Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Achter Band. (Achter Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/18. 
scheu. Es folgt Kertsch mit SO 000 Seelen, in weitem Abstand 
kommen Feodosia und Perekop. Die Eesamtbevölkerung 
der Krim überstieg vor dem Weltkriege 1,8 Millionen. 
Die Kopfmenge der deutschen Siedler hat sich außer 
ordentlich vermehrt. Die Siedlerfamilien sind ungemein 
fruchtbar, sie bringen es bis auf zwanzig, ja dreißig Binder. 
Eine alte Schätzung spricht von 30 000 Deutschen, neuere 
Veröffentlichungen jedoch von 78 000. Allein auch wenn 
man die größere Zahl für sicher hält, die immerhin nur ein 
Dreiundzwanzigstel der Gesamtbevölkerung ausmachen 
würde, so gibt dies nicht entfernt ein erschöpfendes Bild von 
der Bedeutung unserer Volksgenossen in dem Gouvernement 
Taurien, wie nun amtlich diese Halbinsel genannt wird 
(ein Name, der in unserer Presse gelegentlich zu einer 
seltsamen Verwechslung mit dem Taurus in Südanatolien 
geführt hat). Von dem Grund und Boden in der Krim 
besitzen nämlich die deutschen Siedler in der Krim nicht 
weniger als siebzig vom Hundert. Einen starken Rückhalt 
gewinnt dieser Besitz dadurch» daß in dem unmittelbar an 
stoßenden Gouvernement Cherson mindestens die Hälfte 
wiederum den Deutschen gehört. Am 
bekanntester! sind von diesen Kolonisten 
die Gebrüder Falzfein, die ebenfalls 
in beiden Gouvernements begütert sind. 
Diese einzige Familie verfügte über mehr 
als eine Million Schafe. Der älteste der 
Brüder, nicht nur Landwirt und Vieh 
züchter, sondern auch Jäger und Sports 
mann, für Pferde begeistert, deren 
Schlag in der Krim besonders ausge 
zeichnet ist» und allgemein der unge 
krönte König der Krim genannt, hatte 
sich einen wahren Palast inmitten einer 
großen Ebene errichten lassen und ge 
noß nicht nur bei seinen Landsleuten, 
sondern auch bei den Tataren, aus de 
ren Reihen die meisten seiner Ernte 
arbeiter kamen, eines gewaltigen An 
sehens. Der älteste ist vor einigen 
Jahren gestorben, die fünf übrig 
bleibenden Brüder jedoch hoffen, dem 
nächst nach der Krim zurückzukehren und 
dort ihren alten Besitz zurückzuerhalten, 
ihnen andere Siedler von ihren Ländereien durch die zarische 
Regierung vertrieben oder durch die Revolution geschädigt 
worden sind, darüber ist man bemüht» zuverlässige Nach 
richten zu sammeln. Ohne Zweifel wird sich die deutsche 
Regierung angelegen sein lassen, die berechtigten Ansprüche 
der deutschen Landsleute zu vertreten und gebührend durch 
zusetzen. Sie hatten in jeder Beziehung Musterwirtschaften 
aufgebaut, und waren auch sonst, nicht nur an Besitz, son 
dern auch an Kultur das führende Eleinent in der so bunt 
gemischten Bevölkerung. Nur im Handelsleben der Städte 
überwogen Juden und Griechen. 
Wie hohe strategische Bedeutung der Krim zukommt, 
ist allein daraus ersichtlich, daß ein früherer Weltkrieg, der 
anfänglich auf drei Schauplätzen ausgefochten wurde, im 
Nordostbalkan, in Anatolien und an den Nordküsten des 
Schwarzen Meeres, zuletzt ausschließlich an der Krim haftete. 
Der Krieg wurde zwischen Rußland und den verbündeten 
Engländern, Franzosen, Italienern und Türken, denen 
sich durch eine bewaffnete Neutralität und durch die Be 
setzung der Donaufürstentümcr die Österreicher halbwegs an 
schlossen, ausgefochten. Der Krimkrieg dauerte von 1853 
bis 1856 und drehte sich zuletzt um die Festung Sebystopol. 
Die Landung der verbündeten Truppen geschah vorzugs 
weise in Eupatoria. Auffallenderweile dachte bei den Ver 
bündeten niemand daran, den Hals der Krim abzuschnüren, 
die Engen von Perekop, den einzigen Zugang, der vom 
Festlande aus zu der Halbinsel führte, den Russen zu 
entreißen. So hatten diese den unschätzbaren Vorteil, be 
ständig Verstärkungen an sich ziehen zu können, dergestalt, 
daß sie an Zahl sogar den Angreifern, die doch das Meer 
beherrschten und für ihren Nachschub freiesten Zugang 
hatten, überlegen wurden. Vermutlich hat dabei die Über 
legung mitgespielt, daß bei den genannten Engen durch 
die oben geschilderten Sümpfe das Klima sehr ungünstig 
ist und sich daher für die Ansammlung größerer Trup 
penmassen nicht empfiehlt. Auch so brachen schlimme 
Krankheiten bei den Heeren der Verbündeten aus. Die 
Phot. Berl. Jllustrat.-Gef. m. b. H. 
