Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. DritterBand. (DritterBand)

274 
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
auf dem in Flammen stehenden Bahnhof und besonders auch 
vor dem verschanzten Barackenlager am Nordrand des Platzes. 
Mit dem Bajonett säuberte das Regintent die Stadt in 
uneindämmbarem Siegeslauf. In den Abendstunden war 
der Handstreich glücklich bis zum Ende durchgeführt. Der 
österreichisch-ungarische Tagesbericht konnte am 1. September 
stolz verkünden: „Die Festung Luzk ist seit gestern in unserer 
Hand. . . Die Stadt ist vom Feinde gesäubert. Der 
Gegner zieht sich gegen Süden und Südosten zurück." Un- 
gemein reichliche Proviant- und Munitionsvorräte, die die 
Russen in der Eile nicht mehr hatten fortschaffen können, 
fielen den Siegern in die Hände, ebenso sechs unbeschädigte 
Lokomotiven und bedeutendes Wagenmaterial. 
Schon am 3. September wurde in Wien eine weitere 
Nachricht bekanntgegeben, in der auch von den der Ein 
nahme folgenden Kämpfen berichtet wurde, und schon 
Zu den Kümpfen in Ostgalizien. 
einiges über die strategischen Früchte der Einnahme ver 
lautete: „Durch die umfassende Bewegung des linken 
Flügels der Armee Puhallo fiel der starke Brückenkopf Luzk 
in wenigen Stunden. Die Armee bedroht die einzige Rückzugs 
linie." Die k. und k. Truppen hatten nämlich in breiter Front 
nicht nur bei Luzk, sondern auch südlich davon flußaufwärts 
bis zu den Quellen des Styr den Fluß überschritten. Es war 
das eine ganz prachtvolle Leistung der Führung und der Trup 
pen. Vor allem mußten die Pioniere ihren Scharfsinn und 
ihre technischen Kenntnisse anwenden, um über die Sümpfe, 
in denen versteckte Drahthindernisse, Tretminen, Kontakt 
minen, Stolperdrühte und Wolfsgruben angebracht waren, 
Übergänge zu bauen, die nicht nur die Kampftruppen, son 
dern besonders auch die nachrückenden Kolonnen und Trains 
ohne Verlust über diese Moräste führten und damit den ganzen 
Nachschub auf eine feste Grundlage stellten. Letzteres war 
sogar sehr viel wert in einem Lande, wo man nur schlechte 
Wege, aber fast keine Eisenbahnen zur Verfügung hat. 
Durch dieses weitere Vordringen legten die Truppen 
Hand auf die Verbindungstraßen Luzk—Rowno—Kiew und 
Luzk—Dubno. Gleichzeitig wurde dadurch auch Dubno 
von Westen und Nordwesten bedroht. 
Bemerkenswert ist, was eine Züricher Zeitung am 
3. September schrieb: „Durch den Verlust jenes Festungs 
dreiecks hat Rußland nicht nur sein bestes Ausfalltor 
gegenOsterreich verloren, sondern die Verbündeten haben sich 
auch freie Bahn gebrochen gegen Kiew und in die Ukraine, 
also in das große Brotversorgungsreservoir Rußlands." 
Die Wehrkraft Griechenlands, Rumäniens, 
Bulgariens. 
(Hierzu die Bilder Seite 276 und 277.) 
Das Abkommen der Türkei mit Bulgarien sowie schon 
vorher das viele Monate lange Werben um die neutralen 
Balkanstaaten seitens des Vierverbandes haben 
das Interesse für die militärischen Verhältnisse 
dieser Länder angeregt. Die nachfolgende Zu 
sammenstellung der Wehrkräfte Griechenlands, 
Rumäniens und Bulgariens ist nach den Verhält 
nissen im Sommer 1915 erfolgt. Man darf aber 
nicht außer acht lassen, daß die Zahlen in allen 
solchen Fällen nie ganz zutreffen und eben nur 
ein ungefähres Bild geben können. 
Danach zählt Griechenland mit seinen 
4Vü Millionen Bewohnern ein Friedensheer von 
ungefähr 25 000 Mann, wovon gegen 1900 Offi 
ziere sind. Für den Kriegsfall kommt in Betracht 
die Armee erster Linie mit drei Heereskörpern 
und ihrer zwölf Jahrgänge umfassenden Reserve, 
das sind etwa 82 000 Mann, 6500 Pferde. 8000 
Maultiere und 160 Geschütze. Die Territorial 
armee, mit acht Jahrgängen, zählt nahezu 77 000 
Mann, ihre Reserve 57 000 Mann; aber sie beide 
kommen wohl nur als Ersatztruppen in Frage. An 
militärischen Bildungsanstalten zählt Griechen 
land sechs, unter denen die Artillerie- und Genie 
schule „Evelpides" in Athen genannt werden möge, 
mit fünf Jahrgängen. Die guten persönlichen 
Eigenschaften des griechischen Soldaten sind unter 
dem Regiment König Konstantins gehoben wor 
den, ebenso wie viele Mängel im Heer be 
seitigt und besonders seit dem Jahre 1913 zahl 
reiche Neuerungen eingeführt wurden. Es ist sogar 
geplant, die Heeresverstärkung bis auf 450 000 
Mann zu bringen, wozu die Dienstzeit bereits bis 
zum 50. Jahre hinausgesetzt wurde. Die Flotte 
zählt 4 kleine, abermodernePanzerschiffe, IPanzer- 
kanonenboot, 10 Kanonen-, gegen 30 Torpedo 
boote, 3 Schulschiffe; das Personal umfaßt gegen 
180 Offiziere und gegen 5000 Mannschaften, In 
tendanten, Arbeiter usw. Die Befestigung des 
Landes beschränkt sich auf die wichtigsten Küsten 
plätze; die Werke sind noch immer zum großen 
Teil alt und bieten keinen genügenden Schutz. 
Die dem Hafen Athens, Piräus, vorgelagerte Insel 
Salamis hat eine Flottenstation und ein See 
arsenal. Die Ausgaben für Heer und Flotte be 
laufen sich auf 81 beziehungsweise 18 Millionen 
Mark. 
Die rumänische Wehrmacht ist, abgesehen von der 
Flotte, der griechischen bedeutend überlegen. Es ist unbekannt, 
ob die rumänische Flotte seit 1914 gewachsen ist, damals 
bestand sie nur aus 1 geschützten Kreuzer, je 4 Torpedo 
booten und gepanzerten Donaumonitoren, 1 Unterseeboot 
und 6 ungepanzerten Flußkanpnenbooten. Das rumänische 
Heer aber steht auf einer ansehnlichen Höhe, es ist bei 
durchweg leistungsfähigem und genügsamem Material gut 
organisiert, bewaffnet und ausgebildet. Rumänien hat auch 
ein dem unseren ähnliches Einjährig-Freiwilligen-System; 
wird aber die nach einjährigem Dienst abzulegende Offiziers 
prüfung nicht bestanden, so inuß die Ableistung des Restes 
der gesetzlichen Dienstpflicht erfolgen, die 7 Jahre in der 
aktiven Armee, 10 in der Reserve und 4 in der Miliz beträgt. 
Nach den letzten Rekrutierungsbestimmungen betrug das 
Rekrutenkontingent 42000 Mann zum „permanenten Dienst" 
und 3540 Mann zum „Wechseldienst", der darin besteht, daß 
bei den dafür in Betracht kommenden Truppen sich nur 
ein geringer aktiver Stamm befindet und die dienstpflich-
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.