Volltext: Die k. k. Tabakfabrik zu Schwaz in Tirol

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wältigt, aber als fruchtlos aufgegeben oder auf 
eine geringe Förderung eingeschränkt; außer der 
Tabakfabrik ist nur ein äußerst bescheidener 
Industriezuwachs zu verzeichnen, weil die un¬ 
entbehrlichen Betriebsmittel, Kohle, Wasserkraft 
und billige Rohprodukte, fehlen ; die Schiffahrt 
und das Straßengewerbe wurde in der Zeit von 
1860—1870 durch den neu eröffneten Südbahn- 
Schienenweg schwer geschädigt, ein Ausfall, 
der erst seit 20 Jahren durch den Zufluß des 
Beiseverkehres ersetzt wird ; die Erträge aus 
Land- und Forstwirtschaft sind dank Zunahme 
der Bevölkerung und des Fremdenverkehres er¬ 
heblich gestiegen. Der altersgraue Ort, der im 
Jahre 1900 statistisch 729 Häuser mit 1342 
Wohnparteien, im ganzen aber 6400 Einwohner 
besaß, hat sich verschönert und verjüngt, besonders 
seit er durch kaiserliche Huld zur Stadt erhoben 
wurde. Infolge Besserung des Arbeitsmarktes 
ist der Jammer der Arbeitslosen beinahe ver¬ 
stummt, das einst tief erniedrigte Gemeinwesen 
ist mit erneuter Zuversicht und Schaffenslust 
beseelt. 
Da hier außer der Tabakfabrik keine andere 
Industrie mit ähnlicher Ausdauer und Kraft 
eingegriffen hat, darf die von der k. k. Regierung 
im Jahre 1829 mit Hilfe der Tabakregie ein¬ 
geleitete Notstandsaktion als wohl gelungen an¬ 
erkannt werden. Dieser unbestrittene Erfolg kann 
schwerlich geschmälert werden durch die Er¬ 
wägung, daß das namhafte Erfordernis für die 
Erhaltung der städtischen Wohlfahrtsanstalten: 
Kinderkrippe und Kindergarten, Schule und 
Kinderasyl, Krankenhaus und Armenfonds, von 
dem verhältnismäßig kleinen Kreise der wohl¬ 
habenden Bevölkerung aufgebracht werden muß, 
während gerade die bedürftige Arbeiterschaft 
von diesen Einrichtungen den ausgiebigsten 
Gebrauch macht Bei dem beliebten Einwände 
wegen Großziehung »industrieller Proletarier« 
wird meist die erfreuliche Tatsache übersehen, 
daß sich die Lebenshaltung und die Kaufkraft 
der Fabriksarbeiter dank des ständigen und aus¬ 
kömmlichen Verdienstes stetig gehoben hat und 
vermöge des Massenverbrauches an Waren zum 
wichtigsten Nährboden dçr bürgerlichen Erwerbs¬ 
zweige geworden ist. 
Auch die einseitig vorwiegende Nachfrage 
der Regie nach weiblicher Arbeitskraft erscheint 
nur dann als ein Mißverhältnis, wenn die Be¬ 
schäftigung der Arbeiter in dem einzelnen Be¬ 
triebe für sich allein in Betracht gezogen wird 
(Stand Ende 1904: 1006 Weiber, 154 Männer). 
Die zur Herstellung des Gleichgewichtes 
erforderlichen Verdienstgelegenheiten für Männer 
(rund 800 Kräfte über den Bedarf der Fabrik) 
können teils im Orte selbst, teils in der näheren 
Umgebung nahezu ganz beschafft werden, zumal 
besonders die Landwirte über »Leutenot« zu 
klagen haben. 
Nach unbefangener Prüfung der mannig¬ 
fachen Wechselbeziehungen, welche die Ent¬ 
wicklungsgeschichte der Gemeinde Schwaz und 
der Tabakfabrik daselbst umspannen, gelangt 
diese Studie zu dem für die Heimatskunde nicht 
unwichtigen Schlüsse, daß das Tabakmonopol 
an dem neuen Aufschwünge und an der Wieder- 
erstarkung des Schwazer Gemeinwesens einen 
hervorragenden Anteil hat. Möge die gedeihliche 
Gestaltung des Gemeinwesens und der hier ein¬ 
gewurzelten Tabakfabrik in gleich günstiger 
Weise vorwärts schreiten wie bisher!
	        
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