Volltext: Der Feldzug in Polen (6 / 1915)

Seltsamer Angriff. 
Lods war in unserem Besitz, und wir waren hinter den Rus¬ 
sen her. Eine unruhige Nacht lag hinter uns, denn wir hat¬ 
ten einen weiten Marsch zu machen und konnten uns erst im 
Morgengrauen unter freiem Himmel aufs Ohr legen. Etwa 
zwei Stunden mochten wir geschlafen haben, als uns ein stiller 
Alarm weckte. Alle eilten zu den Gewehren, denn unsere Vor¬ 
posten hatten das Herannahen einer größeren russischen Trup¬ 
pe gemeldet. Jeder schwur sich, die Störer der Nachtruhe 
hübsch zu empfangen. Wir schwärmten aus und warteten auf 
den russischen Angriff. Doch eine Stunde verging, und nichts 
regte sich vor uns. Eine halbe Stunde später hörten wir einen 
einsamen Schuß unseres Vorpostens und sahen gleichzeitig, 
daß sich dieser zurückzog. Also mußten die Russen kommen! 
Es kostete aber noch eine harte Geduldsprobe, ehe wir im Mor¬ 
gennebel weit vor uns eine dunkle Masse auftauchen sahen, 
die jedoch gleich wieder verschwand. „Nicht schießen, ehe nicht 
jeder einen Russen aufs Korn nehmen kann!" befahl unser 
Hauptmann. Da mußten wir aber noch lange warten; denn 
die Russen ließen sich Zeit. Drei Schritte nur gingen sie 
jedesmal voran, um sich gleich wieder hinzuwerfen. Schlie߬ 
lich sprang unser Hauptmann auf. „Kinder, nicht schießen, die 
stürmen ja ohne Gewehre!" Der Hauptmann gab mir sein 
Glas, und ich konnte mich selbst davon überzeugen. Solch ein 
Sturm war uns etwas Neues. Wir konnten uns wohl den¬ 
ken, was er zu bedeuten hatte, blieben aber schußbereit. Kaum 
merklich schob sich die Masse näher; ohne Schuß, ohne Laut 
immer dasselbe Vorgehen: Auf und wenige Schritte vor; 
nieder — eine kurze Pause! Schließlich mögen die Russen 
uns gesehen haben, denn Hunderte von Händen flogen in die 
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