Volltext: Historische Daten und Sagen über Kirchen, Klöster und Burgen im politischen Bezirke Perg

hätte bewirken können; allein es erscheint mir billiger, ihn zu einem 
Urteil zu verfallen, wo die allwaltende Hand der Fiirsicht zu seinen 
Gunsten einschreiten und ihn erretten kann, nicht aber den grausamen 
Untergang durch das gefräßige Element auszusprechen, das, wenn es 
einmal erfaßt, nur freigibt als entseeltes Opfer. 80 möchte ich Euch, 
denn, Ihr Bürger und Schoppen meiner vielgetreuen Gemeinde von Grein, 
wohl vorschlagen, den Schuster, wenn er schon sterben soli, in seinem 
Berufe sterben zu lassen. 
Männiglich von Euch kennt die Beschaffenheit des Wirbels und 
Strudels, den Platz der Wassergeister, von denen zumal der letzte kaum 
einen Büchsenschuß weit von hier zu linden ist. Es brauset und zischet 
und siedet und brodelt in ihrer Nähe so furchtbarlich, daß, wer dicht 
über ihnen in ihre Schlünde und Drehkreise hinabschaut, schier alsbald 
vom Schwindel erfaßt und in den Grund gerissen werden muß. Und seht, 
hienach wollen wir unsern Spruch einrichten und den Delinquenten zu 
einer Strafe verdammen, welche die Möglichkeit der Errettung zuläßt; 
und darum soll Melchior Isenflamm hinauskriechen auf die Spitze des 
Felsens, welcher über den Strudel herabhängt*), wo er am entsetz¬ 
lichsten tobt, und soll ihm sein Handwerkszeug gereicht und er ver¬ 
halten werden, auf jener Stelle ein Paar Schuhe zu doppeln. Ist das 
Glück ihm hold und vollbringt er das Wagestück, so soll er straflos 
ausgehen in alle Lande ; gelingt ihm das Werk nicht, so verfällt er der 
gebührenden Ahndung, wir haben aber unser Gewissen entlastet durch 
die Möglichkeit der gebotenen Rettung " 
Herreuwille ist zu allen Zeiten Aller Wille gewesen und so erhob 
sich denn natürlicher Weise in der ganzen Versammlung keine Stimme, 
welche nicht des Gaugrafen Meinung gut geheißen hätte, wenn schon zur 
Steuer der Wahrheit gesagt werden muß, daß insgeheim manche mitleidige 
Seele kopfschüttelnd die Änderung des Urteiles rügte, welche den armen, 
durch Gram und Kerkerluft entkräfteten und von der Todesangst nun 
völlig aufgeriebenen Schuster zu einer Aufgabe berief, die einen ganz 
gesunden und besonnenen Mann erheischte, ihm folglich nimmermehr 
zum Frommen ausschlagen konnte. 
Alle gaben diesertwegen den unglücklichen Melchior verloren und 
viele entfernten sich, weil sie die grausame Prüfung nicht sehen wollten, 
die man über Isenflamm neuerdings verhängt hatte. 
Wie dies aber so oft geschieht, daß der kleinste Funke von Hoff¬ 
nung, welcher in die Todesnacht eines schon gänzlich x'Vufgegebenen fällt, 
diesen wie zu einem neuen, sonnigen Leben erweckt, seine Nerven stählt 
und ihm fast äugenblicks wieder Kraft, Mut und Besonnenheit zurück¬ 
gibt, also geschah es mit dem Schusterlein von Grein. 
Man mag solches füglich als eine milde Schickung der Fürsicht 
erkennen, welche jedem sein Maß von Leiden zuteilt, aber ihm auch die 
Stärke erhält, dasselbe auszuleeren bis auf die Neige und ihn nimmer 
untergehen läßt in Kleinmut, wenn er nur geirrt, nicht aber wissentlich 
und mit Absicht gefrevelt hat gegen ihre aliheiligen Gebote. 
Man brachte dem Schuster sein Handwerkzeug und ein Paar 
Schuhe und überließ ihn der schweren Prüfung. 
Es war ein zu Herzen gehender Anblick, den armen Schuster zu 
sehen, wie er auf allen Vieren rutschend, gleich einem Getier des Wal¬ 
des, den steilen Felshang hinabkletterte bis zur äußersten Spitze, unter 
welcher es gährte und schäumte, als warteten die Wassergeister schon 
ihres Opfers. Alle Augenblicke vermeinte man, Isenflamm auf der Kante 
ausgleiten und in den Gischt versinken zu sehen, als er sich vollends zu 
recht rückte und sein Handwerkzeug hervorzog. Doch alsbald sah man 
den Schuster ruhig auf seinem bedrohlichen Platze rüstig arbeiten und 
+) Damals bestand die heutige, auf Felsen aufgemauerte Straße noch nicht und 
reichten die Fluten der Donau bis zu dem Grunde des Felsens.
	        
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