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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15.
erzählen. Am 19. nachmittags waren wir in die Nähe von
Roshan gekommen, und hier schanzte sich unser Bataillon
ungefähr 1500 Meier von den russischen Stellungen ent
fernt ein. Am 20., morgens ein Uhr, erhielt unsere fünfte
Kompanie den Befehl, sich im Schutze der Nacht bis auf
Sturmentfernung gegen die russische Stellung vorzuarbeiten
und sich hier einzugraben. Mein zweiter Zug war bis auf
200 Meter Entfernung an die Drahtverhaue gekommen und
schanzte sich hier ein. Die beiden anderen Züge waren noch
nicht so weit vor. Bis diese auf unserer Höhe waren, dämmerte
es schon, und so wurden sie von den Russen bemerkt. Wie sie
eben anfingen sich einzugraben, ging bei den Russen ein wahn
sinniges Gewehr- und Maschinengewehrfeuer los, besonders
aus dem Flankierungsgraben, die die Russen immer meister
haft anlegen. In diesem rasenden Feuer mutzten wir uns also
einschanzen, aber wie durch ein Wunder passierte in der
Kompanie nichts, wir hatten nur einen Leichtverwundeten.
Die Lage war nun so: Unsere Artillerie, hauptsächlich
unsere schweren Batterien, sollte die Gräben und Draht
verhaue zusammenschietzen. Wenn das geschehen war,
sollte unsere fünfte Kompanie zum Sturm antreten. Fünf
Uhr dreißig früh fing dann auch unsere Artillerie mit ihrem
Wirkungsschietzen an. Daraufhin wurden die Russen
wieder etwas be
ruhigt, es fielennur
noch einige Schüsse,
und wir konnten
nun unsere Köpfe
herausstrecken und
dem großartigen
Schauspielzusehen.
Das war eine
Wonne für uns, zu
sehen, wie unsere
Artillerie in die
Gräben und Draht
verhaue funkte,
ganz besonders,
wenn eine schwere
Granate in die Ein
deckung des Gra
bens gesetzt wurde
unddieBalkenstücke
weit in die Luft
flogen. Sieben Uhr
fünfundvierzig kam
dann der Befehl,
um acht Uhr sei der
Sturm anzutreten.
Mit der Uhr in der
Hand wartete der
Kompanieführer,
und Punkt acht Uhr,
mit dem letzten Schutz unserer Artillerie, stiegen wir aus
dem Graben. Jetzt fingen aber auch die Russen wieder an
zu feuern, und besonders ihre Maschinengewehre machten
sich unangenehm bemerkbar. Sie waren also doch noch nicht
ganz eingeschüchtert. Wie wir aber an die Drahtverhaue
kamen, die doch noch zum großen Teil unbeschädigt waren,
packte die Russen der große Schrecken, und sie taten nicht mehr
recht mit. Jetzt kamen auch aus der Festung russische Artil
leriegrütze angefegt. Das hielt uns aber nicht auf, und nach
dem die Drahtverhaue vollends durchschnitten waren, nahmen
wir mit Hurra den Graben. Die Russen hatten sich zum großen
Teil zur rechten Zeit in Sicherheit gebracht. Die Kompanie
suchte nun den Graben links der Straße ab, während ich
mit einigen Leuten meines Zuges die rechte Hälfte absuchte.
