Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15.
ligten Bevölkerung den Wünschen
des Präsidenten Wilson nicht zu
entsprechen vermochte, mutz dieser
gewutzt haben. Einen ähnlichen
Standpunkt wie Deutschland ge
genüber vertrat Wilson auch in
seiner Antwort auf die österrei
chisch-ungarische Note an die Ver
einigten Staaten von Nordamerika
vom 29. Juni, die fast gleichzeitig
mit der deutschen Antwortnote in
Washington bekannt wurde. In
dessen hatte Wilson keineswegs
die öffentliche Meinung seines
Landes geschlossen hinter sich.
Ein recht grotzer Teil auch nicht
deutscher Zeitungen Amerikas ver
langte nämlich mit aller Be
stimmtheit nicht nur das Fern
bleiben der Vereinigten Staaten
aus dein Weltkriege, sondern auch
das Verbot der Ausfuhr von Waf
fen und Munition für die Krieg
führenden. Der aus dem Amt
geschiedene amerikanische Staats
sekretär Bryan erklärte zwar nicht
sein Wohlwollen für Deutschland,
warnte aber immer wieder vor
einer Verschärfung der Lage.
Die deutsche Regierung durfte
natürlich nicht einen Schritt von
ihrer Unterseebootkriegführung ab
weichen. Seit dem Eingang der
letzten, schärfsten Note des Präsi
denten Wilson ist die tägliche Liste
der D-Boot-Opfer in den deutschen
Zeitungeir merklich reichhaltiger
geworden. In den Tagen der
ausführlichen Erörterung des ame
rikanisch-deutschen Notenwechsels
gegen Ende Juni ereignete sich
am 28. die Versenkung des Post-
dampfers „Armenian" an der
KüstevonCornwall. Frohlockend er
griffen die Engländer die Gelegen
heit beim Schopf, um die deutsch
amerikanische Spannung auf den
Siedepunkt zu treiben. In Wa
shingtonwartete man indessen kühl
auf den genauen Bericht über den
Vorfall. Dabei stellte sich heraus,
datz „Armenian" entgegen dem
Befehl des D-Boot-Führers nicht
gehalten, sondern dem kl-Boot zu
entfliehen versucht hatte. Autzer-
dem ergab die Untersuchung ein
wandfrei, datz „Armenian" ein
Munitionschiff gewesen war.
Zu einer lebhaften Zeitungs
aussprache mit der in allen solchen
Fällen üblich gewesenen Mindest
forderung des Abbruchs der diplo
matischen Beziehungen zwischen
den Vereinigten Staaten und
Deutschland wurde von der eng
lischen und der englisch-amerika
nischen Presse im August dann
wieder die erfolgreiche Torpedierung des großen 10000-
Tonnen-Dampfers „Arabic" der White-Star-Linie heran
gezogen.
Auf dem „Arabic" hatten sich auch Amerikaner einge
schifft, von denen einige beim Untergang des Dampfers
umkamen. Er war zum Schutz in der Gefahrzone kriegs
grau angestrichen, was schon die mit ihm verfolgten unlauteren
Absichten anzeigte. Ferner war sein hinteres Räderwerk mit
Sandsücken verbarrikadiert, um den Steuerapparat vor dem
Granatfeuer von lt-Booten zu schützen. Ungewöhnliche Maß
nahmen tmirbeit getroffen, um zu verhüten, datz Bomben
an Bord geschafft würden. Alle Reisegäste wurden peinlich
genau untersucht. Detektive hatten auf jedermann ein
scharfes Auge. Trotz aller dieser Vorsichtsmaßregeln, die
besonnenen Menschen mindestens Bedenken erregen mutzten,
fanden sich 101 Zwischendeck- und 103 Kabinenpassa
giere» darunter natürlich auch amerikanische Bürger, zur
Mitfahrt bereit, obwohl es nicht an anderen sicheren
Reisemöglichkeiten fehlte. Der Dampfer verdiente die
Versenkung, denn er führte 110 Luftfahrzeuge und eine
große Anzahl Lastautomobile für die Verbündeten mit.
Unter den Zwischendeckpassagieren waren auch 25 ameri
kanische Mechaniker, die in englische Munitionsfabriken
eintreten sollten. Vom deutschen Standpunkt der Ab
wehr aller Feinde und Feindeshelfer ist das alles über
reichlich Grund zur Bekämpfung des Dampfers gewesen.
Zurückgeschfener Angriff
der Jtalier auf den
Brückenkf von Görz.
