kumanovo machten sie 
2000 Gefangene und eroberten ferner 12 Geschütze. Durch 
rasches Zufassen waren sie in Besitz des genannten Berges 
gekommen, der die höchste Erhebung der Ossogooska Planina 
ist, soweit dieser mächtige, über 2000 Meter hohe Bergzug 
auf serbischem Boden liegt. Nach Westen fällt der Berg 
auf das Schlachtfeld früherer Zusammenstöße Ovtsch-Polje 
ab, an dessen südwestlichem Rand der Wardar vorbeifließt. 
Damit waren die Bulgaren im Besitz des strategisch 
wichtigsten Teils von Mazedonien. Sie rückten auch in den 
Städten Jstip und Radovista ein. Am 21. Oktober schon 
konnten sie berichten, daß Kumanovo selbst und Veles von 
ihnen genommen sei. Südlich der Strumica hatten sie 
ferner den Feind über den Wardar geworfen. Damit hatten 
sie noch weitere Strecken der Salonikibahn in ihren Besitz 
gebracht. Außerdem bedrohten sie jetzt den großen serbi 
schen Platz llsküb, von dem aus Kumanovo im Norden liegt 
und Veles im Süden (siehe die Vogelschaukarte Seite 381). 
Sie bedrohten auch die starke Festung Pirot, an deren 
Hauptwerke sie östlich bis auf Schußweite herangerückt 
waren. Die Gesandten der Vierverbandsmächte hielten es 
deshalb für geraten, sich von Nisch, für das Pirot der 
Schlüssel ist, nach Kraljevo zu begeben. 
Die in Saloniki gelandeten Truppen machten sich bisher auf 
dem serbischen Kriegschauplatz immer noch nicht bemerkbar, 
dafür griff der Vierverband zu einem grausamen und völker 
rechtswidrigen Mittel, um die Bulgaren zu schrecken oder 
auch nur aus ohnmächtigem Rachegefühl über deren Erfolg. 
Englische Schiffe eröffneten auf die bulgarischen Hafenstädte 
Dedeagatsch und Porto Lagos ein Bombardement schwerster 
Art. Am 22. Oktober begannen sie damit und vernichteten 
besonders das eben im Aufblühen begriffene Dedeagatsch 
schier bis auf das letzte Haus, ohne auch nur den min 
desten militärischen Vorteil dabei zu erzielen. Denn die 
Bulgaren hätten ihnen dort eine Landung unmöglich ge 
macht. Es war lediglich der Wille zur Zerstörung, der 
Wunsch, die Bulgaren den Krieg dort fühlen zu lassen, der 
die Engländer im Verein mit ihren Verbündeten zu der 
Schießerei veranlaßt haben konnte. 
Die Ereignisse auf dem eigentlichen Kampfplatz wurden 
natürlich durch die Beschießung der offenen Hafenstädte 
nicht beeinflußt. Während die Bulgaren mit so großem 
Erfolg von Osten weiter in Serbien eindrangen, setzten die 
Armeen Kövesz und Eallwitz die Angriffsbewegung von 
Norden her trotz der erbitterten Gegenwehr der Serben mit 
Erfolg fort. Wo die Serben sich auf den natürlichen Schutz 
der Ströme, der Geländegestaltung und der Befestigungen 
verlassen hatten, da rückten die genannten Armeen nun ver 
eint in breiter Front unaufhaltsam nach Süden vor und 
drückten die Verteidiger Zug um Zug vor sich her. v. Eallwitz 
erreichte jetzt die Nähe von Palanka und Petrovac, die 
Armee Kövesz griff gegen das Hügelland von Kormaj nörd 
lich von Velki-Sopot an. Am 25. Oktober gelang ihnen die 
Erstürmung dieser Stellung. Die Armee Gallwitz warf den 
Gegner östlich der Morava aus seinen Stellungen in der 
Linie Aleksandrovac—Orljevo und machte dabei 600 Ge 
fangene. Die Bulgaren gewannen die Städte Negotin und 
Rogljevo und standen östlich und südöstlich von Knjazevac 
in fortschreitendem Angriff. Südöstlich von Pirot, das die 
Serben mit größter Zähigkeit verteidigten, wiesen sie ser 
bische Gegenangriffe machtvoll zurück. Bei Orsova nahmen 
deutsche und österreichisch-ungarische Truppen sodann eine 
Gruppe von Bergstellungen am Donauufer und erstürmten 
das Fort Elisabeth bei Tekia. Die serbische Front wurde 
dort an so vielen Punkten zersprengt oder erschüttert, 
daß sich die Verteidiger auch hier zum schleunigen Rück 
zug nach Süden entschlossen. 
Auch an der Drina kam die serbische Stellung ins Wanken. 
Bei Visegrad warfen österreichisch-ungarische Truppen die 
Serben von den Höhen des Ostufers herab. Die Bulgaren 
befanden sich in diesem Augenblick schon im Kampfe um 
die große Stadt Usküb und eroberten den größten Teil. 
Auch um den Besitz der Stadt Knjazevac waren erfolg 
versprechende Kämpfe im Gange. Am 23. abends war 
llsküb vollständig erobert. Ferner erbeutete die so ruhm 
reich vorschreitende Armee Bojadjeff in Prahovo an der 
Donau nordöstlich von Negotin ein feindliches Munitions 
lager und gelangte halbwegs Zajecar—Knjazevac in den 
Besitz des westlichen Timokufers. Den Serben blieb nach 
dem Fall von llsküb nur noch der Rückzugsweg nach Nord 
albanien und Montenegro offen. Aber auch dieser Weg 
wurde schon bedroht durch dfe Vorgänge bei Visegrad, 
wo sich der Drinaübergang der Österreicher und Ungarn 
vollzog. 
