Volltext: Der Feldzug in Polen (6 / 1915)

und tropfen durch. Es fehlt Dachpappe. Man braucht Tag 
und Nacht Kerzen und Streichhölzer. All die kleinen Wider¬ 
wärtigkeiten dieses Urmenschendaseins häufen sich und ma¬ 
chen auf die Dauer krank und verdrießlich. Alles wird feucht 
und klamm. Ich persönlich bin übrigens sehr geschickt, mich 
durchzuwinden, und kann viel mehr ertragen, als manch ro¬ 
buster Arbeiter. So geht es mir, da ich stets Geld habe und 
viel Liebesgaben aus Hamburg bekomme, verhältnismäßig 
gut, aber dem allgemeinen Geschick kann man sich auf die 
Dauer nicht entziehen. Den Offizieren geht's nicht besser, 
nur daß diese meistens einen leichten, wasserdichten Mantel 
haben, der mir fehlt. Gestern begann die neue Schlacht, 
meist Artillerie- und Maschinengewehrkampf. Eine russische 
Granate schlug bei der Nachbarkompagnie durch eine Dek- 
kung: zwei Mann tot und einer schwer verwundet, ich glau¬ 
be, Fuß abgerissen. Uebrigens kommen auch manche merk¬ 
würdigen Glücksfälle vor. Einem Kameraden fiel das Spreng- 
stück einer russischen Granate gegen den Arm, zum Glück 
flach und schon ohne Schwungkraft, aber noch glühend heiß. 
Er blieb unverwundet. Dem Hauptmann S. schlug ein 
Splitter gegen den Helm; er bekam eine Beule. Als ich ein¬ 
mal gegen Ende deö Gefechts erschöpft in der Reihe ein¬ 
schlief, wurde ein Kamerad neben mir an der Hüfte durch 
eine Flintenkugel verwundet und fortgetragen, ohne daß ich 
erwachte und etwas davon merkte. Nachher erzählte man es 
mir. So gleichgültig wird man. Ebensogut hätte ich selbst 
selig hinüberschlummern können. 
Feldsonntag. 
19. Oktober 1914 
Bisher hat der Zufall immer gewollt, daß unser Regi- 
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