Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. DritterBand. (DritterBand)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
Da gelang es einem Engländer namens Abel, die Schieß 
baumwolle zu einer Art dünnen Papiers zü, verdichten, 
indem er sie in einen Brei verwandelte und dann durch 
hydraulische Pressen die gefährlichen Säurereste verdrängte. 
So erhielt man ein Sprengmittel, das wenigstens nicht schon 
beim kleinsten Stoß explodierte und sich infolge seines 
äußerst schnellen Verbrennens bei der Explosion, der so 
genannten „Brisanz", doch für Minen und Artilleriegeschosse 
vorzüglich eignete. 
Als nun vollends Mitte 
der achtziger Jahre des vo 
rigen Jahrhunderts der 
französische Chemiker Vieille 
das jetzt noch gebräuchliche 
rauchschwache Pulver an die 
Öffentlichkeit brachte, war 
die Glanzzeit der Schieß 
baumwolle gekommen, denn 
das neue Pulver war nichts 
anderes als in dünnen Plat 
ten ausgewalzte, gehärtete 
Schießbaumwolle, die in 
kleine Plättchen geschnit 
ten war. 
Das Bestreben, neue, 
bessere Mittel zu finden, 
veranlaßte die Chemiker, 
auch andere kohlenstoffhal 
tige Körper mit Salpeter 
säure zu behandeln (zu „ni 
trieren"). Dabei entdeckte der Italiener Sobrero in Pe- 
louges Laboratorium in Paris im Jahre 1847 einen neuen 
Stoff, das Nitroglyzerin, eine Vereinigung von konzen 
trierter Salz- und Schwefelsäure mit Glyzerin, das jedoch 
wegen seiner gefährlichen Eigenschaften noch wenig Be 
achtung fand. Erst als es 1864 dem berühmten schwe 
dischen Chemiker Alfred Nobel, dem Stifter des nach ihm 
benannten Preises, gelang, Nitroglyzerin mit Holzgeist 
(Methylalkohol) 311 mischen und so die hohe Empfindlich 
keit etwas zu schwächen, fand es unter dem Namen Nobels 
Sprengöl besonders in der Abdeckung der Erde Eingang. 
man die Sprenggelatine. Das daraus hergestellte Nitro 
glyzerinpulver wird im allgemeinen als Treibmittel für die 
schweren Geschosse verwendet. 
Eine andere Art von Sprengmittel ist die Pikrinsäure 
oder das Trinitrophenol, das zwei Jahrzehnte lang in allen 
Staaten zum Füllen von Granaten und so weiter diente. 
Es ist dies das bekannte Desinfektionsmittel Karbolsäure 
oder Phenol, das, mit starker Salpetersäure behandelt, einen 
goldgelben Brei ergibt, der 
lange Zeit auch als Farb 
stoff gebraucht wurde und 
als Spreng- und Schießprä 
parat weit widerstandsfähi 
ger ist als alle vorhergenann 
ten Mittel. Doch verschie 
dene Umstände schließen die 
Pikrinsäure von dem all 
gemeinen Gebrauch aus, 
vor allem ihre leichte Lös 
lichkeit in Wasser, die eine 
beschränkte Anwendung bei 
Seeminen und Torpedos 
mit sich brachte. Der Haupt 
grund, der die Staaten ver 
anlaßte, Mittel zu suchen, 
die die gleichen Vorteile 
boten wie die Pikrinsäure, 
doch ohne deren Nachteile, 
war die Vergrößerung der 
Geschützkaliber. Der Gas 
druck, der das Geschoß treibt, hätte auch die Pikratpulver 
füllung zur Explosion gebracht und dabei das Geschütz mit 
seiner ganzen Umgebung zertrümmert. 
Man verwendet deshalb das zu den Benzol-Kohlen 
wasserstoffen gehörige Toluol, ein Teilprodukt des Stein 
kohlenteers oder des Benzols, das in Wasser unlöslich ist. 
Mit starker Salpetersäure behandelt, ergibt es das Trinitro- 
toluol, das fast alle Vorteile des Pikratpulvers zeigt, von 
seinen Nachteilen aber frei ist. Daß es sich auch tatsächlich 
bewährt hat, wird unter anderem durch die schnelle Er 
oberung Belgiens und die gründliche Zertrümmerung 
Vorbereitung zum Konzert hinter der Front im Osten. ' 
Unterstand für Offiziere und deren Burschen rn der Nähe von Bialaszewo bei Ossowez. 
Nach photographischen Ausnahmen von L. u. A. Schaut in Hamburg. 
Doch furchtbare Explosionen, durch die auch Nobels eigene 
Fabrik zugrunde ging, schreckten immer wieder vor seiner 
Anwendung zurück. I 
Da kam 1866 eine neue Erfindung jenes hervorragenden 
Chemikers wie ein rettender Engel. Er hatte im Kieselgur 
einen Stoff gefunden, der das Sprengöl begierig aufsog und 
das fast gefahrlos zu handhabende und doch äußerst spreng- 
kräftige Dynamit ergab, das bei gleichem Gewicht die Schieß 
baumwolle um das Dreizehnfache an Wirkung übertraf. 
Jedoch dem unermüdlichen Chemiker Nobel war die 
Mischung mit Kieselgur noch lange nicht gefahrlos genug, 
und so mischte er 1875 neun Teile Nitroglyzerin mit einem 
Teil auf besondere Art hergestellter Schießbaumwolle, der 
sogenannten Kollodiumwolle, die früher auch in der 
Photographie Verwendung fand. Diese Mischung nennt 
seiner Festungen bewiesen. — Alle diese Sprengmittel er 
fordern nun ein Zündmittel. Als solches wird fast aus 
schließlich das Knallquecksilber oder Howardpulver verwendet, 
das schon 1799 von dem Engländer Howard entdeckt wurde. 
Die Herstellung geschieht in der Weise, daß Quecksilber er 
wärmt .und starke Salpetersäure hinzugegossen wird, wobei 
man noch 96 Prozent Alkohol zuseht. In getrocknetem 
Zustand explodiert dieses Präparat schon bei mäßigem 
Schlag oder Erwärmung. 
Wir haben nun in einer kurzen Zusammenfassung alle 
die furchtbaren Mittel kennen gelernt, die Tausenden unserer 
besten Leute den Tod entgegenschleudern. Doch hat die Vor 
aussicht dieser Wirkungen unsere „zivilisierten" Nachbarn 
nicht gehindert, die Verantwortung für den gegenwärtigen 
Krieg auf sich zu laden.
	        
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