Dabei sielen mir eine große Anzahl Russen, es waren an
die 200, und ein Maschinengewehr mit reicher Munition
in die Hände. Ich brauchte ihnen nur meine Pistole vor
zuhalten, da streckten sie alle die Hände in die Höhe. Durch
zwei Mann ließ ich dann die ganze Gesellschaft, die froh war,
daß sie gefangen war, abführen. Inzwischen waren auch
die .. .er herangekommen, die durch die russische Artillerie,
die ihnen einen Feuerriegel vorgelegt hatte, ziemlich Verluste
erlitten. Dadurch, daß ich die rechte Hälfte des Grabens ab
gesucht hatte, kam ich ganz von meiner Kompanie ab und
war auf einmal mitten unter den .. .ern drin. Aber die konn
ten mich auch ganz gut gebrauchen. Sie waren ganz durch
einander gekommen, und wo ich war, hatten sie gerade keinen
Führer. Inzwischen hatten sich die Russen hinten bei Roshan
wieder geordnet und eröffneten gegen uns das Feuer. Sie
versuchten immer wieder vorzukommen und uns zu über
flügeln, aber wir merkten das, und durch die erforderlichen
Gegenmaßregeln und mit Hilfe unserer Maschinengewehre
vereitelten wir ihren Plan. Wie die Russen sich nun all
mählich Zurückzogen, sah ich mich auch nach meiner Kom
panie um. Ganz weit links glaubte ich sie zu sehen, und um
es genauer zu erkennen, richtete ich mich auf und sah durchs
Glas. Da hatte ich aber auch schon eins weg. Ich sage Euch,
das war ein Schlag. Hingepappt hat es mich auf den Boden
wie eine Reklamemarke. Das erste war aber, daß ich trotz mei
ner Schmerzen auf den Russen, der mich mit seiner Kugel
mitten aus dem schönen Vorgehen herausriß, schimpfte, was
das Zeug hielt. Einige von meinen Leuten, die ich noch bei
mir hatte, verbandenmich dann, und zu viert trugen siemich auf
einer Zeltbahn zwei Stundenlang zum Verbandplatz zurück....
Was ungarische Husaren leisten.
(Hierzu die Kunftbeilage.)
Wer den Sturm auf Przemysl und den Einzug der
verbündeten Truppen in die Festung (s. auch Seite 10 u. 11)
wurde aus dem österreichisch-ungarischen Kriegspressequartier
unterm 7. Juni ein
glänzendes Reiter
stück gemeldet, das
dieunterMackensen
am Südflügel ste
hendenungarischen
Husaren vollbrach
ten. Indes gleich
zeitig die Bayern
über die Sanbrük-
ken, die zum Teil
erst wiederherge
stellt wurden, mit
unaufhaltsamer
Sturmkraft vor
drangen, empfing
die ungarische Ka
valleriedivision von
ihren Patrouillen
die Meldung, daß
keine der vor ihr
über den San füh
renden Brücken
überschreitbar sei.
Der Reitervor
marsch aber erfuhr
auch nicht die Ver
zögerung einer Mi
nute. Die ganze
Division erreichte
in gestreckter Karriere das Sanufer, und den Karabiner hoch
in der erhobenen Rechten, die Zügel in der Linken, über
querten Mann und Pferd schwimmend den San, Eskadron
neben Eskadron, worauf die gesamte Division gegen Prze
mysl weiterjagte. Der Übergang der verwegenen Burschen,
sämtlicher Miskolczer Reiterei, hatte weniger Zeit bean
sprucht, als für einen Brückenübergang nötig gewesen wäre.
«Herr Leutnant, hier! ich melde mich."
Rings an den Wänden Bett an Bett —
Ein kahler Raum, das Lazarett.
Viel Menschenelend in dem Saal
Von Wundenschmerz und Todesqual.
Rur um ein Lager ist es still —
Ein Mann, der dort entschlafen will»
Von irgendwo ein junger Held,
Der jauchzend zog mit in das Feld,
Der jauchzend zog mit in die Schlacht —
Run hat der Tod ihn stumm gemacht.
Sein Auge starr, sein Atem schwer,
Da haucht's von seinen Lippen her.
Und leise spricht er noch für sich:
„Herr Leutnant, hier! ich melde mich.«
K. Hendel.
Phot. Eiko-Fikm G. m. b. H., Berlin.
Teilnehmer der türkischen Rote-Kreuz-Expedition auf der Rast im Taurus.