Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. DritterBand. (DritterBand)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
den wenigen Triumphen, die die italienische Marine bisher 
errang, gerade die Versenkung seines Bootes, das eines 
der besten war, zu verzeichnen ist. Der amtliche Bericht des 
österreichisch-ungarischen Flottenkommandos vom 13. August 
1915 besagt: „Unser ,U 12‘ ist von einer Kreuzung in 
der Nordadria nicht zurückgekehrt." Aus den italienischen 
Berichten geht hervor, datz es mit der ganzen Bemannung 
versenkt wurde. So hat der Seeheld Egon Lerch, gleich 
seinem Vorbild Weddigen, mit seinen Getreuen den Helden 
tod gefunden, den er nie gesucht, aber auch nie gefürchtet hat. 
Die fünfte Batterie. 
Von E. A. Saatweber. 
^Hierzu das nebenstehende Bild.) 
Zwei Tage hat die Haubitzenbatterie schon im Gefecht 
gestanden, hm und her geworfen südöstlich von ChLlons. 
Weitab von jeder Möglichkeit, die Munition zu ergänzen. 
Der Batteriechef, der zwei Jahre hintereinander die besten 
Schießleistungen hatte, ist sparsam mit seinen Geschossen 
gewesen. Er ließ sich Zeit, die 
Entfernungen festzustellen, und 
hatte in den zwei Tagen gute 
Erfolge. Die Kanoniere hatten 
sich glänzend bewährt. 
Da kommt aur dritten Tag 
der Befehl, auf Vitry loszu 
gehen. Es ist morgens elf Uhr. 
Die Batterie rast die Straße 
entlang. Kurz vor Vitry sieht 
sie Kürassiere und Artillerie 
zurückgehen. Sie haben keine 
Munition. Wie ein Blitz durch 
zuckt es den Batteriechef der 
fünften: Jetzt soll ich den Feind 
verjagen, meine Kanoniere, 
meine sechs Haubitzen. Schon 
schlagen aus der engen Straße 
feindliche Granaten ein. Gäule 
werden unruhig, gehen hoch, 
und ein Durcheinander ent 
steht, »dessen die brave Mann 
schaft aber schnell Herr wird. 
Der Batteriechef rückt links 
heraus, sucht schnell und sicher 
hinter einer kleinen Boden 
welle eine Feuerstellung. Sechs 
Haubitzen protzen ab. Dicht 
hinter dem Bahndamm stehen 
sie. Doch sie können den Feind 
nicht fassen. Aufgeprotzt, durch 
die Straße, durch Vitry durch 
und dem Hauptmann, der vor 
aus ist, nach bis zum nächsten 
Gehöft, das im schiefen Winkel 
nach Südosten hin liegt. Da 
findet die Batterie, die ungesehen in Stellung kommt, westlich 
der Häuser von Marolles geeignete Stellung. Im Westen 
und Süden stehen ihr ja zwei Batterien gegenüber. Hei, 
jetzt fliegen die sicher gezielten Granaten nach Westen, schon 
der zweite Schuß sitzt mitten in einer Batterie, und in wenigen 
Minuten ist dort der Feind zum Schweigen gebracht. Da 
schlagen Schrapnelle dicht hinter der Batterie ein. Von 
zwei Seiten. Der Hauptmann hat die Luft nicht außer 
acht gelassen. Kein Flieger ist weit und breit zu sehen ge 
wesen. Er steht gedeckt hinter einer kleinen Bodenwelle mit 
seinen sechs Haubitzen. Und die Kanoniere passen auf und 
arbeiten tapfer. 
„Herr Hauptmann, dort im Hause wird eine Schlaglade 
ab und zu geöffnet!" ruft ihm ein Unteroffizier zu. 
„Eine Patrouille hin, den Mann verhaften!" befiehlt 
der Hauptmann, der nun selbst dies unzweifelhafte Zeichen 
geben bemerkt. In einigen Minuten ist der Befehl voll 
führt, und der Bauer wird als Gefangener abgeführt. 
An der Straße zwischen den Häusern von Marolles und 
dem weiter südlich gelegenen Vauclerc liegt unsere In 
fanterie in fürchterlichem Doppelfeuer. Verschossen sind 
die Patronen. Die Leute müssen zusehen, wie die Granaten 
ihre Reihen lichten, wie von Süden her, fast 1500 Meter 
weit, die Jnfanteriegeschosse sie hindern, sich zurückzuziehen. 
„Zwei Geschütze zum Entsatz der Infanterie nach Vau 
clerc!" lautet kurz der Befehl des Generals. 
