Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. DritterBand. (DritterBand)

214 
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
Befehl: „In einer Stunde steht das erste Bataillon marsch- 
bereit. Front gegen Westen auf den Weg, der 300 Meter 
südlich von dem Orte G. über die Forts G. v. H. und E. 
nach N. führt." In Eile wurde noch ein Schälchen Mokka 
geschlürft, und fröhlich und guter Dinge marschierten wir 
ab. Im Divisionsbefehl hieß es: „Vormarsch gegen den 
Feind. Erstes Bataillon Vorhut!" Nachdem wir den 
Höhenkamm überschritten hatten, kamen wir nach etwa 
einstündigem Marsch nach N. Gleich hinter diesem Orte 
überschritten wir unter einem dreimaligen Hoch auf unseren 
Kaiser und unter „Es braust ein Ruf wie Donnerhall" 
die französische Grenze. 
Nach einem fröhlichen Marsch von vier Stunden machten 
wir plötzlich halt. Ein jeder von uns wußte, was es ge 
schlagen hatte, und in Blitzeseile ging die Meldung von 
Mund zu Mund: „Unsere Kavalleriepatrouille ist auf feind 
liche Abteilungen gestoßen." Das Gewehr schußbereit im 
Arm ging es langsam vorwärts. Die Franzosen aber hatten, 
als sie uns bemerkten, Reißaus genommen, denn es wurde 
dunkel. Es wurde Nacht, aber vom Franzmann keine Spur. 
Der Franzose geht nachts gern einem Gefecht aus dem 
Wege, denn er liebt es, seine Nachtruhe zu halten. Wir 
bezogen daher in N.. . ville Alarmquartiere. Um uns 
vor einem feindlichen Überfall zu sichern, wurden nach 
innen und außen Wachen aufgestellt, und da hatte meine 
Kompanie die Ehre, daran teilnehmen zu dürfen. So kam 
unser erster und zweiter Zug auf Wache, während der dritte 
zu Haus bleiben durste. Die Feldküche hatte es nicht fertig 
bringen können, bis an uns heranzukommen, und da be 
kanntlich Hunger weh tut, so wurde ein ohne Heimatschein 
herumlaufendes Schwein ohne weiteres in Gefangenschaft 
gesetzt, und unser „Blitzzügle", zwei sehr fixe handfeste 
Metzger unserer Kompanie, die mit den Schweinen ebenso 
umzugehen wissen, wie mit den Franzosen, machten sich 
sofort an die Arbeit. In einer Stunde hatte jeder eine 
kriegstarke Portion Kesselfleisch im Kochgeschirr, dazu einen 
halben Laib Kommißbrot, und das reichte bis wieder zwölf 
Uhr. Als dann wirklich unsere „Gulaschkanone" anlangte, 
gab es noch eine kräftige Abendkost, und dann ging es mit 
Riesenschwung in „Heubühnens Patent-Federbetten". 
Daß man mit vollem Magen gut schläft, weiß ein jeder, 
und so schliefen auch wir so fest, daß unsere „Kompanie 
mutter" viel Mühe anwenden mußte, um uns aus unseren 
Stellungen herauszuhauen. Es wurde noch ein Schälchen 
Kaffee gefaßt, und dann hieß es schanzen. Nachdem unsere 
Posten alle eingezogen waren, rückte die Kompanie in die 
befohlenen Stellungen, um da Schützengräben auszuwerfen. 
Eben wollten wir beginnen, da kam auch schon ein Gegen 
befehl: „Das erste Bataillon steht um neun Uhr gefechts 
bereit bei der Kirche in R... ville." Also hatten die Fran 
zosen aus der „Courageflasche" getrunken und rückten gegen 
uns vor. Unser Bataillon nahm Aufstellung beim Kirch 
hof und wartete der Dinge, die da kommen sollten. 
Es dauerte auch nicht lange. Der dritte Zug sang eben 
noch: „Als die Russen frech geworden" und „Alles neu 
macht Herr Grey", da schlugen auch schon die ersten fran 
zösischen „Zuckerhüte" 300 Meter vor uns ein. Das störte 
uns aber nicht, und ruhig sangen wir weiter, bis es endlich 
hieß: „Ausschwärmenund vor 
gehen." Unsere Kompanie 
ging als letzte vor und hatte 
den Befehl, „einzuschwär- 
men". So gingen wir unge- 
fähr eine Stunde vorwärts, 
bis wir die für uns so ver 
hängnisvoll gewordene Höhe 
erreichten. Hier sandten die 
Franzosen wieder ihre „eiser 
nen Grüße" in unsere Schüt 
zenlinie, ohne jedoch etwas zu 
erreichen. Da kam der Befehl 
zuin Rückzug, um auf der 
gegenüberliegenden Höhe zu 
schanzen. Es wurde allmäh 
lich dunkel. 