Nach einer stalzeichuung non
A. ReiMünchen.
Um die Bedeutung des von England erzwungenen
deutschen kl-Boot-Kampfes gegen die englische Handelsflotte
herabzusetzen, veröffentlichte die englische Presse eine Auf
stellung, nach der bis Ende Juli in 22 Wochen des bl-Boot-
Krieges 98 englische und 95 neutrale Handelschiffe versenkt
worden seien. Aus der Wiedergabe dieser Zahlen ist auch die
Absicht erkennbar, die Neutralen auf den deutschen Ll-Boot-
Krieg als Ursache der Schädigung ihres Handels hinzuweisen.
Demgegenüber stellte das Wolffsche Telegraphenbüro fest,
datz bis zum 25. Juli 1915 von deutschen O-Booten im
Kriegsgebiet 229 englische Schiffe, 30 andere feindliche und
6 mit feindlichen verwechselte neutrale Schiffe vernichtet
wurden. Außerdem sind 27 weitere neutrale Fahrzeuge
angehalten, untersucht und wegen
Führung von Bannware nach dem
Prisenrecht versenkt worden, weil
sie nicht eingebracht werden konn
ten. Endlich wurden noch drei
neutrale Schiffe von deutschen U*
Booten angeschossen, aber nicht
versenkt.
Von dem mit gesteigerter Straff
heit fortgesetzten Seekrieg gegen
ihre bewaffnete Handelsflotte ab
gesehen, hatten die Engländer vor
feindlichen Angriffen im Juli ver
hältnismäßig Ruhe. Nur am 3.
griffen deutsche Flieger das Land-
guardfort bei Harwich an. Ein
deutsches Wasserflugzeug und eine
einfache Flugmaschine warfen über
dem befestigten Platz Bomben ab
und konnten den verfolgenden
Engländern unbeschädigt entkom
men. Am 30. Juni meldete die
englische Regierung noch, datz der
Zerstörer „Lightning" an der Ost
küste Englands gesunken sei, ent
weder als Opfer eines deutschen
Torpedobootes oder durch Auf
fahren auf eine Mine. Das erste
Kriegsjahr schloß für die Engländer
mit einem Verlust von 790 000
Tonnen an Handelschifsen, denen
ein Verlust von 255 977 deutschen
gegenübersteht, und der Einbuße
von 331870 Tonnen an Krieg
schiffen gegenüber 95 307 Tonnen
auf deutscher Seite. Diese Zahlen
gewinnennoch anBedeutung,wenn
man in Rechnung stellt, datz der
deutsche Verlustmit gewissenhafter
Vollständigkeit angegeben ist, wäh
rend die englische Einbuße nur in
soweit herangezogen wurde, als sie
amtlich zugegeben war oder auf
Grund unleugbarer Tatsachen er
mittelt werden konnte. Der eng
lische Verlust ist also in Anbetracht
der hochentwickelten amtlichen
Schweigsamkeit über englisches
Mißgeschick unter allen Umständen
in Wirklichkeit bedeutend größer.
Das zweite Kriegsjahr brachte
den Engländern schon am 8. August
einen empfindlichen Verlust durch
Torpedierung des englischen Hilfs
kreuzers „Jndia" nördlich von Bo-
doe an der norwegischen Küste
beim Einlaufen in den Westfjord
in der Nähe der kleinen Insel
Helligvaerk. 160 Mann der Be
satzung des 7900 Tonnen verdrän
genden Hilfskreuzers kamen ums
Leben, 142 Gerettete wurden auf
norwegisches Gebiet geschafft und
dort festgehalten. Der verhäng
nisvolle Schutz war die Tat eines
deutschen ll-Bootes, das sich da
nach unbehindert auf die Suche
nach weiterer Kriegsarbeit machen konnte.
Am 9./10. August erfolgte ein neuer kraftvoller An
griff deutscher Marinelustschiffe auf britische Kriegschiffe
und die Docks von London im Zusammenhang mit einem
kriegerischen Besuch vieler befestigter Küsten- und Hafen
plätze der englischen Ostküste. Die Engländer beschossen
die deutschen Luftschiffe mit reichlicher Verschwendung von
Munition aus Ballonabwehrgeschützen und Maschinen
gewehren, ohne die deutschen Luftriesen verletzen zu können.
Diese vollführten ihr Werk vielmehr mit der gewohnten,
durch nichts zu störenden Ruhe und beobachteten gute Wir
kungen auf britischen Kriegschiffen, den Docks von London,
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