Auf die serbischen Staatsmänner wirkten diese Vorgänge 
zum Teil so entmutigend, daß selbst im serbischen Kronrat 
die vom Thronfolger vertretene Meinung Widerhall fand, 
man müsse mit den Zentralmachten und Bulgarien zur Ret 
tung des Reiches sobald wie möglich Frieden schließen. Sie 
fand unter anderen auch Beifall bei dem Woiwoden Putnik, 
dem serbischen Höchstkommandierenden. Dieser ging schließ 
lich so weit, den Oberbefehl über die serbische Armee aus 
Gesundheitsrücksichten niederzulegen. Er verhehlte aber nie 
mand den wahren Grund, daß er den Oberbefehl als Sol 
dat nicht mehr behalten könne, weil ein Widerstand gegen 
die Gegner Serbiens bei dem Ausbleiben jeder Hilfe seitens 
der verbündeten Mächte militärisch nicht mehr zu verant 
worten sei. 
Der 24. Oktober brachte auf der ganzen Front der nach 
einem gemeinsamen Plane kämpfenden Heere wieder Stürme 
und trotz allen Widerstandes Fortschritte. Der gewonnene 
Brückenkopf bei Visegrad wurde erweitert. Westlich der 
Kolubara gelang die Erzwingung des Überganges über die 
Tamnava nordwestlich von Ub. Die Armee Kövesz erreichte 
die allgemeine Linie Lazarevac—Rabrovac, die vor Arangje- 
lovac noch ein klein wenig nach Norden ausbog. v. Gallwitz 
stürmte südlich der Jasenica die beherrschenden Höhen östlich 
von Banicina und gewann kämpfend die in der Morava 
ebene gelegenen Orte Livadica und Zabari. Bei Orsova 
drangen die übergegangenen Truppen nun auch weiter 
südlich vor und erreichten mit ihrem linken Flügel Sip an 
der Donau. Die Armee Bojadjeff eroberte den Kamm 
zwischen den Gipfeln Drenovaglava und denen des Mikrovac. 
Damit befanden sie sich 20 Kilometer nördlich von Pirot. 
Die Russen machten in diesen Tagen einen Versuch zur 
Vorbereitung von Truppenlandungen an der bulgarischen 
Küste des Schwarzen Meeres. Sie versuchten zunächst eine 
Einleitung durch eine Beschießung mit Schiffsgeschützen vor 
Varna und Burgas. Als aber durch Treffer bulgarischer 
Geschütze oder Ii-Boot-Torpedos zwei russische Linienschiffe 
sanken, zog die russische Flotte ab, ohne daß es zu eigentlichen 
Landungsunternehmungen gekommen wäre. Am 24. er-> 
oberten die Bulgaren noch Negotin und den Donauhafen 
Prahovo. Ihre Beute betrug: Ein Verpflegungsmagazin, 
20 Wagen mit Kriegsmaterial, 1 Offizier und 270 Mann. 
Die Deutschen stellten am 25. Oktober fest, daß von ihnen in 
den letzten drei Tagen 960 Serben gefangen worden waren. 
Am 26. Oktober war wieder ein so merklicher Fortschritt 
auf der ganzen Linie der Verbündeten zu verzeichnen, daß 
eine baldige Vereinigung der Bulgaren und der Truppen 
der Mittelmächte in ganz nahe Aussicht gerückt erschien. In 
der Tat erfolgte die ersehnte Verbindung schon am 27. Ok 
tober. Das weltgeschichtliche Ereignis vollzog sich in Kla- 
dovo. Dieser Ort war in die Hand der Orsovagruppe ge 
fallen, die dort 12 schwere Geschütze und große Vorräte an 
Munition, Verpflegungs- und Bekleidungsmitteln vorfand. 
Nach Kladovo schlug sich eine aus dem Raum von Negotin 
abgesandte Patrouille des bulgarischen Ulanenleutnants 
Gadjeff durch, dessen Name für alle Zeiten mit dem welt 
geschichtlichen Vorgang verbunden sein wird (siehe das Bild 
Seite 389). Er und der Führer einer gleichzeitig abge 
sandten Patrouille, der auch in Kladovo einrückte, Leut 
nant Tanakieff, erhielten noch an demselben Abend von 
dem in Kladovo anwesenden Herzog Adolf von Mecklen 
burg das Eiserne Kreuz überreicht. Das erste Auftauchen 
der Bulgaren löste bei den Deutschen, Österreichern und 
Ungarn in Kladovo einen unbeschreiblichen Jubel aus. 
AIs ein Honvedoberst den gewaltigen Lärm auf der Straße 
hörte und hinausschaute, sah er einen bulgarischen Offi 
zier die Straße heraufreiten, der „Esten, Esten", den unga 
rischen Hochruf, ausstieß. Der Oberst sprang hinaus und 
konnte vor freudiger Erregung nicht sprechen. Die Offi 
ziere umarmten und küßten sich, und vor Freude kamen 
ihnen die Tränen. Die Mannschaften stellten sich alle an 
der Donau auf und sangen „Heil dir im Siegerkranz", „Gott
	        
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