Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. DritterBand. (DritterBand)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
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Uber die Narewlinie bei Lomsha. 
(Hierzu die Bilder Seite 144/146 und 147.) 
Während des gewaltigen Ringens urn die Bezwingung 
des russischen Widerstandes im Vorgelände des Narew haben 
die Kämpfe im westlichen Teile, von Ostrolenta bis Norvo- 
Eeorgiewsk, immer die größere Aufmerksamkeit auf sich 
gelenkt. Zur Erklärung genügt es, Namen wie Mlawa, 
Eiechanow, Krasnostelc und vor allem das vielumstrittene 
Prasznysz zu nennen. Weiter ostwärts hörte man wohl 
gelegentlich von Kämpfen am 
Omulew, an der Szkwa und Pissa; 
aber als große, geschlossene Kampf 
handlung fiel keines dieser Ge 
fechte dem Laien besonders ins 
Auge. Das konnte auch nicht an 
ders sein, denn während west 
wärts vom Omulew das Land 
bis an die Bahnlinie Mlawa— 
Warschau ziemlich offen und über 
sichtlich, also der Bewegung größe 
rer Truppenmassen viel günstiger 
ist, erfüllen den Raum ostwärts 
bis zur Pissa weite zusammen 
hängende Waldungen, die sich auch 
im nördlichen Vorgelände von 
Lomsha ausbreiten und über den 
Bobr bis Bielostok fortsetzen. Mit 
großer Meisterschaft verstanden die 
Russen, solches Gelände mit ab 
wechselndem Hochwald, Nieder 
holz und offenen Strecken zu Ver 
teidigungszwecken auszubauen. 
Dazu bot das feste Lomsha ihnen 
Gelegenheit, jeden Bedarf an 
Munition und Lebensmitteln im 
mer wieder rasch zu decken. Die 
Bezwingung dieses Teils der Na- 
rewlinie konnte also erst dann mit 
Aussicht auf dauernden Erfolg in 
Angriff genommen werden, wenn 
die russische Stellung westwärts 
vom Omulew ins Wanken ge 
bracht war. Dann aber mußte 
hier sofort ein ebenso kräftiger 
Vorstoß erfolgen, um von den 
westlich anschließenden Truppen 
verbünden jede Gefahr der Flan 
kierung fernzuhalten. Die Armee 
des Generals v. Scholz, der diese 
Aufgabe zufiel, hat sie, als der Tag 
dazu anbrach, glänzend gelöst. Am 
14. Juli war Prasznysz gestürmt 
worden. Schon am 15. wurden 
Fortschritte südwestlich von Kolno, 
also nordwestlich von Lomsha ge 
meldet, und am 16. bereits be 
fanden sich die Russen auch an 
der Pissa in vollem Rückzug. Wie 
immer, hatten sie auch hier eine 
Verteidigungstellung hinter der 
anderen angelegt, Schützengraben 
an Schützengraben und alle Arten 
von Verhauen, zu denen die na 
türliche. Beschaffenheit des Lan 
des allenthalben die beste Ge 
legenheit bot. Jeder Tag brachte also der unaufhaltsam 
vorwärtsdringenden deutschen Armee zwar neue Erfolge, 
aber auch neue schwierige Aufgaben, die eben Nur durch so 
vortrefflich geführte und von so großartiger Kampfesfreude 
getragene Truppen auf die Dauer bewältigt werden konnten 
— ein unaufhörliches Ringen mit einem ungemein zäh 
und hartnäckig sich verteidigenden Gegner, das zu den 
bewundernswertesten Leistungen in diesem Weltkrieg ge 
zählt werden muß. „Wo der Gegner in vorbereiteten Stel 
lungen Widerstand leistete, wurde er angegriffen und ge 
worfen," heißt es bündig im Tagesbericht vom 18. Juli. 
Am 19. erreichte die Armee Scholz den Narew nördlich von 
der Skwamündung; zugleich wurden die auf dem nordwest 
lichen Flußufer gelegenen ständigen Befestigungen von Ostro- 
lenka von den dort kämpfenden Truppenteilen besetzt. Die 
folgende Woche brachte der Armee Eallwitz die Eroberung 
der Festungen Roshan und Pultusk (siehe S. 120). Am 
25. wurde oberhalb von Ostrolenka der Flußübergang er 
zwungen, am 1. August auch nordwestlich von Lomsha. Schon 
am 4. rangen die Armeen Scholz und Eallwitz um den 
Besitz der Straße von Lomsha nach Ostrow; am folgenden 
Tag war der russische Widerstand auf der ganzen Linie von 
Lomsha bis zur Bugmündung endgültig gebrochen. Ge 
wissermaßen die Krönung erhielt die Riesenleistung der Armee 
spielen, gelangen nur spärliche Nachrichten nach Europa. 
Lange Zeit kam es überhaupt nicht zu bedeutenderen Kümp 
fen, da die Türken den englisch-indischen Truppen, die, nach 
dem sie die alten Forts von Fao und El Koweit am Persischen 
Golf zum Schweigen gebracht hatten, landeinwärts auf 
Basra vorgedrungen waren, keinen ernstlichen Widerstand 
entgegensetzten. Erst als die Engländer von Korna (an der 
Vereinigung des Euphrat mit dem Tigris zum Schatt el 
Arab) aus die türkischen Höhenstellungen am Ufer des 
Tigris angreifen wollten, entstanden erbitterte Kümpfe, in 
Scholz dann am 9. Sie durchbrach die Außenstellungen von 
Lomsha, erstürmte nach heißem, blutigem Ringen Fort VI 
und sah sich am nächsten Morgen endgültig im Besitz dieser 
wichtigen Festung. Südlich davon befand sich die ganze 
russische Front im Rückzug, und die siegreichen deutschen 
Truppen konnten daran denken, den Angriff nunmehr 
gegen den nächsten Abschnitt, den Bug, vorzutragen. 
