Volltext: Der Feldzug in Polen (6 / 1915)

die Hand und gab der Hoffnung Ausdruck, daß nach dem 
Kriege eine recht schnelle Verständigung der Arbeiter aller 
Länder platzgreifen möge und wir den Krieg gegen unseren 
Feind, den Kapitalismus, gemeinsam erfolgreich eröffnen 
könnten. Welche traurigen Folgen ein Krieg hat, wurde ich 
hier in der Industriegegend von L . . . gewahr. Ueberall 
Not und Elend unter der unteren Bevölkerung. Nirgends 
Arbeit und keine Lebensmittel. Alle Vorräte sind im Nu 
vom Militär aufgekauft, und die Zivilbevölkerung muß Not 
leiden. Ein Ende dieses Krieges ist noch gar nicht abzusehen, 
dazu der Winter vor der Tür. Hier muß die Hungersnot 
auSbrechen, und das ist grausiger, als auf dem Schlachtfeldc 
selbst. Hunger tut weh, das haben wir oft erfahren müssen, 
als die Verpflegung manchmal mehrere Tage ausblieb. Es 
ist vorgekommen, daß unsere Soldaten unter feindlichem 
Feuer zu den Toten gekrochen sind und ihnen den Brotbeutel 
nach einem Stück Brot durchsucht haben. Lieber nahmen sie 
die Gefahr auf sich, erschossen zu werden, als diesen unheim¬ 
lichen Gast länger bei sich zu dulden. Da der Hunger bei 
keinem eine Ausnahme macht, ob er im Zivilleben reich oder 
arm ist, denn hier kann man ja selten was kaufen, und wenn 
man die Taschen voll Goldstücke hätte, so lernen auch die¬ 
jenigen, die sich im Zivilleben immer satt gegessen haben, den 
Hunger kennen und urteilen später vielleicht mal anders, 
wenn sich ein armer Arbeiter, um von sich und den Seinen den 
Hunger abzuwenden, bessere Lebensbedingungen schaffen will. 
Hoffen wir, daß die Menschheit überhaupt aus diesem grau¬ 
sigsten aller Kriege lernt und jeder daran arbeitet, eine Wie¬ 
derholung unmöglich zu machen. Du schreibst mir, daß die 
Grubengewaltigen die jetzige Zeit benutzen, die Löhne und 
Gedinge herabzusetzen. Das ist allerdings ein sehr feiner 
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