Volltext: Der Feldzug in Polen (6 / 1915)

meraden, d. h. sie schlafen nur, wenn sie nicht allzusehr von 
Flöhen und Wanzen gepeinigt werden. Wenigstens sind wir 
aber im Trocknen, und das lernt man in endlosen Regen¬ 
nächten draußen unter freiem Himmel sehr schätzen. 
Nachdem wir von Ostpreußen per Bahn nach Oberschlesien 
befördert worden waren, haben wir in endlosen Märschen 
Polen durchquert. Manchmal sind wir um 2 Uhr nachts auf¬ 
gebrochen, an anderen Tagen wieder bis 11 Uhr abends mar¬ 
schiert. Unterkunft, entweder in zugigen Scheunen, mistigen 
Ställen oder in unglaublich dreckigen Löchern, die man hier 
als menschliche Wohnungen bezeichnet. Am 4. Oktober nahm 
ich mit einem Halbzuge an einem Gefecht teil. Die Russen 
wurden gehörig geschlagen. An meiner Seite fiel mein bester 
Freund von meiner Dienstzeit her, er war nach wenigen 
Worten tot. Zwei Tage vorher, an meinem Geburtstage, 
sind wir im strömenden Regen von morgens 3 bis nachmit¬ 
tags 6 Uhr marschiert. Unterkunft in einem kleinen Dorf. 
Zu kaufen gibt's nichts. Seit gestern vor acht Tagen liegen 
wir vor der Festung Iwangorod an der Weichsel. Die bei¬ 
den ersten Tage und Nächte bei strömendem Regen unter 
freiem Himmel. Ein bißchen Stroh halten wir 4 Kilometer 
weit mitgeschleppt, als Nachtmusik furchtbares Granatfeuer. 
Am Montag früh kamen wir ins Gefecht. Unsere Kompag¬ 
nie besetzte ein Dorf, mußte aber vor vielfacher russischer 
Uebermacht wieder weichen. Beim Zurückziehen hielt ich mich 
etwas zu lange bei einem zu Tode verwundeten Kameraden 
auf, dessen Trauring ich seiner Frau schicken sollte. Ich bin 
im tollsten Infanterie- und Granatfeuer 900 Meter weit 
über einen aufgeweichten Acker mit vollem Gepäck gerannt. 
Daß ich nicht getroffen wurde, ist nur der fürchterlich schlech¬ 
ten Schießerei der Russen und einigem Glück zu verdanken. 
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