Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. DritterBand. (DritterBand)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
diesem Tage über die Bahn Bialystok—Brest-Litowsk weiter 
östlich vorkam, erhöhte seine Eefangenenzahl aus den beiden 
letzten Tagen auf 13 Offiziere und 3550 Mann. Am 23. Au 
gust fiel als Folge des deutschen Vorgehens auf der ganzen 
Front die Festung Ossowiec (siehe die Bilder Seite 246 
und 247) am Bobr. Hier war schwere deutsche Artillerie 
zum erstenmal am 28. September 1914 in Erscheinung 
getreten. Hindenburgs an den Masurischen Seen siegreich 
gewesene Truppen pochten damals an die Tore der 
Festung, die den llbergang über den Bobr an einer strategisch 
wichtigen Stelle zu decken hatte. Seit dieser Zeit ist 
die Festung sowohl von deutscher als auch von russischer 
Seite wiederholt in den Berichten erwähnt worden. Der 
Zar hat sie besucht und der Besatzung bei dieser Gelegenheit 
eine aufmunternde Ansprache gehalten. Nach der Winter 
schlacht in Masuren, die Ostpreußen das zweite Mal von den 
Russen befreite, erschienen die Deutschen wieder vor der 
kleinen Festung, und nun 
wurden ihre Werke nach 
denMeldungen englischer 
Berichterstatter durch die 
Geschosse der großen deut 
schen Mörser geradezu 
„umgepflügt". Ossowiec 
hielt aber trotz allem 
stand,' zwar nicht wegen 
der meisterhaft ange 
legten Feldstellungen und 
Werke, die die Russen 
als Ersatz für die zer 
störten Forts gebaut hat- 
teNc sondern wegen seiner 
Lage in dem völlig ver 
sumpften Gelände. Ein 
Sturm hätte wohl mit 
Erfolg betrieben werden 
können, aber entweder 
nur unter großen Opfern 
oder nach langwierigen, 
gerade dort sehr schwie 
rigen technischen Vorbe 
reitungen. Die deutsche 
Heeresleitung ließ des 
halb diese nicht unbe 
dingt nötige Festung vor 
läufig liegen und be 
mühte sich auch nicht um 
sie, als die Juliangriffe 
gegen die ganze russische 
Front angesetzt wurden 
und eine Rarewfestung 
nach der anderen über 
rannt wurde. Die Russen 
glaubten schließlich, daß 
der Festung Ossowiec 
eine ganz besondere Ver 
teidigungskraft innewoh 
nen müsse und waren 
sehr stolz darauf. Der 
Fall Kownos und die 
sich anschließenden deutschen Vorstöße brachten die Gefahr 
einer Umzingelung von Ossowiec aber so nahe, daß sich den 
Russen endlich doch die Notwendigkeit einer schleunigen 
Räumung aufdrängte. Die oben berichteten Kämpfe bei 
Tykozin, die einige Tage lang die Bahnlinie schützten, die 
Ossowiec mit Bialystok verbindet, hatten nur den Zweck, 
die schon viel zu lange hinausgezögerte Räumung von 
Ossowiec unter schwersten Opfern überhaupt noch zu er- 
inöglichen. Die Besetzung von Ossowiec durch die Deutschen 
sicherte die Unternehmungen der ostwärts vorstoßenden 
Armeen und ermöglichte diesen den ungestörten Ausbau 
ihrer rückwärtigen Verbindungen. 
