Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. DritterBand. (DritterBand)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
Litauisches Gehöft. 
Phot. Herrn. Reichlirig, Münster i. 
war, bot die Jlshanka, die westlich Kasanow plötzlich 
nach Osten fast im rechten Winkel abbiegt und die um 
liegenden Wiesen weithin in undurchdringliche Sümpfe 
verwandelt. Es bot sich hierdurch ein natürliches Hindernis 
von außergewöhnlich hohem militärischen Wert. Dazu war 
die Stellung, wie unsere-Flieger bereits festgestellt hatten, 
schon seit geraumer Zeit stark ausgebaut, so daß ein längerer 
Widerstand fast zu erwarten war. Unsere tapfere schlesische 
Landwehr wußte jedoch schon am Nachmittag des 18. Juli 
diesen Plan zu durchkreuzen, indem sie die feindlichen Vor 
stellungen bei Ciepilow überrannte. Sie stießen gleich 
weiter nach bis ins Herz der feindlichen Hauptstellung. Auch 
bei Kasanow und Baranow begann der Gegner zu wanken. 
Die nachhaltigen Angriffe waren gut vorbereitet. Die 
Russen ließen sich durch die Beschießung und das ungestüme 
Nachdrängen bald erschüttern. Sie bauten ab, in der ihnen 
eigentümlichen Weise, die es ihnen bisher immer ermöglicht 
hat, uns die Mehrzahl ihrer Geschütze zu entziehen. Von 
dem Augenblick an, wo der russische Artillerist merkt, daß 
seine Geschütze vielleicht in die Gefahr geraten könnten, 
vom Gegner im weiteren Verlauf des Gefechtes genommen 
zu werden, gräbt er sich eiligst aus seinen Eindeckungen 
heraus, protzt auf und fährt schleunigst davon. Eine Feuer 
unterstützung für die Infanteristen vorn in den Schützen 
gräben gibt es dann für ihn nicht mehr. Vielleicht, daß er 
weit hinten noch einmal für kürzere Zeit eine Aufnahme- 
stellung bezieht und von da aus seine ehernen Grüße gegen 
Anmarschstraßen schleudert oder eine Zone mit Sperrfeuer 
belegt. Die russischen Infanteristen wissen sehr genau, daß 
ihre Artillerie sie im entscheidenden Augenblick im Stich läßt. 
Sie feuern deshalb aus ihren Stellungen, bis man ihnen 
auf nächste Entfernung gegenübersteht. Dann strecken sie 
meist — nur bisweilen laufen natürlich, wie wir vorher 
sahen, auch erbitterte Einzelkämpfe 
mit unter — die Waffen, indem sie 
die Hände hochhalten und sich ohne viel 
Widerstand abführen lassen. Väterchen 
hat ja noch genug Menschen, aber wenig 
Kanonen! 
Der Tagesbericht vom 20. Juli 
meldete als Ergebnis: „Der Feind ist 
an der Jlshankastellung völlig gewor 
fen ..Russische Gegenstöße mit neuen 
Truppen blieben ebenso erfolglos. Sie 
wurden mitgerissen in der allgemei 
nen „Rückwärtskonzentration", wie die 
Russen derartige Rückzüge ohne jede 
Aussicht auf baldigen Gegenstoß zu 
nennen belieben. Unsere Truppen 
blieben ihnen auf den Fersen, getreu 
unseren Vorschriften, die nirgends ein 
rücksichtsloseres Vorgehen kennen als 
auf der Verfolgung. Die Artillerie 
jagte von Höhe zu Höhe. Dort spritzte 
eine feindliche Kolonne auseinander, 
als die Geschosse heranflogen, an an 
derer Stelle kam Verwirrung in die 
gegnerischen Bagagen, die mit ihren 
schweren Lasten schon lange die Wege 
versperrten und mit der schnellen Rück 
wärtsbewegung nicht mitkamen. Schon 
erreichte deutsche Kavallerie die Bahn 
Radom—Jwangorod und zerstörte sie, 
um feindlichen Truppennachschüben 
die Gelegenheit zu Flankenstößen zu 
nehmen. 
Bis Wladislawo, also 20 Kilometer 
weiter nördlich, drang die Infanterie 
vor und nahm in sofortigem kecken 
Angriff die dortigen feindlichen Stel 
lungen. Gegen Mittag des 21. Juli 
war die ganze Brückenkopfstellung 
Lagow—Lugowa—Wolja in der Hand 
der Schlesier, während die k.u.k. Trup 
pen den Feind westlich davon in die 
Festung Jwangorod geworfen hatten. 
Anschließend spielte sich eine neue 
Kampfhandlung ab: der Kampf um 
die Festung Jwangorod. Ob ein Heer 
morsch ist, kann man aus großen mili 
tärischen Maßnahmen nicht ohne weiteres erkennen, denn da 
bei spielt die strategische Begabung des Feldherrn in der 
ganzen Anlage eine zu große Rolle. Betrachtet man jedoch 
unparteiisch einen kleineren Abschnitt von der militärischen 
Bedeutung des oben behandelten, so wird man sich rasch 
darüber klar sein, daß folgendes nur eine bewußte Lüge sein 
kann, was die Zeitung „Utro Rosstja" noch am 25. Juli 
schrieb: „Unser langsamer, aber strategisch nützlicher Rückzug 
auf die schon bei Beginn des Krieges ins Auge gefaßte ur 
sprüngliche Verteidigungslinie darf die Gemüter der Bevöl 
kerung nicht aufregen." Einem der Schlußsätze des erwähnten 
langen Artikels werden wir Deutsche jedoch aus vollem Herzen 
beistimmen, allerdings mit anderen Gedanken als der rus 
sische Verfasser. Dieser Satz lautet: „Der Kampf des Lichtes 
gegen die Finsternis, der Kultur gegen das Barbarentum 
muß fortgesetzt werden, bis der Feind die Todeswunde er 
halten hat." — Wir sind auf dem richtigen Wege . .. 
Dsterreichisch-ungarische Maschinengewehr- 
patrouille überrascht eine italienische 
Munitionskolonne. 
(Hierzu das Bild Seite 192/193.) 
Da es den Italienern trotz ungeheurer Menschenopfer 
nirgends gelang, die österreichisch-ungarische Front am 
Jsonzo zu durchbrechen, so begnügten sie sich, um ihre 
Niederlagen zu vertuschen und „Erfolge" melden zu können, 
mit der Besetzung hoher, strategisch oft ganz wertloser Berge 
an der Tiroler Grenze, die von den Österreichern freiwillig 
geräumt oder überhaupt nicht befestigt worden waren. Man 
ließ den Feind ruhig über die Grenze kommen und müh 
sam über Felsen lind Schluchten vordringen, weil man 
Der russische Memelhafen Borkt. 
Phot. Herrn. Reichling, Münster i, W.
	        
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