Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15.
Dem Vordringen der Deutschen in der Linie Smor-
gon—Wischnerv, westlich von Saberesina—Djeljatitschi, an
der Einmündung der Beresina in den Njemen, setzte die
mittlere Hauptgruppe der Russen noch heftigen Widerstand
entgegen. Dennoch sah sich der Feind sowohl im Norden
als auch im Süden schon wieder Erfolgen der deutschen
Heere gegenüber, die eine Flankengefährdung befürchten
liehen. Die Russen unternahmen deshalb am 25. September
heftige Vorstöße gegen die flankierenden Teile der Armee
Eichhorn bei Wilejka. Östlich des Ortes wurden ihre An
griffe entscheidend abgewiesen, westlich blieben sie in
heftigem Kampf mit den standhaltenden Deutschen. Auf
der Front zwischen Smorgon und Wischnew drangen diese
bereits an mehreren Stellen in die feindliche Front ein.
Nordwestlich von Saberesina muhten die Russen nunmehr
vor dem deutschen Angriff über die Beresina zurückweichen.
Bei Djeljatitschi und Ljubotscha wurde der Njemen erreicht.
900 Gefangene und 2 Maschinengewehre blieben in deutscher
Hand. Die Heeresgruppe Leopold von Bayern drängte
den Gegner ebenfalls weiter zurück und machte 550 Ee-
schnellen deutschen Vormarsches einiger Tage bedurft hatte^
um es festzustellen. Das Ergebnis betrug an Gefangenen
und Material: 70 Offiziere, 21 908 Mann, 3 Geschütze,
72 Maschinengewehre und zahlreiche Bagage, die der Feind
auf seinem eiligen Rückzüge in dem Besitz der schnell
nachkommenden Deutschen lassen muhte. Am 28. wurde
Dünaburg wieder fester angefaßt, und auch zwischen
Smorgon und Wischnew schritten die Deutschen weiter
siegreich vor. Die Kavallerie der Armee Eichhorn aber,
die durch eine äußerst kühne und wirkungsvolle Flanken
bewegung dem Zentrum zum Siege verholfen hatte, wurde
nach erfüllter Aufgabe von Wilejka zurückgezogen. Der
Feind hinderte sie bei diesem Unternehmen nicht. Als aber
russische Kolonnen unvorsichtig westlich von Wilejka vorzu
dringen suchten, wurden sie durch deutsches Artilleriefeuer
zersprengt.
Die Ruhe in den letzten Tagen des September an der
Ostfront der deutschen Heere empfanden auch die Gegner
der verbündeten Zentralmächte als neue Stille vor dem
Sturm. In seinem Gesamtergebnis an deutschen Erfolgen
Phot. A. Grohs, Berlin.
Deutsche Proviantkolonne begibt sich durch eine gänzlich zerstörte russische Ortschaft zur Front, um den kämpfenden Truppen neue Lebensmittel
zu bringen.
fangene. Am nächsten Tage war die Säuberung des west
lichen Njemenufers bis Schtfcheressy sowie des westlichen
Serwetfch-und Szczaraufers fast völlig gelungen; nur östlich
von Baranowitschi hielt der Feind noch kleine Brücken
köpfe. An der Südwestfront von Dünaburg gelang die Er
stürmung weiterer russischer Stellungen, bei der dem Gegner
1300 Gefangene und 2 Maschinengewehre abgenommen
wurden. Am 27. September wurde der Feind an der Süd
westfront von Dünaburg abermals Zurückgeworfen. Auch
südlich von Smorgon kamen die Deutschen gut voran und
durchbrachen unter Erbeutung von 24 Offizieren, 3300 Mann
und 9 Maschinengewehren nordöstlich von Wischnew die
feindliche Stellung. Beide Ereignisse waren Anzeichen da
für, daß die deutsche Flankierungsbewegung in der neuen
Schlacht Wilna—Minsk am Nordflügel der russischen Ar
meegruppe guten Fortgang nahm. Die Heeresgruppe
Leopold von Bayern endlich vertrieb den Feind unter Weg
nahme von 350 Gefangenen aus den Brückenköpfen bei
Baranowitschi. Das Beuteergebnis der ersten Schlacht
bei Wilna, die zum Zurückwerfen des Feindes bis über
die Linie Narocz-See—Smorgon—Wischnew geführt hatte,
konnte erst jetzt mitgeteilt werden, weil es infolge des
reihte sich der September den vorhergehenden Zeitabschnit
ten würdig an. Er brachte den Heeren, die oft unter
Mangel am Nötigsten, abgesehen von Brot und Munition,
in immer neuen Gefechten, vor immer wieder neuen
natürlichen Hindernissen den Feind abermals weit über
100 Kilometer vor sich herjagten, die stattliche Beute von
37 Geschützen, 296 Maschinengewehren und 95 000 Gefan
genen. Wie vernichtend die deutschen Angriffe der letzten
Monate auf Rußlands Vorrat an Kriegsmaterial gewirkt
haben müssen, dafür bot die Bekanntmachung der Beute
von Kowno und Nowo-Georgiewsk im deutschen Tages
bericht vom 18. September noch ein sprechendes Zeugnis.
Nach der damals abgeschlossenen Feststellung betrug die
Beute in Nowo-Georgiewsk 1640 Geschütze, 23 219 Ge
wehre, 103 Maschinengewehre, 160 000 Schutz Artillerie
munition, 7 098 000 Gewehrpatronen. Die Zahl der bei
Kowno erbeuteten Geschütze stieg auf 1301. Durch diese
Mitteilungen wurde der unerhörte Umfang der Nieder
lagen von Kowno und Nowo-Georgiewsk (siehe auch
Seite 246, die Kunstbeilage und das Bild Seite 310) selbst
für den Gegner unbestreitbar.
< Fortsetzung solgt.j