Die Franzosen wollten 
ihre Nachtruhe haben und 
ließen uns in Ruhe. Nur 
ihre Feldartillerie vermutete 
uns in dem neben unserer 
Stellung liegenden Dorf und schoß in dieses hinein mit 
Granaten und Schrapnellen, immer abwechselnd, bis das 
ganze Dorf lichterloh brannte. Aber sie hatten die Rech 
nung ohne den Wirt gemacht. Wir schanzten indessen 
ruhig weiter, und als am anderen Morgen die Sonne 
den neuen Tag begrüßte, da lag jeder von uns in gut 
gegen Schuß und Sicht verschanzter Deckung. Es dauerte 
gar nicht lange, da flogen die feindlichen Jnfanteriekugeln 
über unsere Köpfe weg, sobald sich einer sehen ließ. Wir 
mußten den ganzen Tag, auf dem Bauche liegend, aushalten, 
bis endlich gegen fünf Uhr der langersehnte Befehl zum 
Angriff kam. Im Sturmschritt gingen wir vor, und die 
Franzosen zogen sich vor dem wohlgezielten Feuer unserer 
braven Feldartillerie immer weiter zurück. Wir erreichten 
glücklich die Anhöhe. Das feindliche Feuer war ganz ein 
gestellt worden. Als wir aber oben anlangten, da bekamen 
wir die Feuertaufe, wie ich sie bis dahin noch nicht mit 
gemacht hatte. Von drei Seiten Flankenfeuer. Mancher 
meiner Kameraden ist dort oben begraben, fern von dem 
schönen Badener Land. 
Unsere Verluste waren ziemlich - groß, besonders war 
die zweite Kompanie stark mitgenommen worden; sie stand 
im dichtesten Kugelregen. Mein Kompanieführer erhielt 
zwei Kopfschüsse, zum Glück aber nur Streifschüsse. Ein 
Feldwebel der Reserve, der Zugführer des zweiten Zuges, 
bekam vier Schüsse. Ich wundere mich selber, wie ich so 
heil davongekommen bin. Auf Befehl des Oberleutnants 
brachte ich den schwerverwundeten Feldwebel zum Verband 
platz. Als ich zurückkehrte, hatte unser Bataillon bereits 
den Ort gestürmt und genommen. Da sich die Herren 
Franzosen zurückgezogen hatten, bezogen wir Alarm 
quartiere. 
Nach des Tages Last und Mül/ hält jeder gern Rast. Wir 
kommen vor ein Haus, dessen Besitzer ich fragte, ob er keine 
Franzosen im Hause habe, worauf ich die glatte Antwort 
„non“ erhielt. Dies genügte uns nicht, denn der Mann 
sah wenig vertrauenerweckend aus. Das Haus wurde durch 
sucht, und wir fanden im Keller 15 Franzosen. Als sie sahen, 
wem sie in die Hände gefallen waren, warfen sie die Waffen 
fort, streckten die Hände in die Höhe und deuteten durch 
Gesten an, daß wir nicht schießen sollten. Wir verschonten sie. 
Um vier Uhr morgens bezogen wir neue Stellungen, 
die aber für uns noch verhängnisvoller wurden als am 
Tage vorher. Wir waren einem mörderischen Infanterie- 
feuer ausgesetzt, das Unsere dünnen Reihen noch mehr 
lichtete. 
Der Herbstanfang des Jahres 1914 wird jedem von uns 
eine denkwürdige Erinnerung sein. — 
Wir schanzten dann wieder die ganze Nacht und wachten 
andauernd, da die Franzosen kaum 400 Meter von uns 
entfernt lagen. Frühmorgens schickte uns die feindliche Ar 
tillerie den ersten Morgengruß. Dieser Tag schien noch heißer 
zu werden als der vergangene. Schlug doch ein Volltreffer 
mitten in den' Schützengraben, wo die Befehlsempfänger 
unseres Bataillonskommandeurs lagen, tötete fünf Mann und 
verwundete drei schwer. Zu gleicher Zeit griff uns auch die 
französische Infanterie an, und zwar in Linien zu drei Glie 
dern dicht nebeneinander; sie erhoben dabei ein Geschrei, 
als wenn sie bei Mülhausen 
wären und den leeren Bahn 
damm stürmten. Unser guter 
Oberleutnant sagte zu uns: 
„Kinder, immsr ruhig Blut! 
Noch ist Polen nicht verloren. 
Rußland muß noch badisch 
werden! Erst schießen, wenn 
sie auf 150 Meter heran sind." 
Und so ließen wir sie heran 
kommen. Auf einmal ertönte 
der Befehl: „Feuer! Schnell 
feuer!" Unsere Gewehre und 
Maschinengewehre fingen an 
zu knattern, daß man meinte, 
dir Welt ginge in Splitter. Da 
lagen die armen Franzmänner 
auf dem Boden, in derselben 
Formation, wie sie angegriffen 
hatten. Zehn Minuten später 
sah man keine Franzosen mehr. 
Liller Uriegszeitung. 
Kartenskizze zu den Kämpfen um Jwangorod.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.