Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. DritterBand. (DritterBand)

12 
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/13. 
2lrn 9. Mai 1915 bei Bpern gefangen genommene Engländer. 
mit Fahnen und Musikkapellen nach Schönbrunn zum Kaiser. 
Unterwegs wurde beim Kriegsministerium haltgemacht. Die 
deutsche und die österreichische Volkshymne wurden gespielt 
und von der hochbegeisterten Menschenmenge mitgesungen.. 
Unter den Klängen der „Wacht am Rhein" ging es dann 
weiter. 
Auch in Berlin löste die Nachricht freudige Erregung aus. 
Besonders groß aber war der Jubel der Bevölkerung in 
München; waren es doch Bayern, die an der Eroberung 
von Przemysl so tapfer mitgeholfen hatten, und ein Bayer 
war ihr Anführer gewesen. Generalleutnant Paul Kneutzl 
stammt aus Lindau. 1862 als Sohn eines Staatsbeamten 
geboren, ward er 1883 Leutnant, 1892 Oberleutnant, 1897 
Hauptmann, 1904 Major, 1907 Oberstleutnant, 1910 Oberst, 
1912 Generalmajor und während des Krieges General 
leutnant. Durch den bayerischen Eeneralstab hindurch 
gegangen, war er als Stabsoffizier auch Direktor der baye 
rischen Kriegsakademie und zuletzt im Frieden, 1913, Staats 
rat und Stellvertreter des bayerischen Kriegsministers. 
Einen tiefen Eindruck machte der Fall von Przemysl ferner 
auf die neutralen Staa 
ten und die Westmüchte. 
Auf dem Balkan, wo die 
Ententefreundschaft noch 
recht gefährlich für uns 
ihr Unwesen trieb, hatte 
der Fall der Festung eine 
starke Ernüchterung im 
Gefolge. Man mutzte sich 
schlietzlich sagen, datz die 
Sache des Vierverbandes 
als verloren zu betrachten 
sei, denn nach der Er 
oberung von Przemysl 
war die Wiedereinnähme 
von Lemberg nur eine 
Frage kurzer Zeit, und 
dann war es mit der 
russischen Herrschaft in 
Galizien überhaupt vor 
bei. In der Tat wurden 
die Verhandlungen, die 
Bulgarien und Rumä 
nien mit dem Vierver 
band führten, nunmehr 
von seiten jener mög 
lichst verlangsamt. Beide 
Staaten wollen offenbar den Gang der Ereignisse noch 
weiter abwarten, bevor sie einen Entschlutz fassen, um 
immer noch die Freiheit zu haben, sich im geeigneten 
Zeitpunkte für oder gegen den Vierverband zu entschei 
den. In Frankreich und England wirkte der Fall von Prze 
mysl niederschmetternd. Trotz allen beschönigenden Wenns 
und Abers wurde im Grunde genommen doch zugegeben, 
datz der Sieg der verbündeten Zentralmächte wohl das 
Vorspiel zur gänzlichen Zertrümmerung der russischen 
Militärmacht sei. 
In den Schlachten des Monats Mai wurden von den 
unter österreichisch-ungarischem Oberbefehl kämpfenden ver 
bündeten Armeen an Gefangenen und sonstiger Beute ein 
gebracht: 863 Offiziere, 268869 Mann, 251 leichte und 
schwere Geschütze, 576 Maschinengewehre und 189 Muni 
tionswagen. Hierzu kommt noch zahlreiches anderes 
Kriegsmaterial, das zum Beispiel bei einer einzigen der 
Karpathenarmeen 8500 Schutz Artilleriemunition, Mil 
lionen Jnsanteriepatronen, 32000 russische Repetiergewehre 
und 21000 russische blanke Waffen beträgt. (Fortsetzung folgt.) 
Phot. W. Braemcr, BerUu. 
Illustrierte Kriegsberichte. 
Die Erstürmung des Ostry. 
(Hierzu das Bild Seite 9.) 
Am 9. April wurde von deutschen Truppen der Zwinin 
erstürmt, jener hohe Bergrücken bei Tucholka, den die Russen 
nach allen Regeln der Festungsbaukunst für die Verteidigung 
ausgebaut hatten und für vollkommen uneinnehmbar an 
sahen. Run galt es, den südöstlich anschließenden, 1026 Meter 
hohen Ostry zu bezwingen, der nach der treffenden Be 
zeichnung eines Kriegsberichterstatters dort noch „wie ein 
Pfahl in unser Fleisch" ragte. Es trat zunächst eine Pause 
ein, die unter anderem von den Sanitätsabteilungen benutzt 
wurde, den auf dem Zwinin gefallenen Kameraden ein 
würdiges Denkmal zu errichten; auch mutzte man die 
nötigen Nachschübe an Munition, Lebensmitteln und son 
stigem Kriegsbedarf erst abwarten. Darüber wurde aber 
natürlich keine Stunde die Vorarbeit gegen den Ostry 
versäumt. Den hatten die Russen womöglich noch groß 
artiger ausgestaltet als den Zwinin. Mehrfache Ketten 
von Schützengräben waren eingerichtet und mit besten rus 
sischen Truppen, nämlich finnischen Schützenregimentern, 
besetzt; ja selbst für den Fall, datz ihnen ein Teil des 
Berges entrissen würde, waren innere Stützpunkte vor 
gesehen. Im übrigen war der ganze Ostry mit Ma 
schinengewehren geradezu gespickt, nicht gerechnet die Bat 
terien und verschiedene Minenfelder, die Drahtverhaue und 
Wolfsgruben. Trotz allem aber arbeiteten sich die Angreifer 
langsam heran. Sappen um Sappen wurden vorgetrieben, 
Minenstollen gegraben und an ihren Enden gewaltige 
Ladungen zur Erplosion gebracht. Kurz, es entwickelte 
sich dort ein regelrechtes Bild des bis dahin in den Kar 
pathen noch wenig geübten, an der Westfront seit Mo 
naten wohlbekannten Stellungskampfes. So ging es bis 
zum 24. April. An diesem Tage setzte um zehn Uhr vor 
mittags bei den verbündeten Truppen ein gewaltiges Feuer 
auf die etwa einen Kilometer lange feindliche Höhe ein, 
aus sämtlichen Rohren: zwei schwere und zwei leichte Hau 
bitzenbatterien im Westen, je eine Eebirgshaubitzen- und 
eine Gebirgskanonenbatterie im Süden, ferner die großen 
Bethune —» 
" oLa Bassee 
p Vermeil es 
Lens 
°5ouchez 
o SaiUy 
’LHle 
Carency \ 
0 hseuville 
lMrras 
Erläuterung: 
mmsm Stellung. 
» Einheitlich er Angriff. 
—Selbständige Angriffe. 
Massstab: 
Karte zu den Maikämpfen an der Westfront.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.