Bei den Kämpfen östlich und südlich von Kowno erbeu 
teten die deutschen Truppen in harten Zusammenstößen 
am 23. August 8 Maschinengewehre und 2600 Mann. Die 
hier kämpfende Armee des Generals v. Eichhorn drang auch 
am nächsten Tage weiter siegreich nach Osten vor und gewann 
neue 1850 Gefangene und mehrere Maschinengewehre. Die 
Armee des Generals v. Scholtz überschritt nunmehr südlich 
von Tykozin den Rarew. v. Gallwitz erzwang an der Straße 
Sokoly—Bialystok den Rarewübergang und gelangte mit 
seinem südlichen Flügel bis an die Orlanka. Dabei machte 
er 4700 Mann, 18 Offiziere zu Gefangenen und erbeutete 
9 Maschinengewehre. 
Am 25. August näherten sich die Deutschen der Festung 
Olita. Schon am nächsten Tage wurde sie von den Russen 
geräumt und von den Deutschen besetzt. Die Russen blieben 
auch an den Tagen darauf auf der ganzen Front vor den 
Hindenburgischen Armeen in eiligem Rückzüge, v. Gallwitz 
nahm ihnen allein am 25. und 26. August 3500 Gefangene 
und 5 Maschinengewehre fort. An den folgenden Tagen 
kamen die Deutschen östlich des Rjemen in die Nähe der 
von Grodno nach Wilna führenden Eisenbahn und machten 
dabei 2600 Gefangene. An Grodno schoben sie sich an 
demselben Tage bedrohlich näher heran und standen schon 
am nächsten Tage vor der äußeren Fortlinie. Auch für 
diese am Njemenknie gelegene Festung rückte der Augen 
blick näher, in dem sie für 
sturmreif gehalten wer 
den konnte. 
Inzwischen aber wa 
ren die Russen schon zur 
Aufgabe auch des süd 
lichen Pfeilers ihrer zwei 
ten Hauptverteidigungs 
stellung gezwungen wor 
den. Mit aller Kraft drück 
ten die Heere Mackensens 
besonders nach dem Fall 
von Kowno auf die ihnen 
imWegeliegendeFestung 
Brest-Litowsk (siehe die 
Schilderung Seite 251). 
Die scharfe Verfolgung 
brachte die Österreicher 
und Ungarn unter dem 
Oberbefehl des Gene 
rals der Infanterie v. Arz 
(Bild nebenstehend) schon 
am 17. August bis Do- 
brynka, 20 Kilometer 
südwestlich von dieser 
Festung. Die vom Erz 
herzog Joseph Ferdinand 
geführten Streitkräfte 
waren im Vorrücken auf 
Janow am Bug. Dort 
hatte General v. Köveß 
den Feind bereits in der 
Gegend von Konstanty- 
now über den Fluß ge 
worfen. Am nächsten 
Tage drangen die ver 
bündeten Truppen östlich 
von Wlodawa über die 
Bahn vonCholm—Brest- 
Litowskweiter nachOsten 
vor (s. das Bild S. 245). 
Die Österreicher und Un 
garn schlossen den Ein 
schließungsring nunmehr vollständig auf dem westlichen Bug 
ufer und säuberten das Südufer des Bugs bei Janow vom 
Feinde. Dort und bei Niemerow wurde am folgenden Tage 
der Bugübergang erzwungen. Inzwischen drangen deutsche 
Truppen vor Brest-Litowsk bei Rokitno in die Vorstellungen 
der Festung ein. Östlich von Wlodawa folgten sie dem geschla 
genen Feinde und zwangen ihn zur Räumung des östlichen 
Bugufers oberhalb und unterhalb von Wlodawa. Auch 
die nächsten Tage brachten Fortschritte vor Brest-Litowsk. 
Am 22. August gelangten Mackensens Truppen nach hartem 
Widerstände der Russen nördlich von Brest-Litowsk über 
den Pulwaabschnitt und kamen oberhalb davon auch am 
Bug voran. Trotzdem der Feind jeden Fußbreit Bodens 
auf das zäheste verteidigte, wurde er aber überall unter 
Zurücklassung zahlreicher Gefangener geworfen. Beson 
ders heiße und tapfere Arbeit verrichteten siebenbürgische 
Regimenter bei den nördlich Riasno gelegenen Dörfern 
Eola und Suchodol. Das Infanterieregiment Nr. 64 nahm 
hier eine von russischen Grenadieren verteidigte Höhe und 
erbeutete 7 Offiziere, 7 Maschinengewehre und 900 Mann. 
Der österreichisch-ungarische General der Infanterie Arz v. Straußenburg führte 
im engeren Verband der Mackensenschen Armee ein Korps und hatte mit diesem 
hervorragenden Anteil an der Besetzung von Brest-Litowsk. Er wurde vom 
Deutschen Kaiser mit dem Orden Pour le Merite ausgezeichnet.
	        
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