Das deutsche Abzeichen für Verwundete, das 
laut Kaiserlicher Kabinettsorder vom 3. März 
1918 als besondere Anerkennung den imDienste 
des Vaterlandes Verwundeten verliehen wird. 
Inwieweit außer 
Versäumnis hatte jedenfalls die Wirkung, den Krieg er 
heblich zu verlängern. Auch wurde es dem Ingenieur 
Werner v. Siemens, der hier die Grundlagen zu seinem 
Weltruhm legte, möglich, einen elektrischen Draht aus dem 
Hauptquartier des Zaren nach der Krim zu legen — ein 
für die damalige Zeit recht schweres und auch überall be 
stauntes Werk. Erst nachdem man sich dazu entschlossen 
hatte, die Russen von der Verbindung mit dem Festlands 
im Norden abzusperren, konnte man dazu schreiten, Se- 
bastopol richtig zu belagern und dann auch, obwohl in 
mehreren Ausfällen die sich verzweifelnd wehrenden 
Russen Erfolge errungen hatten, zu erstürmen. 
Am 1. Mai 1918 sind deutsche Truppen in Sebastopol 
eingezogen. Die einzigen Kämpfe von Belang, die der 
Feldzug brachte, fanden bei den Engen von Perekop und 
in dem Sumpfgebiete statt. Damit war die Besetzung der 
Krim durch deutsche, österreich-ungarische und ukrainische 
Streitkräfte vollendet. 
Es bestätigte sich bei dem ganzen Feldzuge die Ansicht, 
die vor bald achtzig Jghren schon Friedrich List aussprach, 
daß, wer Rußland befehden wolle, dies 
nur im Bunde mit der Türkei tun 
könne. 
Es bestätigt sich ferner die Lehre, 
die schon die Goten und die Kazaren 
bewährt hatten, daß der Herr der Krim 
auch der Herr des Pontus, des einstigen 
„Chazarenmeeres" wird. Die Krim ist 
der Brückenkopf Europas mit der Aus 
sicht nach Osten und Südosten. Von 
dort blickt man nach Anatolien und nach 
dem Kaukasus. Man hat in ihr ein 
Sprungbrett für eine kommerzielle oder 
sonstige Einflußnahme auf Armenien, 
auf Persien, auf Mesopotamien, ja bis 
zum Indischen Meere und bis Turke- 
stan. Besonderen Wert und eine außer 
ordentliche Verstärkung erhält die Stel 
lung in der Krim dadurch, daß nun 
mehr auch der Kaukasus den Händen 
Großrußlands entglitten ist. So er 
öffnen sich nach jeder Richtung die herr 
lichsten Möglichkeiten für die Zukunft. 
Die deutsche Getreidewirtschaft im Kriege. 
Von vr. A. Eradenwitz. 
lHieizu die Bilder Seite 302 und 383.) 
Bei der Sicherung der deutschen Kriegsernährung spielt 
die Versorgung mit Brotgetreide bei weitem die wichtigste 
Rolle. Bildet doch das „tägliche Brot" seit biblischen 
Zeiten den Grundstock unserer Nahrung, der im Notfall 
alles übrige ersetzen, ohne den man aber auf die Dauer 
nicht auskommen kann. 
Als die englischen Aushungerungspläne Deutschland 
schon in den ersten Kriegsmonaten zu sparsamer Bewirt 
schaftung seiner Nahrungsmittelquellen zwangen, ging man 
daher auch in erster Reihe an die Regelung des Eetreide- 
und Mehlverbrauchs. Zur besseren Ausnützung des vor 
handenen Getreides erschien es nötig, eine weitergehende 
Ausmahlung als In Friedenszeiten anzuordnen; eine weitere 
Streckung wurde zeitweise durch Zugabe eines gewissen 
Prozentsatzes Kartoffelmehl erzielt, und im Februar 1915 
wurde schließlich zur Begrenzung des Brotverbrauchs die 
Brotkarte eingeführt, die man im Auslande vielfach als 
Vorboten des unmittelbar bevorstehenden Zusammenbruchs 
deutete, die in Wirklichkeit aber das wirksamste Schutzmittel 
gegen einen eigentlichen Notstand war. Unterdessen hat 
die Brotkarte, und zwar in keineswegs milderer Form, in 
manchen! anderen Lande ihren Einzug gehalten, und allent 
halben findet sich die Bevölkerung gut mit ihr ab. 
Wie ist es nun möglich, das gesamte inländische Brot 
getreide möglichst restlos zu erfassen und an das Heer sowie 
an die Bevölkerung der Getreide verarbeitenden Industrie 
zu verteilen? Will man dies verstehen, so muß man sich 
zunächst vergegenwärtigen, daß alles in Deutschland wach 
sende Getreide beschlagnahmt ist und die Landwirte zur 
Ernährung ihrer Wirtschaftsangehörigen und zur Aussaat 
nur gewisse, gesetzlich vorgeschriebene Mengen — jeden 
falls weit weniger als in Friedenszeiten — zurückbehalten 
V
	        
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