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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/16.
Italienischer Sturmangriff auf die Höhe
von Doberdo.
(Hierzu Karte und Bilder auf Seite 148—161.)
Nach den schweren Mißerfolgen bei Plava (S. 74)
holte General Eadorna, dein erneuten Drängen der Drei-
verbandsrnächte und der italienischen Kriegspartei nachge
bend, zu einem entscheidenden Schlage
aus, um die hartnäckig verteidigte
Isonzofront zu durchbrechen. Diesmal
richteten sich seine Maßnahmen gegen
die Höhe von Doberdo. Nachdem die
Italiener die nach Westen vorspringende
Hochfläche im Bogen umfaßt und nach
dem Muster der französischen Heeres
leitung die ganze Front abgetastet
hatten, um irgend eine schwache Stelle
zu entdecken, glaubten sie die Achilles
ferse der österreichisch-ungarischen Linie
bei Nonchi — Selz — Sagrado, also
zwischen Monfalcone und Gradiska,
gefunden zu haben. Drei italienische
Divisionen brachen in der Nacht vom
29. auf den 30. Juni gegen den Ab
schnitt Sagrado—Monfalcone vor. Be
sonders heftig gestaltete sich der Kampf
zwischen Ronchi und Monfalcone, wo
sich die Italiener des Zugangs auf die
Hochfläche von Selz und der Hänge
des 113 Meter hohen Monte Cosich
zu bemächtigen suchten. Obwohl diese
Angriffe unter den schwersten Verlusten
zusammenbrachen und der Feind in wil
der Auflösung zurückflutete, nahm der
Kampf in den nächsten Tagen an Hef
tigkeit und Erbitterung nur noch zu. Die
italienische Heeresleitung zog immer
von neuem Verstärkungen heran, bis am 5. Juli die ganze
dritte italienische Armee, mindestens vier Korps stark, gleich
zeitig gegen die österreichisch-ungarischen Stellungen von
Eörz bis zum Meere vorging. Da zu jedem Korps planmäßig
außer den aktiven Divisionen eine Division Mobilmiliz und ein
Bersaglieriregiment gehören, so läßt sich das italienische Heer
auf etwa 160 000 Mann schätzen, denen kaum der vierte Teil
auf österreichisch-ungarischer Seite gegenüberstand. Aber es
waren kampferprobte Truppen, die in sorgfältig ausgewählten
und vorbereiteten Stellungen an den Abhängen des Karstes
siegesgewiß den feindlichen Ansturm erwarteten, Truppen,
die schon auf dem serbischen Kriegschauplatz, auf den Ab
hängen und Bergen der Karpathen und auf den galizischen
Schlachtfeldern die Feuertaufe erhalten hatten.
Mit einer bisher unerhörten Massenverwendung von
Depeschen aus der Front werden während eines Gefechts in
Galizien aufgenommen und weitergegeben.
schwerer Artillerie, die tagelang ununterbrochen gegen
die österreichischen Stellungen donnerte, bereiteten die
Italiener den Sturmangriff ihrer Infanterie vor; er ent
wickelte sich zu einer erbitterten, blutigen Schlacht, die an
Heftigkeit den Kümpfen bei Ppern und Arras gleichkam.
Aber unerschütterlich hielten die österreichisch-ungarischen
Truppen, unter denen fast alle Nationalitäten der Donau
monarchie vertreten waren, in dem furchtbaren Feuer aus;
unbeugsam war ihr Mut, nur ein Losungswort ging
durch ihre Reihen: „Solange noch einer von uns lebt,
soll kein Italiener hier durchdringen!" „Und wirklich," so
schreibt ein Mitkämpfer, „die Dalmatiner standen wie viel
hundertjährige Eichen, sie wankten nicht. Hier gegen die
Italiener fühlten sie ihre Kraft verzehnfacht; ein jeder von
ihnen wollte wenigstens zehn seiner
Todfeinde auf sich nehmen. Ja, sie
machten sich über die Italiener, die
lange mit dem Angriff zögerten, noch
lustig und riefen ihnen zu: , Nur los
zum Sturm, wenn du ein Held bist
— wenn dich eine Mutter geboren
hat, wir erwarten dich!'"
Endlich kamen sie. In dichten
Reihen wälzt es sich von der Ebene
her auf die Höhen zu, aus Gärten,
Getreidefeldern und Pinienhainen
blitzen die Gewehre und donnern die
Salven, die Trompeten schmettern
zum Sturmangriff, und unter lautem
Feldgeschrei: „Avanti Savoia!“ (Vor
wärts Savoyen!) stürmten Alpini,
Bersaglieri und Infanterie die Höhen
hinan auf die k. u. k. Stellungen
zu. Ruhig ließ man den Feind auf
100 Meter an die Schützengräben
herankommen — dann ein mörderisches
Feuer, und die ersten Sturmkolonnen
wälzten sich in ihrem Blute. Einen
Augenblick zögerten die nachfolgenden
Reihen; auch sie wurden von den
österreichisch-ungarischen Maschinenge
wehren gelichtet und wendeten sich zur
Flucht. Aber gleich traten frische Reser
ven in die Lücken; neu eingetroffene
Regimenter griffen in den Kampf ein, gleich den vorzüglichen
Alpini und Bersaglieri alte, gediente Soldaten, die schon unter
der heißen Sonne Afrikas mit Türken und Arabern fochten.
Aber vergebens stürmten sie gegen den eisernen Ring der
österreichisch-ungarischen Linien an: die Tiroler Standschützen,
die Söhne der Pußta, die zähen Kärntner und Steiermärker
Landsturmleute, die kroatischen Hausregimenter und die
Dalmatiner Landwehr wiesen mit unerschütterlicher Ruhe
jeden Angriff zurück, obwohl der Feind Tag und Nacht den
Sturm erneuerte. Wohl gelang es den Italienern stellen
weise, in den vordersten feindlichen Gräben Fuß zu fassen,
so. bei Selz und Vermegliano, von wo sie dann den Monte
Eosich stürmen wollten. In der Tat gelang es ihnen, sich
nach heftigem Kampf an den Abhängen festzusetzen. Aber
niit Bajonett und Gewehrkolben warfen die tapferen Ver
Brückenbewachung bei Mstra in Galizien.
teidiger den Feind in verzweifeltem Handgemenge wieder
zurück, und das wohlgezielte Feuer der Maschinengewehre
mähte die Reihen der Angreifer nieder. An der ganzen
Isonzofront scheiterte so der Ansturm der Italiener, der vier
zehn Tage lang mit unverminderter Heftigkeit tobte, unter
den schwersten Verlusten. Unerschütterlich wie die Mauer
um Tirol steht auch der Wall der Verteidiger am Jsonzo.
Eine Fernsprecherleitung wird während des
Gefechts ausgebessert.