Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Achter Band. (Achter Band)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/18 
der Randvoller, ihre eigene Regierung einzusetzen und ihr 
Recht auch nrit Waffengewalt durchzudrücken. Ihr Aufstand 
wurde von den Bolschewisten blutig niedergeworfen, und 
es begann ein schonungsloses Ausplündern und Morden, ein 
Hinschlachten auch von unschuldigen Frauen und kleinen 
Kindern, das die vollkommen entwaffneten und wider 
standsunfähigen Tataren im tiefsten Innern aufpeitschte. 
Noch einmal versuchten sie ihr Heil in einem antibolsche- 
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standen nur zweitausendfünfhundert Mannschaften gegen 
über, die in türkische Gefangenschaft gerieten. In den 
Forts und Arsenalen wurden Zweihundertfünfzig Geschütze 
verschiedenen Kalibers und große Mengen von Waffen und 
Munition erbeutet, im Hafen und auf den Bahnanlagen 
zahlreiche beladene Schiffe, Wagen, Kraftwagen und be 
trächtliche Mengen Lebensmittel und Rohstoffe. In der 
Stadt selbst herrschte Ruhe und Ordnung, so daß die Türken 
nach Zurücklassung einer kleinen Be 
satzung sofort den Vormarsch auf 
Ardakan und Kars antreten konn 
ten, die gleichfalls noch von den rus 
sischen Truppen verteidigt wurden. 
Die Eroberung der Krim. 
Von Dr. Fritz Wertheimer, Kriegs 
berichterstatter der Frankfurter Zeitung. 
Am Tage, ehe deutsche und 
österreichisch-ungarische Truppen 
Odessa erreichten, fuhr die bolsche 
wistische Schwarzmeerflotte mit 
wehenden roten Fahnen aus dem 
Hafen» eine klare und deutliche Ab- 
fage an die Ukraine, als deren Hel 
fer die deutschen Truppen doch nach 
Odessa kamen. Sie ging nach dem 
bolschewistischen Stützpunkt Sebasto- 
pol, und wenn auch nach Lage der 
Dinge der Tag abzusehen war, an 
dem sie völliger Mangel an Kohlen 
lahmlegen mußte, so blieb sie doch 
einstweilen eine starke Bedrohung 
der Sicherheit und der Ruhe im 
Schwarzen Meere. An dieser ruhigen 
Freiheit aller Handelschiffahrt aber 
war nicht nur die Ukraine, sondern 
waren auch die eifrigen Handels 
austausch mit ihr erstrebenden Mit 
telmächte aufs lebhafteste inter 
essiert. So entstand der Plan, jener 
Flotte ihre Basis wegzunehmen. 
Zum Krimfeldzug drängten aber 
auch noch andere Überlegungen. 
Auch auf dieses schöne Land 
hatte die bolschewistische Schreckens 
herrschaft in einer Weise übergegrif 
fen, die kaum mehr erträglich war. 
Die in ganz Rußland üblichen Morde 
an ehemaligen Offizieren vollzogen 
sich in der Krim in ganz besonders 
scheußlicher Weise. Man erschoßHun- 
derte von Männern an den Kais, 
sodaß die Leichen ins Wasser fallen 
mußten. Und da man ihnen zuvor 
schwere Steine an die Füße gebun 
den hatte, so pendelten die aufrecht 
stehenden Leichname auf dem Mee 
resgrunde hin und her und boten 
an klaren Tagen schreckliche Bilder 
in dem untiefen Wasser. In Se- 
bastopol warf man gar die Offi 
ziere gebunden und mit Steinen 
beschwert lebendig ins Wasser der 
Bucht. Das russische Bürgertum 
schwebte seit Monaten in bangen 
Todesängsten. Mit ihm die deutschen 
Kolonisten, denen vom landwirt 
schaftlich bebauten Boden der Krim 
ja 60 bis 70 vom Hundert gehören 
und deren reiche und blühende Niederlassungen den Bolsche 
wisten ein Dorn im Aug: waren. Am schwersten aber litten 
die Tataren, die einstigen Beherrscher des Landes, die, seit 
russische Bedrückung große Massen ihres Volkes zur Auswan 
derung veranlaßt hatte, nur noch im Südteil der Krim in 
größerer Geschlossenheit, meist als kleine Wein- und Tabak- 
pflanzer, als Gärtner und höchst geschickte landwirtschaftliche 
Arbeiter wohnten. Im Januar 1918 versuchten die Tataren 
nach dem ja von den Regierungsbolschewisten in Petersburg 
amtlich gebilligten System des Rechts auf Selbstbestimmung 
Einzug der deutschen Truppen in Sebastopol. 
wistischen Zuge, als schon die Deutschen anrückten, aber 
sie wurden von den besser bewaffneten Gegnern abermals 
zurückgewiesen, neue Morde waren die Folge und Monitore 
der Schwarzmeerflotte beschossen die schutzlosen Orte tata 
rischer Ansiedlungen an der Südküste, Gursuff, Aluschta, 
Jalta. Deutschland mußte erst mit Waffengewalt ein 
schreiten, um diesen unerträglichen Zuständen in der Repu 
blik Krim ein Ende zu machen. 
In aller Ruhe und Sorgfalt vollzog sich nach dem 
Durchschreiten Chersons die Versammlung der deutschen 
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/18. 
