Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. DritterBand. (DritterBand)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
benachbarten Unterstand zu uns herübergekrochen war. 
Trotz der gefährlichen Lage versucht er, mich mit den Händen 
aus den Trümmermassen des Unterstandes zu befreien. 
Eben kann ich den Arm freibekommen, da stürzen auch 
schon der Fähnrich und die anderen braven Kameraden un 
erschrocken herbei, um ungeachtet der Gefahr zu retten, 
was zu retten ist. „Rettung in Sicht", wie schön- wäre der 
Gedanke gewesen, wenn nur nicht die verschütteten und 
verwundeten Kameraden gewesen wären. Nach etwa 
20 Minuten haben mich die braven Kameraden aus d-en 
Trümmern herausgeholt, nur der linke Fuß steckt noch 
eingeklemmt. Mit aller Kraft ziehe ich nach. Gott sei Dank, 
er gibt nach, und zwei Mann ziehen mich vollends aus der 
Höhle des Schreckens heraus. Da sehe ich auch schon, wie 
aus dem feindlichen Schützengraben die aufmerksam ge 
wordenen Engländer auf uns anlegen, zielen und abschießen. 
„Achtung," rufe ich, „die Engländer schießen auf uns." 
Die Kugeln sausen uns um die Köpfe. Zum Glück traf keine. 
Wunderbarerweise bin ich ohne jede äußere Verletzung ge 
blieben. Der Nervenschock, die Quetschungen und die heftigen 
Kopfschmerzen, besonders aber der starke Schmerz in 
meiner alten schweren Verletzung vom Beginn des Krieges 
wurden zunächst betäubt von dem Gefühl „Gerettet!" Die 
Granate hatte unseren „bombensicheren" Unterstand mit 
Phot. Berl. Jllustrat.-Ges. rn. b. H. 
Ein österreichisch-ungarisches Infanterieregiment mit zusammenlegbaren Tragbahren. 
einem Volltreffer gänzlich zerstört. Der Unteroffizier war 
dabei leider ums Leben gekommen, die beiden Artillerie 
offiziere schwer verletzt worden. — Nun liege ich hier, 
einen Tag nach diesem furchtbarsten aller meiner Erlebnisse 
in diesem Kriege, mit einem der beiden Beobachter in dem 
freundlichen Zimmer eines Feldlazaretts in Belgien. Wir 
sprechen nicht vom gestrigen Tage, beim Gedanken daran 
läuft es mir noch wie ein eisiger Schrecken über den Rücken. 
Stumm sehen wir uns von Zeit zu Zeit an, voll Dank 
über die Rettung und in den Augen das Staunen, daß wir 
mit dem Leben davongekommen sind! 
Nahkampf am Monte Piano. 
^Hierzu das nebenstehende Bild.) 
Als die Täler der Alpen noch nicht vom Kanonendonner 
und Knattern der Gewehre widerhallten, wanderten all 
jährlich zur Sommerzeit Tausende und aber Tausende von 
Touristen, Sommerfrischlern und Hochzeitsreisenden von 
Schluderbach und Landro her durchs Höhlental, um über 
Cortina d^Ampezzo den Monte Piano zu ersteigen. Er 
liegt bereits auf italienischem Gebiet und von seinem 
Gipfel aus bietet sich dem Auge ein herrliches Pano 
rama. In strategischer Hinsicht beherrscht der Monte 
Piano das Ampezzaner Tal und die von Tirol nach Italien 
führenden Gebirgstraßen und Pässe, weshalb seine Höhen 
bereits wenige Tage nach Beginn des Krieges mit Italien 
von den k. u. k. Truppen besetzt und befestigt wurden. 