„Kanone Nummer 3 und 4 aufprotzen! Leutnant B., 
Sie gehen mit Ihrem Zug nach Vauclerc zum Entsatz der 
Infanterie." 
Die Geschütze werden aus der Feuerstellung heraus nach 
rückwärts geschoben, bis zu den Protzen hin, die Pferde in 
die Zügel genommen. Die Kanoniere sitzen auf, und in 
rasender Eile geht es auf der Straße nach Südosten. 
Der General verfolgt ungeachtet der überall einschlagen 
den Granaten und Schrapnelle die Bewegung der zwei Ge 
schütze. Sie jagen dahin, und Leutnant und Kanoniere 
fragen nicht nach den rechts und links von der Straße liegen 
den Protzen der Artillerie, die, vom Feuer überschüttet, 
nicht vorwärts und nicht rückwärts können. Pferdeleiber 
versperren den Weg, es geht über sie hinweg in rasendem, 
tollem Jagen. Doch da ist plötzlich kein Durchkommen mehr. 
Der Zug stockt. Der Leutnant reitet vor. Es geht nicht. 
Weder rechts noch links der Straße. Diese selbst ist mit 
Leichen, Sterbenden und Verwundeten bedeckt. Arme 
strecken sich abwehrend empor. 
Und Granaten auf Granaten 
schlagen ein, alles herunter 
reißend, was noch steht, alles 
vernichtend. Schon pfeifen Jn 
fanteriegeschosse über die Köpfe 
der Kanoniere fort, schlagen in 
die Räder der Protzen ein, un 
aufhörlich. Da rast eine Or 
donnanz dicht an den Leutnant 
heran. „Die Geschütze sollen 
auf Befehl des Herrn Generals 
umkehren!" Immer dichter 
schlagen die Kugeln der fran 
zösischen Infanterie in die Ge 
schütze, ohne viel Schaden an 
zurichten. Doch die tapferen 
Fahrer halten sich, sie wenden 
die Pferde, fahren zurück und 
suchen dem Kugelregen zu ent 
gehen. Uber Leichen, Räder, 
Pferdekadaver geht es hinweg 
und im Zickzack die Straße ent 
lang, um Hindernissen und Ver 
wundeten auszuweichen. Da 
fährt das vorderste Geschütz sich 
an einem Bauur imb in Blut 
schwimmenden Pferden fest. 
Doch den wackeren Kanonieren 
gelingt es, sich loszumachen. 
Endlich kommen sie zurück, 
sind außer Feuerbereich und 
machen halt. 
Ein Verschnaufen, ein Ord 
nen der gerissenen Stricke. Der 
General hat das Aufräumen 
der Straße befohlen. Die Infanterie, die in der Nähe liegt, 
kriecht heran. Der Kugelregen hat nachgelassen, da von 
den Protzen der Artillerie nichts mehr übrig ist, nichts mehr 
sich bewegt. Pferdeleiber, Räder, Speichen, Protzkasten 
werden schnell auf die Seite gezogen. Die Straße ist in 
wenigen Minuten geräumt. Wieder kommt der Befehl: 
„Zug Leutnant B. vor!" 
„Sparsam mit der Munition, nur sichere Schüsse ab 
geben!" ruft der Hauptmann seinem Zugführer nach. Der 
nimmt schnell die Hand an den Helm, gibt seine Befehle, 
und nun geht es mit Todesverachtung dem Tode entgegen. 
Die Straße ist frei, die beiden Geschütze kommen durch 
bis Vauclerc. Ein unaufhörliches Feuer von Infanterie 
und Artillerie empfängt sie, als sie bei Vauclerc Stellung 
nehmen. Der Zug richtet sein Feuer auf die feindliche In 
fanterie, die 900 Meter gegenüber liegt. Die sicher gezielten 
Schrapnelle wirken in den Reihen der Franzosen, die sich 
eiligst in den nahe gelegenen Wald zurückziehen. Da kommen 
die vier anderen Geschütze heran, und nun richtet die Batterie 
ihr Feuer erneut auf die beiden französischen Batterien. Ruhig 
und sicher, als sei es auf dem Schießplatz, erteilt der Haupt 
mann seine Befehle. Ruhig werden sie weitergegeben. Ruhig 
arbeiten die Richtkanoniere, und ruhig bringen die anderen die 
Geschosse heran, Jeder Schuh, Schrapnell oder Granate, 
Linienschiffsleutnant Egon Lerch, der heldenmütige Kommandant 
des in der Nordadria versenkten „U 12".
	        
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