Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. DritterBand. (DritterBand)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/16. 
brauch der Truppen bisweilen recht gelungene Kampf- 
werkzeuge vorfinden, denen der Soldatenwih besondere 
Namen gegeben hat. 
Abbildung 1 zeigt uns auf gegnerischer Seite einen alten 
15-om-Mörser aus der Zeit Ludwig Philipps (1830—1848), 
den man in irgendeiner alten Festung ausgegraben hat und 
der nun als Bombenwerfer, genannt „Knirps", gegen unsere 
Truppen wirksam in Tätigkeit gesetzt wird. Mit einer Rohr 
länge von nur 35 Zentimeter schleudert der alte Mörser 
Bomben von 16 Kilogramm Gewicht, die 
mit flügelartigen Ansätzen versehen sind und 
den Fühlern einer Schnecke vergleichbar aus 
dem Rohr heraussehen. Eine andere Wurf 
maschine einfachster Art, ein Erzeugnis fran 
zösischer Soldatenerfindung, ist der „Maul 
wurf", Hergestelltaus einem blindgegangenen 
deutschen 77-mm-Geschoß, dem man den 
Kopf abgeschraubt hat (Abb. 2). Hinten 
am Bodenstück der Geschoßhülse ist ein Zünd 
loch eingebohrt, durch das eine Luntenzün 
dung. zur Pulverladung führt. Diese kleine, 
eigenartige Windmaschine ist imstande, eine 
Bombe von etwa 1 Kilogramm Gewicht 
zu schleudern. Wohl wuchtiger als dieses 
einfache Werkzeug ist eine 58-mm-Eraben- 
kanone (Abb. 4), die auf einer kleinen Platt 
form befestigt ist. Besonders in d!e Augen 
fallend sind die mit Flügeln versehenen 
Geschosse (Abb. 4 und 5). Diese Flügel 
an der Außenfläche sind zu dem Zwecke an 
gebracht, eine Drehbewegung des Geschosses 
zu begünstigen und hierdurch ein Über 
schlagen zu verhüten, da die Masse sonst 
wirkungslos als Blindgänger niederfallen 
würde. Die erste Drehbewegung wird her 
beigeführt durch eine in der Änsatzstange 
des Lufttorpedos befindliche Raketenladung, 
die durch die Geschützladung entzündet wird und auf einige 
schraubenförmige Rippen drückt. Die Entzündung der 
Raketenladung gibt öem Geschoß hierbei noch einen Zu 
wachs an Geschwindigkeit. Die durch die Pulverladung 
herbeigeführte Drehbewegung ist hierbei notwendig, da 
die hier erwähnte Bombenkanone in ihrem Innern keine 
Züge besitzt, die wie bei dem Gewehr die Eeschoßführung 
übernehmen. Die Erhöhungsänderungen der Wurfkanone 
reichen von 45—80 Grad, das Geschoß wiegt 15 Kilogramm 
und kann bis zu 500 Meter weit geschleudert werden. In 
Abb. 3 sehen wir ein Geschoß, bei dem im Unterschied von 
dem vorher erwähnten System die 
Flügel fehlen. Bei der hier abge 
bildeten Kanone ist auch die Drehung 
des Lufttorpedos durch das mit 
24 Zügen ausgestattete Rohr des 
erst im Jahre 1910 aus der Artil 
lerieausrüstung ausgeschiedenen 
80-mm-Gebirgsgeschühes genügend 
gesichert. Hier läßt die straffe Füh 
rung und Drehung der Geschoß 
röhre die Flügelansätze als über 
flüssig erscheinen. Für den Minen 
wurfkrieg sind beiden alten französi 
schen Gebirgsgeschützen die früheren 
Rüder durch schwere einfache Rollen 
ersetzt worden. Das ganze Geschütz 
ruht auf einer eichenen Plattform, 
an der zur Verminderung des Rück 
laufes besondere Gegengewichte an 
gebracht sind. Das Rohr schleudert 
kleine Minengeschosse von 58 Kilo 
gramm (siehe Abb. 3), mittlere von 
78 Kilogramm und große von 
105 Kilogramm Gewicht. Das meist gebräuchliche Geschoß 
ist das mittlere, das einen Trichter von 8 Meter Durch 
messer und 2^2 Meter Tiefe auswirft. Mit einer beson 
deren Nichteinrichtung läßt sich die Richtungsentfernung 
bis auf ein kleinstes Maß von 1 Meter regeln. In das 
eigentliche Rohr des Geschützes kommt nur ein Rohransatz 
des Geschosses, der gleichfalls zur Vermehrung der Ge 
schoßgeschwindigkeit einen Pulversatz aufnimmt. Dieser tritt 
erst nach der Entzündung der Eeschützpulverladung in Tätig 
Silberne Spange zum Eisernen 
Kreuz, die denen verliehen wird, 
die bereits im Kriege 1870/71 das 
Eiserne Kreuz erhalten haben und 
es als Mitkämpfer in diesem 
Kriege wieder bekommen hätten. 