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Truppen um den Dnjepr bei Biereslawl» von wo aus der 
Vorstoß durch Taurien nach der Enge von Pierekop statt 
finden sollte, die Taurien und die Krim verbindet. Erst 
nach dem Gelingen dieses Durchbruches sollte dann, wenn 
in südöstlichem Vorwärtsschreiten die große Eisenbahn von 
Melitopol nach Sebastopol am Knotenpunkt Dzankoi er 
reicht war, von Norden herunter eine zweite Gruppe 
vorgehen und die Bahn mit dem schmalen Damm und der 
großen Eisenbetonbrücke über das Faule Meer benutzen, um 
Simferopol zu erreichen. Die Wirklichkeit warf diesen Plan 
insofern etwas über den Haufen, als diese Gruppe den 
feindlichen Widerstand schneller, als man erwartet hatte, 
brechen konnte, als den Bolschewisten die Sprengung der 
Ssiwasbrücke nicht gelang, und diese Truppen somit nach 
wenig bedeutungsvollen Kämpfen mit feindlichen Panzer 
zügen ungehindert nach Dzankoi durchfahren konnten, von 
wo aus sie dann nach heftigeren Kämpfen vor Simfe 
ropol am 21. April diese Hauptstadt des ehemaligen rus 
sischen Gouvernements Taurien erreichten. Indessen war 
es den Truppen des Generals v. Egloffstein gelungen, bei 
Pierekop den starken und verzweifelten Widerstand des Geg 
ners zu brechen. Dort durchzieht ein alter, von den Tataren 
gebauter und durch mächtige Dammaufschüttungen verhält 
nismäßig hoch gelegter Kanal von 9 Kilometer Länge die 
Landenge. Er ist heute vollkommen versandet und ausge 
trocknet und macht den Eindruck verfallener Bastionen und 
Festungswerke. Das einst blühende 
Handelstädtchen Pierekop hat längst 
alle Bedeutung verloren. Mer die 
Bolschewisten, die schon 30 Kilo 
meter nordwärts, in Taurien. bei 
Czaplinka, unseren Vormarsch ver 
geblich hatten aufhalten wollen, 
waren entschlossen, diesen Schlüssel- 
punkt der Krimstellung energisch zu 
verteidigen. Feldstellungen von be 
trächtlicher taktischer Stärke waren 
ausgehoben und gut verdrahtet wor 
den. Sie wurden am 19. April am 
rechten Flügel nach kurzer Artillerie 
wirkung siegreich durchbrochen, Ka 
vallerie eilte durch die Lücke, faßte 
in Pierekop und in dem Kreis- 
städtchen Armianskdie Bolschewisten 
im Rücken und rieb sie auf. Rund 
800 Bolschewisten fielen. Die 
Kampfwut der Reiter war beson 
ders groß, da ein Tags zuvor mit 
dem Pferde gestürzter junger Of 
fizier mit zweien seiner Leute, in 
bolschewistische Gefangenschaft ge 
raten, vom Gegner wegen der 
Weigerung, Aussagen zu machen, 
gefoltert und erschossen worden war. 
In wilder Flucht zogen die Bol 
schewisten nach Süden, scharf ver 
folgt von den durch die Pierekop- 
enge immer zahlreicher durchströ 
menden deutschen Truppen. Wäh 
rend sich die Hauptmacht der Infan 
terie nach Süden wandte, um in 
Simferopol auszuschließen und sich 
zum Angriff auf Sebastopol zu 
sammeln, marschierte die Durch 
bruchsgruppe über Dzankoi süd ost 
wärts. Hier stießen immer wieder 
von Feodosia aus-Bolschewisten auf 
Panzerzügen vor und beunruhigten 
und brandschatzten die reichen deut 
schen Kolonien in der Ebene. Lang 
sam wurden sie zurückgedrängt bei 
Syrtke Szuczka und bei Akmat, der 
Salgirabschnitt wurde am 26. April 
genommen und südlich von ihm 
bei Jczki ein feindlicher Panzerzug 
durch eine Schwadronsattacke er 
beutet mit 6 Geschützen, 4 Maschi 
nengewehren, 100 Gewehren, 
2 Lastautos, 30 angeschirrten Pfer 
den und reicher Munition. Dann 
kam eine kurze Rast am Jndotab- 
schnitt, am 29. April der kampflose 
Einmarsch nach dem Bolschewisten 
hauptort Karasubazar und am 
30. April der Einzug im Hafen Feo 
dosia, von wo aus sich die Bolsche 
wisten zu Schiff nach dem Kaukasus 
geflüchtet hatten. 
Inzwischen war die Versammlung der Truppen um 
Simferopol beendet und am 28. April begann der Vor 
marsch in drei Gruppen. Die erste rückte westlich von der 
Sebastopolbahn vor — der Bulganakabschnitt war ja nach 
wiederholten heftigen und blutig gescheiterten bolschewi 
stischen Angriffen schon zuvor gesäubert worden! — und 
erreichte am 30. April Bielbiek und das gleichnamige 
Flüßchen. Die jenseits der Sebastopoler Bucht gelegenen 
Batterien verteidigten sich nicht, die deutsche Artillerie be 
schoß nur noch zwei gerade zum Entwischen ausfahrende 
Nach einer Originalzeichnnng von Max Tilke.
	        
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