Teile vom . . Infanterie-, . . Landesschützen- und . . Kaiser 
jägerregiment hielten hier, unterstützt von Standschützen 
und mehreren Batterien Feld- und Gebirgsartillerie, die 
nur mühsam auf die steilen Felsmassen geschafft werden 
konnten, dem fast ununterbrochen gegen sie gerichteten 
schweren Artilleriefeuer aus den italienischen Erenzforts 
und eingebauten Bergstellungen heldenmütig stand und 
wiesen alle Angriffe weitüberlegener feindlicher Kräfte 
stets glänzend ab. Solange die Österreicher und Ungarn 
im Besitze des Monte Piano sind, können die Italiener 
keinen Vormarsch gegen das Pustertal wagen, weil sie in 
diesem Falle im Rücken bedroht wären und leicht ab 
geschnitten werden könnten. Deshalb suchte General Ea- 
dorna die Österreicher und Ungarn aus ihren gut ausge 
bauten Höhenstellungen zu vertreiben und ihnen den Monte 
Piano wieder zu entreißen. Am 5. Juli eröffneten die Ita 
liener in früher Morgenstunde ein heftiges Artilleriefeuer 
aus 15-om-Geschützen gegen den Berg, allein dank den ge 
schickt angelegten Deckungen der österreichisch-ungarischen 
Truppen war es ihnen nicht möglich, irgendwelche Erfolge 
zu erzielen. Es wurde wohl einiger Schaden an Hindernissen 
und Schützengräben angerichtet, die indes bald wieder her 
gestellt werden konnten. 
In der Nacht vom 6. auf 
7. Juli arbeitete sich die 
italienische Infanterie 
unter einem heftigen 
Feuer aus 30,5-om-Mör- 
sern auf sechshundert bis 
achthundert Schritte an 
die k. u. I. Stellungen 
heran und grub sich dort 
ein. Allem Anschein nach 
plante der Feind einen 
überraschenden Sturm 
angriff, und so wurde 
am 8. Juli die Besatzung 
durch frische Kräfte ver 
stärkt. In den nächsten 
Tagen verdoppelten die 
Italiener ihr Feuer, aber 
unerschrocken hielten die 
tapferen Verteidiger un 
ter ihrem mutigen Füh 
rer, Hauptmann Eröschl, 
stand und wiesen alle 
feindlichen Angriffe er 
folgreich zurück. Aber die 
Italiener wollten um 
jeden Preis den auf 
ihrem Gebiet gelegenen 
Berg wiedergewinnen, 
und so unternahmen sie am 20. Juli eiüen entscheidenden, 
allgemeinen Angriff, den ein wütendes Artilleriefeuer 
aller Kaliber einleitete und in dessen Verlauf rund vier 
tausend schwerste Granaten gegen die sechshundert Schritt 
breite österreichisch-ungarische Front auf der Bergspitze 
geschleudert wurden. Um. fünf Uhr morgens setzte der 
Jnfanterieangriff von drei Bataillonen Alpini und Ber- 
saglieri ein, die im Nebel bis nahe an eine Stellung 
herankamen, die durch die dreitägige Beschießung ziemlich 
gelitten hatte. Aber die österreichisch-ungarische Artillerie 
bemerkte den Feind noch rechtzeitig, um ihn durch ein ver 
nichtendes Kreuzfeuer im Bunde mit Tiroler Standschützen 
zurückzuwerfen. Auch ein zweiter Angriff der Alpini brach 
kurz vor den Hindernissen zusammen. Nün zogen die 
Italiener alle Reserven heran und stürmten, durch frische 
Truppen unterstützt, zum dritten Male vor. Es gelang 
ihnen, die durch die Beschießung beschädigten Drahtverhaue 
vollends zu zerstören und in der Mitte in die vordersten 
k. u. k. Grüben einzudringen, wo es nun zum erbitterten 
Nahkampf und Handgemenge kam. Am linken Flügel, wo 
der Kampf ebenso heftig tobte, sahen sich die Kanoniere ge 
zwungen, mit Revolver und Degen ihre Geschütze zu ver 
teidigen. Die Kanonen rasch in Sicherheit zu bringen, war 
wegen des steilen Felsgeländes unmöglich. Schon kamen 
die Italiener, deren Reihen sich stets von neuem füllten, bis 
auf wenige Schritte an die österreichisch-ungarischen Bat-
	        
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