Plot. Berl. Jllustrat.-Ges. m. b. H. 
Der Eiserne Halbmond, die türkische Kriegsauszeichnung, 
ein Seitenftück zu unserem „Eisernen Kreuz". 
keit. Eine Schleudermaschine einfachster Art ist eine Armbrust 
(Abb. 6), „Heuschrecke" benannt, die kleine Handgranaten 
bis auf 80 Meter zu schleudern imstande ist. 
Das Spanferkel. 
Was haben wir aus unseren Grüben gemacht! Anfangs 
als wir unsere Stellung erobert haUen, waren es eben 
erst nur feuchte Gräben, die kaum den Mann deckten, 
wenn er sich niederkauerte. Mit jekum Tag 
aber wurden sie tiefer. Dann erhielten 
sie Dächer, nur solche aus Baumästen und 
Zweigen vorläufig, die aber nach und nach 
durch Bretter ersetzt wurden. Der Sicher 
heit halber überdeckten wir sie mit Erde. 
Was aber war dies alles im Vergleich zu 
der Wohnlichkeit, die sich nach und nach im 
Innern entfaltete. Jeder Mann bekam 
schließlich ein eigenes Zimmer, dessen Wände 
und Böden mit Stroh austapeziert wurden. 
In der lehmigen Vorderwand wurden kleine 
Nischen angebracht, deren eine Tornister 
und Patronen, die zweite Brot und Eß- 
schale, die dritte den Tabak enthält. Hier 
essen, trinken, schlafen wir ganz ruhig, in 
unmittelbarer Nähe des Feindes. Fiele 
nicht jeden Tag etwas Abenteuerliches vor, 
wir würden nicht glauben, im Kriege zu sein. 
In unserer Schußlinie steht ein Brun 
nen, an dem die Serben jede Nacht ihr 
Trinkwasser holen. Gestern aber kam ein 
serbischer Soldat am hellen Tag mit seinem 
Wassereimer daher. Keiner von uns schoß. 
Da! Was ist denn das! Wirft der Bursche 
den Eimer fort und kommt im Laufschritt 
zu uns herübergerannt. Das Feuer, das nun 
die Serben auf ihren Getreuen eröffnen! 
Doch keiner trifft, und unverletzt, aber außer Atem, langt der 
Tapfere bei uns an. Heifsa, hätte er am liebsten vor Freude 
geschrieen. Jedem schüttelt er die Hand, als gehörte er schon 
längst zu uns. In meinem Gelaß brodelt das Wasser im 
Samowar. „Gebt dem armen Burschen eine Tasse Tee." Ist 
der glücklich. Er lacht mit dem ganzen Gesicht. Ein tiefer, 
tiefer Schluck, dann noch einer. Er streckt seine Beine 
vor sich her, so gut es geht, und fängt nun an zu erzählen. 
Er sei ja ein Bulgare, erklärt er uns. Aber mit Gewalt 
habe man ihn in die serbische Armee gesteckt. „Ja, mit 
Gewalt." Ein langer, trauriger Schluck. „Und viele an 
dere mit mir." Seit Tagen, ja 
seit Wochen wenig und schlecht zu 
essen, oft auch gar nichts. Und die 
Offiziere — die warten im Dorf 
wirtshaus den Gang der Ereignisse 
ab! „Ja, ja, wissen Sie?" sagt er 
nun mit einem Male lebhafter, 
„drüben cibt^s noch viele Bulgaren." 
Ein bewundernder Blick auf unsere 
Erabeneinrichtung. „Wüßten die, 
wie schön es bei euch ist, massen 
haft würden sie herüberkommen." 
Dann hat er einen Gedanken. 
Auf einen Zettel schreibt er einige 
Worte. „Wenn das nun jemand 
zum Brunnen tragen würde?" 
Leichter gesagt als getan. Ein Kor 
poral geht mit dem Zettel, aber 
auf halbem Wege kehrt er um. 
Von drüben wird wütend auf ihn 
geschossen. Ein Wunder, daß er 
überhaupt noch zurückkommt. ^ Un 
sere Infanteristen geben aber ihren 
Plan nicht auf. Einer hat einen ganz vorzüglichen Gedanken. 
Es wird ein Ferkel gefangen, dem hängt man den Zettel 
um den Hals. Und nun wird es getrieben und gejagt, 
bis es endlich ins feindliche Lager hinüberspringt. 
Und das Ergebnis? — Noch in der selbigen Nacht be 
wegen sich drüben schwarze Schatten. Wir bleiben hübsch 
still. Und bald darauf tauchen freundlich grinsend nicht 
weniger als sechs unbewaffnete Feinde vor unserem 
Graben auf.
	        
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