Niederlage der Engländer bei Katatelnaj 
am Euphrat. 
(Hierzu obenstehendes Bild.) 
Von den Ereignissen, die sich auf dem Kriegschauplatz 
in Mesopotamien (siehe die Karte Band II Seite 302) ab- 
Zurückmisung eines 
englischen Angriffs auf die 
türkischen Stellungen am 
Euphrat. 
Nach einer Onginalzeichnung von 
G.Hänel. 
denen die Türken siegreich blieben und den Feind unier 
schweren Verlusten zurückschlugen (vgl. Band II S. 304 ff.). 
Aber immer wieder versuchten die Engländer stromauf 
wärts vorzudringen, um den berühmten Haupthandelsplatz 
Mesopotamiens, die alte Kalifenstadt Bagdad, zu besetzen, 
stch schließlich mit den an den Quellen des Euphrat und 
Tigris stehenden Russen zu vereinigen und so den Türken 
in den Rücken zu fallen. Auf Kähnen, Dampfern und Trans 
portschiffen brachten die Engländer Kanonen, Munition und 
Proviant in großen Mengen von Basra herbei und befestigten 
ihre Stellungen um Korna, wo ihnen auf der ganzen Front 
die Türken in der Verteidigung gegenüberlagen. Alle eng 
lischen Angriffe auf die Höhen von Barhan und Batta, nörd 
lich von Korna, scheiterten an der tapferen Gegenwehr der 
türkischen Verteidiger. Auf dem westlichen Flügel gingen 
die Türken sogar zum Gegenangriff vor und warfen den 
Feind aus dem Ort Katatelnaj. Unter dem Schutze der 
Nacht waren am 5. Juli die türkischen Schwarmlinien un 
bemerkt bis an das englische Lager herangeschlichen und 
hatten den ahnungslosen Feind überrascht. Ehe dieser zu den 
Waffen greifen und sich wirksam verteidigen konnte, hatten 
die Türken, unterstützt von den eingeborenen Beduinen- und 
Nomadenstämmen, das englische Lager überfallen und er 
obert, wobei ihnen reiche Beute an Waffen und Munition in 
die Hände fiel; auch wurden zahl 
reiche Gefangene gemacht, dar 
unter ein Oberstleutnant der Artil 
lerie. Katatelnaj wurde im Sturm 
genommen und der Feind auf 
Korna zurückgeworfen. Inzwischen 
zogen die Engländer bedeutende 
Verstärkungen heran und ver 
suchten, indem sie den Euphrat 
aufwärts mit Kanonenbooten vor 
drangen, die verlorenen Stel 
lungen wiederzugewinnen. Ain 
14. Juli griffen die Engländer 
bei Mondschein die türkischen 
Stellungen am Euphrat zu Was 
ser und zu Lande an. Eine furcht 
bare Kanonade, die den Türken 
indes nur ganz geringen Schaden 
zufügen konnte, leitete den Kampf 
ein, der zur erbitterten Schlacht 
wurde und erst am Abend des 
nächsten Tages mit einer vollstän 
digen Niederlage der Engländer 
endete. Es gelang ihnen an keiner 
Stelle, sich der türkischen Grüben 
zu bemächtigen, so oft die indischen 
Truppen auch mit Bajonett und 
Handgranaten den Durchbruch er 
zwingen wollten. Jedesmal mäh 
ten die türkischen Maschinenge 
wehre die Reihen, der Stürmen 
den nieder, und wo der Feind 
in den vordersten Schützengräben 
einen Augenblick Fuß fassen konnte, 
wurde er in blutigem Handge 
menge bald wieder zurückgeworfen. 
Ebensowenig führte der englische 
Angriff zur See zum Ziel. Hier 
hatte der Feind, die zahlreichen 
Kanäle des Euphrat, die das 
fruchtbare Tiefland durchschneiden, 
benutzend, den rechten türkischen 
Flügel zu umgehen und ihm in 
den Rücken zu fallen versucht. Auf 
Kähnen und Barken hatten die 
Engländer ihre Truppen heran 
gezogen und unter dem Schutze 
der Palmenhaine unbemerkt im 
Rücken der türkischen Stellungen 
landen können. Die Türken, die 
zu derselben Zeit an der Front an 
gegriffen wurden, sahen sich nun 
plötzlich auch von hinten bedrängt. 
Indes verloren sie keine Minute 
den Mut; die Not verdoppelte 
nur ihre Ausdauer und Tapfer 
keit. Es waren besonders eingeborene Freiwillige, Be 
duinen und Araber, die iin Bunde mit regulären Truppen 
die Engländer zurückschlugen und an ihre Landungsplätze 
zurückdrängten. Hier kam es zu einem erbitterten Rah- 
kampf, der den Feind zu schleunigster Flucht auf ferne 
Schiffe nötigte. Wer diese nicht rasch genug erreichen 
konnte, warf seine Waffen ins Wasser und schwamm den 
Booten nach. Den Fliehenden auf den Fersen folgten die 
Türken, die alles niedermachten, was ihnen in die Hände 
kam. Über tausend Engländer blieben auf der blutigen 
Walstatt am Strande des Euphrat tot, unter ihnen der 
Oberbefehlshaber des Expeditionskorps und zwei höhere 
Offiziere; dazu kamen noch zahlreiche Verwundete, deren 
sich der Rote Halbmond annahm.
	        
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